Regierungschef Conte droht mit Rücktritt
Die Nachricht stammt aus dem engsten Umfeld des Regierungschefs im römischen Chigi-Palast: Giuseppe Conte soll am Mittwoch mit Rücktritt gedroht haben. Der im politischen Intrigenspiel unerfahrene Premier hat offenbar die Nase voll vom gnadenlosen Konkurrenzkampf der beiden Parteichefs seiner Regierung. Besonders das Treffen des ungarischen Präsidenten Orbans mit Lega-Chef Salvini stiess dem Premier sauer auf. "Stanno screditando il mio ruolo con la loro competizione esasperata", erregte sich Conte."Serve più collegialità." Verwundern kann die Reaktion des Universitätsprofessors freilich nicht. Denn statt ihr angekündigtes Regierungsprogramm durchzuziehen, liegen sich die Koalitionspartner permanent in den Haaren. Di Maio etwa beschwichtigte aufgebrachte M5S-Kollegen mit der Feststellung, das Treffen Salvinis mit Orban "era un incontro esclusivamente politico e non governativo". Dann reiste der Vize-Premier nach Ägypten, das Aussenminister Moavero nur wenige Tage vorher besucht hatte. Dort bemühte er sich zweieinhalb Jahre nach der Ermordung des Studenten Giulio Regeni einmal mehr um Aufklärung der Tat.
Die Verwirklichung des umfangreichen Regierungsprogramms lässt auf sich warten. Stattdessen streiten beide Parteien über die vom M5S befürwortete und von der Lega abgelehnte Verstaatlichung der Autobahnen. Lega-Staatssekretär Giancarlo Giorgetti: "Non sono molto persuaso che la gestione dello stato sia di maggiore efficienza."
Es ist nicht der einzige Streitpunkt: während die Lega die Erdgasleitung über die Adria und die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon befürwortet, lehnt die Fünfsterne-Bewegung beide Projekte ab. Salvini zeigt dafür kein Verständnis: "Non dobbiamo bloccare le grandi opere." Der Lega-Chef befürwortet auch weitere von der Fünf-Sterne-Bewegung abgelehnte Projekte wie die Pedemonatana veneta, die Vicenza mit Treviso verbinden soll und den terzo valico, jene Hochgeschwindigkeitsstrecke, die Genua mit Tortona verbinden soll. Auch bei der geplanten Abschaffung der pensioni d'oro legt sich die Lega quer. Di Maio verärgert: "Se qualcuno non vuole attuare il programma, lo dica."
Der Finanz-Experte der Lega, Alberto Brambilla kontert: "Con i piani della Lega salterebbe il sistema di previdenza."
Je näher die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes rückt, desto nervöser wird das Klima. Finanzminister Giovani Tria dementiert kategorisch Di Maios Ankündigung, man werde die Defizitgrenze von drei Prozent überziehen. Die Fünf-Sterne-Bewegung wiederum lehnt Salvinis Gesetz zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit ab, das den Besitz von Schusswaffe erleichtern soll. Auch über die dringende Sanierung des grössten Stahlwerks Italiens in Taranto gibt es keine Einigung in der Regierung.
Am Freitag liess der Corriere ein weitere Bombe platzen. Nach dem am 5. September fälligen Urteil des Berufungsgerichts über die Beschlagnahme der Gelder aus der Lega-Parteikasse könnte Salvini die Rückkehr zum alten Rechtsbündnis mit Berlusconi beschliessen - und damit zu jener Partei, die für die grandi opere eintritt. Am Donnerstag unterzeichnete Salvini in Venedig mit dem Präsidenten der Region Zaia die Vereinbarung zum Bau der pedemontana. Dabei äusserte er sich unmissverständlich: "Non ci hanno votato per fermare o tornare indietro, non esistono decrescite felici. Esistono solo crescite felici e noi vogliamo andare avanti."
Regierungschef Giuseppe Conte will seine bisherige Vermittlertätigkeit keineswegs unbefristet fortsetzen: "Questo è il mio unico giro. Poi non cercherò candidature, ma tornerò serenamente al mio lavoro." Eine Äusserung, die an Deutlichkeit keinen Wunsch offen lässt. Bestenfalls die Frage, wie lang Contes am 1. Juni begonnener giro noch dauern kann.