“Die Kirche hat eine schwere Hypothek”
Wegschauen, vertuschen, verharmlosen, verschweigen. Sich mehr um den Schutz der Täter als um die Opfer kümmern. Das Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) ist ein Dossier des Grauens. Im Auftrag des Erzbistums München und Freising hat sich die Kanzlei mit sexuellem Missbrauch in der Katholischen Kirche beschäftigt. Auf knapp 1.900 Seiten wird offengelegt, wie mindestens 497 Menschen Opfer sexualisierter Gewalt wurden und dass Missbrauch über Jahre systematisch vertuscht wurde. Wird man sich jetzt auch in Südtirol an die längst überfällige Aufarbeitungsarbeit machen?
Robert Hochgruber erwartet sich nicht nur einen offenen und ehrlichen Umgang mit dem Thema – sondern auch, dass die Diözese Bozen-Brixen den Opfern finanziell beisteht. Der Theologe, langjährige Religionslehrer und kritische Christ sagt: “Das würde ein reinigendes Gewitter bedeuten, was letztlich sich für alle positiv auswirken dürfte.”
salto.bz: Herr Hochgruber, waren Sie vom Umfang und den Ergebnissen der Studie überrascht?
Robert Hochgruber: Nein, die Ergebnisse des Gutachtens haben mich nicht überrascht, auch der Umfang der schrecklichen Taten nicht. Vermutlich gibt es eine noch viel größere Dunkelziffer. Ich bin sehr froh, dass das Gutachten von der Kirchenleitung in Auftrag gegeben und veröffentlicht wurde. Das ist leider nicht immer der Fall, wäre aber für eine umfassende Aufarbeitung überall notwendig.
Auch dem ehemaligen Papst Benedikt XVI. wird Fehlverhalten angelastet.
Es ist ebenso nicht überraschend, dass auch der emeritierte Papst als damaliger Erzbischof ein Fehlverhalten an den Tag gelegt hat. Leider muss ich sagen, dass diese Art des Umgangs mit Missbrauch damals weitgehend üblich war, auch in unserer Diözese. Dass Joseph Ratzinger versucht, Ausreden zu finden und seine Schuld und Verantwortung nicht eingestehen will, bestürzt mich. Ihm ging es damals und wohl auch heute vor allem um das Ansehen des Priesters und der Institution und nicht um das Leid der Opfer, auch wenn er etwas anderes sagt.
In der Stellungnahme zu einem Fall gibt Joseph Ratzinger an, dass “die Behauptung falsch sei, dass die nach gesamtkirchlichem Recht geforderten Maßnahmen unterblieben seien, da der Priester ausschließlich sexuelle Handlungen ‘vor’ und nicht ‘mit’ anderen Personen vorgenommen habe, was zwar nichts an der Sündhaftigkeit und der moralischen Verwerflichkeit dieser Handlungen und dem dadurch erfolgenden schwer sündhaften Verstoß gegen das sechste Gebot ändere, sie jedoch von der einschlägigen kirchlichen Strafnorm nicht umfasst und daher kirchenrechtlich nicht strafbar seien und erst seit dem Jahr 2020 geklärt sei, dass auch exhibitionistische Handlungen unter den Begriff der Sünde fallen können”. Zusammengefasst: Wenn sich ein Täter vor einem Minderjährigen entblößt, selbst befriedigt oder pornografische Inhalte zeigt, sei das kein sexueller Missbrauch im engeren Sinne. Was ist davon zu halten, dass ein ehemaliger Papst hier neu definieren will, was Missbrauch ist und was nicht, wie der Sprecher des Betroffenenbeirates der Deutschen Bischoffskonferenz Johannes Norpoth kritisiert?
Diese Äußerung von Joseph Ratzinger – verzeihen Sie mir – ist einfach nur lächerlich und wirklichkeitsfremd. Kirchenrechtlich trifft das ja zu, aber schon damals und geschweige denn heute ist so eine Aussage völlig fehl am Platz und wirft ein bezeichnendes Licht auf das Kirchenrecht.
