Kultur | Champagner

Tyrolean Sparkling

Mit Champagner ins neue Jahr? Über Träume und Schäume handeln zwei frühe Schaumweingeschichten aus der Gegend. Stoßen Sie an. Gern auch mit (Sparkling)-Wasser.
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Foto: Wikipedia
  • Tag des Champagners, heißt es heute auf einigen Kalendern (wie auch jeweils am 4. August). Das edle Gesöff schmeckt Sommer wie Winter, wird aufwendig hergestellt, sündteuer verkauft und versinnbildlicht monetären Wohlstand, höchst selten hingegen geistigen Reichtum. 
    Der früheste Champagner-Unternehmer Südtirols geriet ob seines Scheiterns in Vergessenheit. Seine Geschichte ist aber dennoch mehr als prickelnd. Ein gewisser Alois von Perckhammer war es, der hierzulande Pionierarbeit geleistet hat mit seinem Champagner als erster aus dem Süden Tirols den Sprung in internationale Schaumweingewässer wagte. Springen wir dazu eineinhalb Jahrhunderte zurück. in den 1860er-Jahren baute sich der tüchtige Önologe Alois von Perckhammer eine kleine Champagner-Fabrik im kleinen Weindorf St. Pauls, „eines jener industriellen Unternehmen“, schrieb ein Zeitzeuge beeindruckt, das den „drückenden Zeitverhältnissen mit Streben nach Genuss“ entgegentrat. 
     

    Nichtsdestotrotz ist es lokalen Schaumweinliebenden der Jetztzeit jederzeit erlaubt, bei passenden Gelegenheiten ihr Glas – ob Champagner oder einfacher Leps – auf Alois von Perckhammer zu erheben und auf seine perlende Leistung anzustoßen. 


    Das wahnsinnige Vorhaben des lokalen und adeligen Champagner-Pioniers wurde von den weinsinnigen Bauern zunächst belächelt; sie holten gar zum spöttischen Gegenschlag aus und behaupteten, dass für den Südtiroler Champagner lediglich ein paar Körner Reis genügten, um den weißen Wein zum erwünschten Sprudeln zu bringen. Perckhammers Perlwein wurde jedoch, dem Spott zum Trotz, als „feines Erzeugnis“ anerkannt und von „Kennern der auswärtigen renommierten Fabrikate […] für ebenbürtig gehalten“. Sorgsam hatte sich der Südtiroler Champagnerpionier „die nach seiner Meinung besonders tauglichen Sorten“ ausgesucht, um „seinen Freunden und Bekannten ein Glas Überetscher Champagner“ vorzusetzen, der – wie es in den Zeitungen von damals hieß – „ganz gut  mundete und zur Vornahme weiterer Proben verlockte, die ebenfalls guten Erfolg lieferten.“ 

  • Champagnerfabrik bei Bozen: Werbeschaltung in der Innsbrucker Zeitung aus dem Jahr 1861 Foto: Innsbrucker Zeitung
  • Der innovative Betrieb war ganz im Sinne der „vorzüglichen Fabriken Frankreichs, nach dem neuesten und besten System“ eingerichtet, und der Champagner-Macher brachte das edle Getränk mit einer speziellen made for the Exibithion 1862­-Abfüllung aus St. Pauls sogar auf die Londoner Industrie-Ausstellung und ins internationale Gerede. Allerdings nicht lange, denn kurz nachdem das Getränk sprudelnd in aller Munde war, geriet diese erste Tiroler Champagner-Fabrik derart ins Straucheln, dass sie – ähnlich einem Individuum, das zu viel vom guten Schaumwein getrunken – nicht mehr richtig lief.

  • Angesagtes Sprudelgetränk: Champagner nach dem neuesten und besten System. Foto: Bozner Zeitung

