Wirtschaft | Tourismus
Wirte gegen Bauern
Foto: Othmar Seehauser
Der Tagesordnungspunkt 22 auf der Sitzung der Landesregierung hat einen langweilig, bürokratischen Titel „Landestourismusentwicklungskonzeptes 2030+“. Doch der Beschluss, den heute die Landesregierung verabschiedet werden soll, hat einige politische Sprengkraft in sich.
Das wurde spätestens auf der Klausurtagung des Hotelier- und Gastwirteverbandes (HGV) deutlich. Dort hat man sehr energisch verschiedene Punkte aus dem Strategiepapier kritisiert. Vor allem die Tatsache, dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Privatzimmervermieter und der kleinen Betriebe eingeschränkt werden sollen, während der „Urlaub auf den Bauernhof“ ausgegrenzt wird und Bauern weiterhin großzügig erweitern können, sorgt bereits im Vorfeld für Unmut. „Es geht nicht an, dass die Bauern tun können, was sie wollen“, ärgert sich ein hoher HGV-Funktionär.
Es geht um den offiziellen Entwicklungsplan des Südtiroler Tourismus für das nächste Jahrzehnt. Salto.bz hat das 90starke Dokument mit dem Titel „Landestourismusentwicklungskonzept 2030+ – Ambition Lebensraum Südtirol: auf dem Weg zu einer neuen Tourismuskultur“ bereits vorvergangene Woche exklusiv vorgestellt.
Ausgearbeitet wurde der Entwicklungsplan vom „Center for Advanced Studies“ der Eurac, das Harald Pechlaner leitet. Die Vorgabe wurden dabei von der Landesregierung gemacht.
Die Betten-Deckelung
Der zuständige Landesrat Arnold Schuler hat es bereits in mehreren öffentlichen Stellungnahmen vorweggenommen: Es wird eine Obergrenze der Betten in Südtirol eingeführt werden. Die große Frage aber war, wie soll man diese festlegen?
Offiziell hat Südtirol 227.000 Gästebetten. Doch jeder weiß, dass diese Zahl veraltet ist, so nicht mehr stimmt und es in Wirklichkeit deutlich mehr Betten gibt. Im Konzept wird jetzt ein klarer Vorschlag gemacht. Es werden die Übernachtungszahlen der Saison 2019 hergenommen. Als Berechnungsgrundlage gilt der Rekordtag jedes Betriebes. Wenn x Gäste übernachtet haben, dann muss es auch x Betten geben.
Diese Bettenzahl soll in Zukunft als Obergrenze gelten. Wobei man jene Ausbauprojekte noch dazurechnet, die bereits genehmigt wurden.
In Zukunft wird die Erweiterungsmöglichkeit der Betriebe deutlich eingeschränkt. Vor allem große Hotels und Ressorts sollen beschränkt werden. Bestehende Betriebe können nur mehr erweitert werden, wenn Betten in einer Gemeinde aufgelassen und sozusagen frei werden. Die Zuteilung und Detailregelung wird über die Gemeinden erfolgen. Kritiker befürchten, dass damit ein Bettenbazar entsteht, der ungeahnte Auswüchse annehmen könnte.
Auch deshalb dürfte man in das Strategiepapier einen konkreten Vorschlag eingebaut haben. So können in touristisch stark entwickelten Gemeinden bei Betriebsauflösungen nur die Hälfte der verlorenen Betten an andere Betriebe zugeteilt werden. Die andere Hälfte fällt hingegen in einen Landestopf, der dann bei Bedarf in den strukturschwachen Gemeinden verwendet wird.
Das Problem
Laut Entwicklungskonzept gibt es aber zwei Bereiche, die von dieser Bettenobergrenze ausgeschlossen sind. Das sind die Betriebe innerhalb der Siedlungsgrenze einer Gemeinde in touristisch schwach entwickelten Gebieten. Und der „Urlaub auf dem Bauernhof“.
Der lukrative Nebenerwerb für Bauer, der in vielen Gemeinden dazu ausgenützt wird, steuersparend Luxushotels ins landwirtschaftliche Grün zu stellen, die als Bauernhof „getarnt“ sind, soll auch weiterhin möglich sein.
„Warum sollen die Bauern bauen und erweitern können und die kleine Pension nicht?“, ärgert man sich jetzt nicht nur im HGV. Schon jetzt ist klar, dass es innerhalb der SVP aber auch im Landtag in diesem Punkt zu einem harten Schlagabtausch kommen wird. Einer der Wortführer dabei: Der Eisacktaler Hotelier und SVP-Landtagsabgeordnete Helmuth Tauber.
Tourism Exposure
Im Entwicklungskonzept für den Tourismus wird aber auch ein neuer Indikator für die Entwicklungsstruktur von Gebieten vorgeschlagen, der den alten Maßstab „Bettenzahl“ ablösen soll.
Der Messwert nennt sich „Tourism Exposure“, übersetzt „Ausmaß der touristischen Exponiertheit“ und setzt sich aus der „touristischen Intensität“ (Nächtigungen pro Jahrestage im Verhältnis zu Einwohnerzahlen eines Gebiets) und der „Tourismusdichte“ eines Gebiets (Betten pro km2) zusammen.
Zudem sollen bei der Klassifizierung der Hotels, bei der sogenannten Sterne-Einstufung, auch die Einhaltung der Kriterien der Nachhaltigkeit und die konkrete Umsetzung regionaler Kreisläufe berücksichtigt werden.
Dabei steht im Konzept auch ein konkreter Vorschlag, den viele Südtiroler Wirte und Wirtinnen kaum goutieren werden: Die Ausweitung der sogenannten Mystery-Guest-Checks.
Ab 2021 müssen sich Südtiroler 5-Sterne-Betriebe jährlich einem Mystery-Guest-Check zur Bewertung ihrer Ausstattung, der baulichen Merkmale, der angebotenen Leistungen und der beruflichen Qualifikation der Beschäftigten. Die Tester prüfen die Betriebe dabei unerkannt. Der Betrieb übermittelt das Ergebnis dieser Qualitätsanalyse der für den Tourismus zuständigen Organisationseinheit des Landes zur Durchführung der entsprechenden Kontrollen.
Im neuen Konzept wird jetzt festgelegt, dass diese „unabhängigen Kontrollen“ deutlich ausgeweitet werden sollen.
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Wie wäre es mit einem "Mystery-Bauern-Check" ?