Ich vermute, dass eine solche Studie für Südtirol dasselbe hervorbringen würde, wie in anderen Diözesen auch
In Südtirol wurden seit Schaffung der diözesanen Ombudsstelle für innerkirchlichen Missbrauch im Jahr 2010 über 100 Fälle von sexuellem Missbrauch gemeldet. Der Leiter des 2018 eingerichteten Dienstes für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen Gottfried Ugolini sagt in einem Interview mit dem Alto Adige vorigen Samstag, dass es “weit mehr” als die 100 bisher gemeldeten Fälle gibt. Sind Ihnen selbst Fälle bekannt?
Die Anzahl der gemeldeten Fälle für Südtirol sind hoch, ebenso wohl auch die Dunkelziffer. Mir sind verschiedene Fälle bekannt, die nicht so schwer zu wiegen scheinen – für die Opfer schon. Diese Fälle geben die Situation von damals gut wieder. Eine junge Grundschullehrerin wurde von ihren Kolleginnen darauf aufmerksam gemacht, dass sie während der Religionsstunde des Kooperators in der Klasse bleiben müsse. Sonst könnte etwas passieren. Eine Frau erzählte, dass ein Pfarrer sich ihr gegenüber als junges Mädchen ungebührlich verhalten hatte. Sie berichtete dies ihrem Vater. Er ging zum Bischof und der Pfarrer wurde daraufhin versetzt. Leider haben die Eltern ihren Kindern oft nicht geglaubt. Lehrpersonen einer Grundschule wiesen Vertreter der Bischöflichen Kurie darauf hin, dass der Pfarrer sich den Kindern gegenüber sexuell aufreizend verhalten würde. Die Lehrpersonen wurden daraufhin vorgeladen, bedrängt, dass man so etwas von einem Priester nicht sagen sollte. Schließlich gaben die Lehrpersonen auf, auch weil die Eltern sie nicht unterstützten. Väter verboten ihren Söhnen als Ministranten bei diesem Pfarrer tätig zu sein, weil sie selber bereits Übergriffe erlebt hatten. Der Fall eines Bozner Kooperators, der in den 1990er Jahren vor Gericht stand, aber wegen Verjährung nicht verurteilt wurde sowie der eines Brixner Theologieprofessors, der kinderpornographisches Material besaß, dürfte allgemein bekannt sein. Es geht hier nicht um voyeuristische Darstellungen, sondern um das Aufzeigen von damals öfters stattgefundenen Verhaltensweisen.
Wissen Sie von Fällen, in denen Taten zur Anzeige gebracht wurden?
Nur in den zwei letzte Fällen wurden die Taten zur Anzeige gebracht.
Wissen Sie, wie in Südtirol mit betroffenen Kirchenvertretern gegebenenfalls verfahren worden ist?
Leider hat die Kirchenleitung in früheren Zeiten die Priester einfach versetzt. Mir ist nicht bekannt, dass sie sich einer Therapie unterziehen mussten. In den beiden vorhin genannten schwerwiegenden Fällen wurden die Priester teils in eine andere Diözese versetzt, teils einige Zeit zum Schweigen verurteilt. Heute sind beide erneut in der Seelsorge tätig.
In der heutigen Organisation von Kirche werden diese Verbrechen begünstigt
Warum fällt es Opfern von sexuellen Übergriffen durch Kleriker schwer, sich anzuvertrauen? Was hindert Eltern oder andere Vertrauenspersonen daran, solche Straftaten anzuzeigen, wenn sie davon Kenntnis haben (sollten)?
Warum es Opfer von sexuellen Übergriffen schwer fällt, sich anzuvertrauen und Gerechtigkeit einzufordern, dürfte sehr komplex sein. Die Täter reden den Opfern meist ein, sie seien selbst schuld. Dazu gesellen sich allgemeine Schuldgefühle und Ängste, dass ihnen nicht geglaubt wird. Vermutlich wurde teilweise zu Hause mit dem Thema Sexualität nicht offen umgegangen. Auch Minderwertigkeitsgefühle werden den Opfern oft eingeredet. Im Kirchlichen Kontext wog es damals besonders schwer, dass es sich um einen Priester handelte. Er stellte eine unantastbare Autorität dar und die Kirchenleitung betonte dies auch deutlich.
