Mario Draghi
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Politik | Mattarella-Nachfolge

Draghi neuer Staatspräsident?

Der Premier scheint an der Nachfolge Mattarellas interessiert.

In rund 3 Wochen (voraussichtlich am 24. Jänner) beginnen die Wahlen zur Kür des neuen Staatsoberhauptes. Für die Nachfolge Mattarellas gibt es bisher nur einen offiziellen Kandidaten: Silvio Berlusconi. Dass ein 85-jähriger für eine siebenjährige Amtszeit kandidiert, ist grotesk genug. Und dass ein wegen Steuerdelikten rechtskräftig Verurteilter in  ein Amt drängt, in dem er auch den Vorsitz im Obersten Richterrat (consiglio superiore della magistratura) übernimmt, mutet geradezu bizarr an. Nun aber deutet ein Bewerber seine Kandidatur an, mit dem man nicht unbedingt gerechnet hat: Regierungschef Mario Draghi. Von ihm hat man bisher angenommen, dass er sich bei Ende seiner Regierungszeit auf seinen Landsitz in Umbrien zurückziehen werde. 

Dass der 74-jährige ein Amt anstrebt, das ihn bis zum 81. Lebensjahr bindet, hat bei vielen politischen Beobachtern Verwunderung ausgelöst. Berlusconi freilich zeigt sich überzeugt, auch einen hochkarätigen Bewerber wie Draghi schlagen zu können: "Io ho i voti" versichert er mit gewohnter Selbstsicherheit.

Giorgia Meloni ist als erste in den Ring gestiegen : "Sosteniamo Berlusconi , ma non vorremmo ritrovarci da soli a farlo e seci rompiamo sul Colle il centrodestra non c' è più". Meloni, die sich bereits öffentlich für Berlusconi ausgesprochen hatte, fordert Geschlossenheit des rechten Lagers. Ignazio La Russa: "Dobbiamo muoverci uniti e compatti in tutte le fasi, non ognuno per i fatti suoi. " 

Draghis Dilemma ist, dass er im Chigi-Palast genau so unersetzlich scheint wie im Quirinal. Eine Äusserung des PD-Chefs Enrico Letta beschreibt das Dilemma, vor dem seine Partei und ihre Bündnispartner stehen, mit kaum zu übertreffender Deutlichkeit: "Dobbiamo tenercelo stretto, in un modo o nell'altro. E' un'assicurazione sulla vita". Mit anderen Worten: kein anderer Bewerber für das Amt des Staatspräsidenten kann mit so grosser Zustimmung im Parlament und auf der internationalen Bühne rechnen. Sein potentieller Gegner Silvio Berlusconi weist nach einem Viertel Jahrhundert politischer Laubahn eine ganz andere Bilanz auf: über ein Dutzend Prozesse - zwei davon noch nicht abgeschlossen. Eine hohe Anzahl an Skandalen und Polemiken aller Art und ein für eine siebenjährige Amtszeit  absolut problematisches Alter von 85 Jahren. Einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt es durchaus: beide politischen Lager einigen sich auf eine längst notwendige Entscheidung: die überfällige Wahl einer Frau ins höchste Staatsamt. Eines kann als sicher gelten: die ersten drei Wahlgänge, in denen eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich ist, werden ergebnislos enden. Im vierten, in dem Napolitano und Mattarella gewählt wurden, genügt eine einfache Mehrheit. Hinter den Kulissen haben die Verhandlungen bereits begonnen.  Zu den aussichtsreichen Anwärtern gehören Mario Draghi, Silvio Berlusconi, Pier Ferdinando Casini, Giuliano Amato, Marta Cartabia, Paolo Gentiloni und Anna Finocchiaro und Marcello Pera.

 

Silvio Berlusconi ist in gewohnter Selbstsicherheit von seinen Chancen fest überzeugt.

Silvio Berlusconi ist in gewohnter Selbstsicherheit von seinen Chancen fest überzeugt. An sich selbst hat der Cavaliere bekanntlich nie gezweifelt, nachdem er sich in den drei Jahrzehnten seiner politischen Laufbahn abwechselnd als besten Ministerpräsidenten der letzten 150 Jahre, Gesalbten des Herrn und Jesus Christus in der Politik bezeichnet hatte.

Das Ende seiner Laufbahn war Berlusconi im vergangenen Jahrzehnt unzählige Male prophezeit worden. Etwa von der deutschen Tageszeitung Die Welt, die im September 2009 unter dem Titel Der Herbst des Sultans seinen Machtzerfall bildhaft geschildert hatte: "Hinter dem alten Theater ist noch das leise Rauschen des Vorhangs für den letzten Akt eines Trauesspiels zuzu hören, in das sich die alte Komödie mit Silvio Berlusconi vor aller Augen zu verwandeln scheint. Wer seine Heldentaten nur noch alleine rühmt, ist ein bröckelndes Denkmal seiner selbst geworden. Es wird nun Herbst um ihn". Artikel dieses Tenors wurden von vielen Zeitungen publiziert. Indessen hat der Ex-Cavaliere im Parlament an alle Abgeordneten und Senatoren in Erwartung der Wahl bereits neue Hochglanzbroschüren verteilen lassen. Titel: "Io sono Forza Italia".