    Einmal am Boden, geriet von Perckhammers Pionierleistung in Vergessenheit. Nichtsdestotrotz ist es lokalen Schaumweinliebenden der Jetztzeit jederzeit erlaubt, bei passenden Gelegenheiten ihr Glas – ob Champagner oder einfacher Leps – auf Alois von Perckhammer zu erheben und auf seine perlende Leistung anzustoßen. 
    Ein halbes Jahrhundert später machte plötzlich (und unabhängig von von Perckhammer) die Champagnermarke Überetscher Gold von sich reden. Und wie! „Amerikanische Reklame“ lautete die Überschrift eines Zeitungsartikels Ende März 1909. Des weiteren stand zu lesen: „Staunend standen in den letzten Tagen des Karnevals viele Menschen vor einem großen Plakate, auf dem die Schulreiterin hoch zu Roß abgebildet war, gleichzeitig wurde auf diesem übergroßen Zettel in blauem Drucke die  Ankunft eines amerikanischen Monstre­-Zirkus in unserer Stadt angekündigt“. Dem Plakat konnten die Betrachter und Betrachterinnen außerdem entnehmen dass „erstklassige Darbietungen der Pferdedressur“, eine „Galavorstellung mit Löwenritt“ und eine „Wasserpantomime“ in „Aussicht gestellt“ wurden. Was beim ersten Hinsehen einem Faschingsscherz gleichkam, zeigte das Plakat allerdinga dann bei der genaueren Betrachtung, nämlich, dass sich hinter dem "ganzen Zirkus" die Champagnermarke Überetscher Gold versteckte, eine damals durchaus angesagte Marke, die in „fast jedem Tiroler Gasthofe zu finden“ war, da sie „von den Gästen als billiges heimisches Erzeugnis vorgezogen“ wurde. 
     

    In seiner nach französischem Verfahren arbeitenden Schaumweinkellerei wurden jährlich rund 12.000 Flaschen produziert, es winkten sogar Preise und goldene Ausstellungsmedaillen für den Champagner

  • Kolonialer Zeitgeist um 1900: Das Plakat zeigt eine stereotypisierende und diffamierende Darstellung des "Fremden" und bedient die in jener Zeit durch Kolonialismus und Imperialismus gesteigerte Lust am Exotischen. Derartige Plakatmotive sind geprägt von der Herrschaftsgeschichte des "weißen" Europas und spiegeln die damalige Perspektive auf den afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Kontinent eindringlich wider. Diesen Hinweis gibt das Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst vor. Und vermerkt: die Präsentation solcher Objekte soll dazu beitragen, die wissenschaftliche Erforschung und den kritischen Umgang mit diesen Museumsbeständen zu ermöglichen. Foto: Überetscher Gold

    Aber auch in Wien und „in den böhmischen Weltkurorten“ wurde Überetscher Gold getrunken. Hergestellt wurde der Chamapagner vom Unternehmer Wilhelm Burck in den unteren Stockwerken von Schloss Wickenburg, einem schönen herrschaftlichen Anwesen oberhalb von St. Michael/Eppan. Bereits 1902 hatten Champagner-Liebhaber angefangen, das sprudelnde Getränk zu erzeugen, ab dem Jahr 1908 wurde es professionell vermarktet und als Nobelgetränk zu besonderen Anlässen getrunken. 
    In seiner nach französischem Verfahren arbeitenden Schaumweinkellerei wurden jährlich rund 12.000 Flaschen produziert, es winkten sogar Preise und goldene Ausstellungsmedaillen für den Champagner, der auch unter dem Namen „Tyrolean Sparkling“ von sich reden machte. Zumindest bis ins Jahr 1913. Danach wurde es still um das Produkt, und nach dem Weltkrieg geriet auch dieser zweite Eppaner Champagner-Versuch in Vergessenheit. Sehr einprägsam in Erinnerung geblieben sind hingegen einige Plakatarbeiten für die Champagner-Marke, die sich der Grafiker und Architekt Ludwig Hohlwein ausdachte. Er provozierte gerne und wurde mit wirkungsvollen Hell-Dunkel- und Vordergrund-Hintergrund-Kontrasten bekannt. Eines der Plakatmotive für das Überetscher Gold zeigt einen Diener mit schwarzer Hautfarbe, der dem Betrachter das prickelnde Produkt entgegenhält. Das Motiv entspricht einer kolonialen Tradition in der Werbegrafik dieser Zeit, Hohlwein setzte es auch bei anderen bekannten Marken ein, um die europäische Überlegenheit gegenüber dem afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Kontinent visuell zu unterstreichen. Dass Hohlwein rund zwei Jahrzehnte später – bereits vor der Machtergreifung Hitlers – für die NSDAP arbeitete und in der Zeit des Nationalsozialismus das visuelle Erscheinungsbild des Dritten Reiches bedeutend prägte, ist die andere Seite der Hohlwein-Medaille. Sie ist nicht golden, sondern ziemlich braun.