Was brauchen, wollen die Opfer? Was steht ihnen zu?
Was die Opfer wollen und brauchen, sollten sie selber sagen, auch was an Finanzhilfen – ich sage bewusst nicht Entschädigung, denn eine solche Tat kann nicht entschädigt werden – und Therapien nötig ist. Grundsätzlich ist eine Enttabuisierung solcher Taten notwendig, ein offener Umgang, das heißt, man soll den Opfern glauben. Gerechtigkeit und die Bereitschaft zur Wiedergutmachung sind selbstverständlich. Die Kirchenleitung sollte die Schuld eingestehen, des Einzelnen wie der Institution und die Verantwortung übernehmen.
In vielen Fällen aus der Vergangenheit leben die Täter nicht mehr oder ist die Straftat verjährt. Wie können die Opfer dennoch Gerechtigkeit erfahren?
Die Ombudsstelle der Diözese war eine sehr wichtige Einrichtung und ein Schritt dahingehend, dass die Opfer über das, was ihnen widerfahren ist, reden konnten, Hilfen in Form von Therapien bekamen, als Opfer anerkannt wurden. Dadurch konnte wohl viel an Heilung geschehen, auch um zu verhindern, dass so etwas nochmals vorkommt. Ich bin überzeugt, dass die Diözese auch Finanzhilfen leisten sollte, um ihre Verantwortung auch für verstorbene Priester bzw. den Umgang der Institution in solchen Fällen zu übernehmen.
Die Ergebnisse des Gutachtens haben mich nicht überrascht, auch der Umfang der schrecklichen Taten nicht
Am 18. November 2021 wurde auf einer Tagung der Diözese Bozen-Brixen mit dem Titel “Mut zur Aufarbeitung” eine Studie angekündigt, die sich mit sexueller Gewalt und Missbrauch in der Katholischen Kirche in Südtirol beschäftigen sollte. Das Konzept dafür wurde ausgearbeitet, die Studie selbst aber nie angegangen. Weil zu aufwändig und zu teuer, so die Begründung von Bischof Ivo Muser. Präventionsarbeit sei wichtiger als diese Studie. Hier entsteht der Eindruck der Vertuschung – das kann doch nicht im Sinne der Kirche sein, oder?
Natürlich kann es nicht im Sinne der Kirche sein, hier etwas zu vertuschen. Langfristig würde die Kirche nur gewinnen, wenn sie ehrlich und offen ihre Fehler eingestehen würde.
Kann Prävention wirklich gelingen, wenn die Aufarbeitung fehlt?
Expertinnen und Experten sagen übereinstimmend, dass Prävention ohne umfassende Aufarbeitung nur Kosmetik ist. Sie ist zwar kurzfristig notwendig und sinnvoll, langfristig kommt man um eine ernsthafte Aufarbeitung, die alle Facetten der Institution und ihrer Schwächen umfasst, nicht herum.
Weshalb verwehrt man dann diese Studie?
Ich habe den Eindruck, dass sich die Diözesanleitung noch nicht ihrer Verantwortung stellen will, dass die Frage der Kosten bei der Studie nicht ausschlaggebend ist. Ich vermute, dass es auch Angst vor der Wahrheit gibt. Aber die Wahrheit macht euch frei, steht schon im Neuen Testament.
Was könnte eine solche Studie für Südtirol hervorbringen und auslösen?
Ich vermute, dass eine solche Studie für Südtirol dasselbe hervorbringen würde, wie in anderen Diözesen auch. Auslösen könnte sie, dass deutlich wird, dass Bischöfe auch bei uns schuldig geworden sind, dass die heilige Kirche, wie in der Eucharistie gebetet wird, durch ihre Vertreter wie durch die Institution auch sündhaft und schuldig werden kann – wie wir alle auch. Das würde ein reinigendes Gewitter bedeuten, was letztlich sich für alle positiv auswirken dürfte.
Derzeit gibt es sehr viel Scheinheiligkeit in der Kirche, in vielen Bereichen
Gehen Sie davon aus, dass diese Studie begraben bleibt?
Ich habe heute (Montag, Anm.d.Red.) erfahren, dass die Diözese in nächster Zeit darüber entscheiden will, ob die Studie durchgeführt wird oder nicht. Das ist ein Zeichen des Einlenkens. Der Bischof ist unter Druck, dass hier etwas geschieht.
Vor allem angesichts der jüngsten Entwicklungen.
Wohl nur wegen dieser Entwicklungen. Bleibt aber die Frage, ob die Studie nicht in einer Art und Weise gemacht wird, die letzten Endes nicht viel bringt.
Was braucht es, um eine solche Studie mit der größtmöglichen Unabhängigkeit durchzuführen?
Eine kleine Gewähr für die Unabhängigkeit ist die Mitarbeit der Freien Universität Bozen mit Professor Heiner Keupp und Professorin Ulrike Loch. Insgesamt gesehen bin ich etwas skeptisch. Natürlich ist es unabdingbar, dass Gottfried Ugolini im Fachbeirat mitgewirkt hat, da er zu dieser Thematik konsequent und klar arbeitet. Ideal wäre, wenn sich, wie in München, zusätzlich auch eine Anwaltskanzlei der Sache annehmen würde.
Ich habe den Eindruck, dass sich die Diözesanleitung noch nicht ihrer Verantwortung stellen will und vermute, dass es Angst vor der Wahrheit gibt
Wenn die Kirche die Aufarbeitung nicht ernsthaft angeht und das Strafrecht nicht mehr greift, müsse die Politik bzw. der Staat übernehmen – auch, um zu zeigen, dass “die Kirche keine Sonderwelt” sei. Das fordern in Deutschland sogar hohe Kirchenvertreter, etwa der Würzburger Bischof Franz Jung, der eine staatlich eingesetzte Wahrheitskommission vorschlägt. Nehmen Sie in Südtirol ein Interesse vonseiten der Politik wahr, sich dieses Themas anzunehmen?
Ich habe den Eindruck, dass die politischen Vertreterinnen und Vertreter bedauerlicherweise kein Interesse haben, sich dieses Themas anzunehmen. Ich fände eine Wahrheitskommission angebracht und notwendig, wenn die Diözesanleitung nicht die nötigen Schritte unternimmt. Es ist selbstverständlich, dass die Kirche keine Sonderwelt darstellen darf.
Welche Gefahr besteht, wenn Opfern das Gefühl gegeben wird, nicht ernst genommen zu werden bzw. die eigentlichen Täter zu sein, die daran Schuld sind, dass die Institution Kirche und deren Vertreter, die ja oft eine sozial angesehene Stellung in der Gemeinschaft haben, in einem äußerst zweifelhaften Licht dastehen?
Dabei ist die Gefahr, dass es zu einer erneuten Traumatisierung kommt. Das ist sehr schlimm und ein erneutes Verbrechen. Die Kirchenleitung hütet sich derzeit weitgehend davor. Opfer brauchen zudem Solidarität von ihresgleichen, sei es in einer Organisation, sei es von Angehörigen und Freundinnen und Freunden.
Gibt es in Südtirol so etwas wie einen Betroffenenverband?
Mir ist es wichtig, dass sich Betroffene organisieren würden. Aber die Initiative muss von ihnen selbst ausgehen.
Expertinnen und Experten sagen übereinstimmend, dass Prävention ohne umfassende Aufarbeitung nur Kosmetik ist
Was kann die Kirche gewinnen, wenn sie offen, ehrlich, konsequent und transparent die Aufklärung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in den eigenen Reihen angeht?
Die Kirche würde glaubwürdig werden. Sie hat ihre Glaubwürdigkeit zu einem großen Teil verspielt. Außerdem würde die Kirche für sich auch ehrlicher werden. Derzeit gibt es sehr viel Scheinheiligkeit in der Kirche, nicht nur in diesem Bereich. Etwa auch in Bezug auf Homosexualität. Wenn ich ehrlich sein darf: Ich kenne eine Reihe von Priestern, die homosexuell sind und das nicht offen leben dürfen. Ich kenne sehr viele Priester – etwa die Hälfte –, die in einer Beziehung leben und auch Kinder haben. Hier würde es klar zu einem Abbau der Scheinheiligkeit kommen und natürlich auch zu einer vermutlich notwendigen Reform.
Welche Reformen braucht die Kirche zusätzlich zur Aufarbeitung, um Missbrauch von Kindern entgegenzuwirken bzw. zu verhindern? Im WSW-Gutachten werden unter anderem “kritische Reflexion des priesterlichen Selbstverständnisses” und “Stärkung der Rolle der Frau in kirchlichen Leitungsfunktionen” als Handlungsfelder angeführt.
Der sexuelle Missbrauch in der Katholischen Kirche ist ein systemisches Defizit, ein Versagen der Institution als solcher. In der heutigen Organisation von Kirche werden diese Verbrechen begünstigt. Die Katholische Kirche hat eine schwere Hypothek durch den Pflichtzölibat und die negative Bewertung der Sexualität über die Jahrhunderte. Zudem besteht eine Überhöhung des Priesters, die in keiner Weise gerechtfertigt ist, ein Klerikalismus, der den Priestern, Bischöfen und Päpsten so etwas wie die absolute Macht zuspricht. Auch die Kirche als Institution wird zu wichtig angesehen. Während des Theologiestudiums haben wir scherzhaft gesagt: Jesus verkündete das Reich Gottes, gekommen ist die Kirche. Zudem ist die Aufwertung und Gleichberechtigung der Frau in Leitungspositionen und Ämtern dringend erforderlich. Ich bin überzeugt, das Frauen gerade auch in Missbrauchsfragen meist ein besseres Gespür als Männer haben. Die Reformen werden in der Kirche kommen, davon bin ich überzeugt. Der Geist Gottes wirkt auf vielerlei Art.
Bischof Ivo Muser,schämen sie
Bischof Ivo Muser,schämen sie sich!!!! Weiterhin vertuschen indem sie die Studie blockieren,das ist ein Verbrechen gegen die Betroffenen Opfer der Missbräuche! Sie wollen partou nicht dass die schreckliche,wiederliche Wahrheit ans Tageslicht kommt,wissend dass sie dann die Kirchen noch leerer haben werden,wie sie schon sind! Man sollte sie als Bischof SOFORT entfernen,heht leider nicht,denn auch der jetztige Papst spielt das miese Spielchen mit.Von Ratzingers Lügen ganz zu schweigen-AMEN!!!!
Antwort auf Bischof Ivo Muser,schämen sie von Günther Alois …
Unterstellungen bringen keine
Unterstellungen bringen keine Lösung. Dem Papst Franziskus vorzuwerfen, "er spielt das miese Spielchen mit" ist ein boshafte Lüge. Fragen Sie sich, Herr Raffeiner, wie Sie mit einer Situation umgehen würden, wenn in Ihrem engsten Umkreis Ähnliches vorfallen würde. Ohne Zweifel ist jeder Missbrauch in der Kirche offen zu legen, sind Schuldige zu bestrafen und, noch wichtiger, Geschädigte umfassend zu "entschädigen". Diese Verbrechen geschehen nicht nur in der katholischen Kirche, sondern in allen menschlichen Gemeinschaften bis in die Familien hinein. Der Hauptgrund dafür scheint mir darin zu liegen, dass Sexualität stark tabuisiert, verzerrt und "missbraucht" wird. Besserung innerhalb der katholischen Kirche würde es sicher geben, wenn das klerikale Patriarchat abgeschafft, der Zölibat als widerrufbar eingeführt würde und den Frauen endlich auf allen Ebenen diesselben Chancen und Rechte zuerkannt würden, wie sie Männer genießen.
Vielleicht ist es in diesem
Vielleicht ist es in diesem unsagbaren Trauerspiel nur noch eine weitere Facette des Grauens, trotzdem möchte man Frau Gasser zurufen, doch einmal innezuhalten, wenn sie fragt:
"Warum fällt es Opfern von sexuellen Übergriffen durch Kleriker schwer, sich anzuvertrauen?"
"Was hindert Eltern oder andere Vertrauenspersonen daran, solche Straftaten anzuzeigen, wenn sie davon Kenntnis haben (sollten)?"
"Was brauchen, wollen die Opfer? Was steht ihnen zu?"
"Kann Prävention wirklich gelingen, wenn die Aufarbeitung fehlt?"
Vielleicht käme auch sie zur Erkenntnis, dass sie dazu doch besser einen Experten in Sachen Kindesmissbrauch befragen sollte, statt einen Theologen, langjährigen Religionslehrer und kritischen Christ - der sich zum wiederholten Male - sicherlich ehrlich, im Grunde aber sehr naiv - schockiert gibt und auf ein reinigendes Gewitter hofft.
Man mag sich gar nicht ausmalen, was ein/e Betroffene/r versteht, wenn der hier Befragte sich bemüßigt fühlt zu behaupten: "Aber die Initiative muss von ihnen [den Betroffenen] selbst ausgehen."
Ich denke, man kann mit Fug und Recht behaupten: Die Kirche hat nicht eine schwere Hypothek, sondern sie ist eine schwere Hypothek.
Antwort auf Vielleicht ist es in diesem von ceteris paribus
"Ceteris Paribus", Sie
"Ceteris Paribus", Sie versteckcn sich in der Anonymität, kommen nicht auf die Idee, dass es auch "ExpertINNEN in Sachen Kindesmussbrauch" geben könnte, scheinen nicht zu wissen, dass sogenannte "Experten" nicht immer "die beste Lösung" vorzuschlagen in der Lage sind, und sprechen dem Theologen Robert Hochgruber jegliche Kompetenz ab. Wie geht es einem, wenn man sich als ein über den Wolken schwebender Halbgott versteht ?
Antwort auf Vielleicht ist es in diesem von ceteris paribus
Hallo Herr Ceteris Paribus,
Hallo Herr Ceteris Paribus, ich stimme ihnen zu, dass ich trotz meines Studiums der kath. Theologie sowie Pädagogik und Psychologie an der UNI Innsbruck kein Experte in Sachen Kindesmissbrauch bin. Worin meine angebliche Naivität in der Hoffnung auf Veränderungen besteht, bitte ich mir zu erklären. Als Kirchen-Insider vertraue ich darauf, dass trotz der Bilanz des Schreckens Reformen im Geist des Evangeliums meines Kollegen aus Nazareth möglich sind. War auch er sehr naiv?
Es ging mir darum Betroffene zu ermuntern, sich zusammenzuschließen und ihre Interessen vor der Diözesanleitung zu vertreten. Das könnte die dringend notwendige Gerechtigkeit auf allen Seiten fördern. Dass der Bischof auch aktiv die Betroffenen einbeziehen sollte und könnten, ist mir durch ihren Hinweis bewusst geworden. Dafür bin ich dankbar. P.S. Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu christlich und naiv für sie, Herr Ceteris Paribus.
Antwort auf Hallo Herr Ceteris Paribus, von Robert Hochgruber
Werter Herr Hochgruber,
Werter Herr Hochgruber,
die Kritik an Ihrem Nicht-Experte-Sein erging in erster Linie an die Interviewerin. Sie hat Ihnen die von mir kritisierten Fragen gestellt. Sie haben geantwortet.
Wenn Sie nach dem x-ten Skandal (was war da bloß alles dabei...) in aller Herren und Frauen Länder, nach dem unsäglichen Gehabe der Oberen (Ihrer Oberen?) in Sachen Studienbeauftragungen, -veröffentlichungen, -interpretationen (um es des Überblicks halber auf die aktuellen Fälle zu beschränken) und den daraus folgenden Nicht-Handlungen noch immer auf die Veränderungen von innen "hoffen", dann nenne ich das wahre Naivität. Etwas was für Sie und mich wohl ohne weitere Folgen bleiben wird, nicht aber für jene die gelitten haben oder noch leiden werden.
Der arme - ohne Zweifel großartige (großartig im eigentlichen, aber nicht exklusiven Sinne) - "Kollege" aus Nazareth muss dann auch noch mit seinem Evangelium für diese grausigen Zustände herhalten - er solls also richten. Ob er sich dabei am Alten Testament orientieren sollte?
Sie sind zweifelsohne in Kirchenfragen, ein großer Kenner und Insider. Vielleicht liegt es genau daran, dass Sie keinen freien Blick haben. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, vergleiche ich es mit einem Apparatschik, der sein System bestens kennt, ein Insider ist und hart verteidigt. Solche Beispiele kennen wir genug.
Ihre Intention ist mir unbestritten und möglicherweise hat es - entgegen meiner bescheidenen Meinung - auch das verursacht, was Sie beabsichtigt haben. Nur nicht bei Ihrem lieben Bischof, der hat Ihnen ja schon die nächste Breitseite verpasst.
Es wird schon Gras darüber wachsen.
Hochachtungsvoll,
cp
Antwort auf Werter Herr Hochgruber, von ceteris paribus
Werter Herr Ceteris Paribus,
Werter Herr Ceteris Paribus,
es ist selbstverständlich eine gute Frage, ob ich auf Veränderungen der Kirche von innen hoffen kann und sollte. Die Kirchenleitungen auf allen Ebenen, auch bei uns, sind in einer Komfortzone, die ihnen ohne größere Probleme erlaubt so weiterzumachen wie bisher. Sie haben sich ihre Lehre und ihr Kirchenrecht entsprechend zurechtgezimmert. Der Priestermangel scheint schon etwas Probleme zu bereiten, auch manche Regierungen, aber grundsätzlich arrangiert man sich gut. Leider leiden die Betroffenen weiter. Das ist schlimm. Ich habe für mich nach Erfahrungen und Erleiden von Machtmissbrauch entschieden, selbstbewusst aufzutreten und keine großen Erwartungen an die Kirchenleitung Richtung Veränderungen zu haben. So geht es mir gut. Dass mein Kollege aus Nazareth von der Kirchenleitung missbraucht wird, ist mir bewusst. Das Alte Testament wäre da auch keine Lösung, würde er vermutlich sagen.
Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das Evangelium für mich und andere, das Beste ist, was wir haben. Langfristig dürfte es positive Entwicklungen in der Kirche und in der Gesellschaft insgesamt geben. Ich bin trotz allem Negativen, das wir täglich um die Ohren geschmissen bekommen, davon überzeugt und möchte meinen bescheidenen Beitrag dazu leisten, die Welt etwas besser zu verlassen, als ich sie vorgefunden habe.
Was die Aufarbeitung des kirchl. Missbrauchs und Gerechtigkeit und Würde für die Betroffenen angeht, hilft die öffentliche Meinung derzeit sehr stark. Ohne den Aufschrei in Deutschland und auch etwas bei uns, wäre Bischof Ivo Muser nicht bereit gewesen, die Studie in irgend einer Art in die Wege zu leiten oder den Fehler zuzugeben, wenn auch nach wie vor kleinlaut und ohne "Buße", dass er Timothy Meehan angestellt hat. Wir werden sehen, wie es weitergeht, jetzt auch mit dem Beschlussantrag des Team K zu einer unabhängigen Gutachterkommission. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Herzliche Grüße und alles Liebe Robert Hochgruber
Antwort auf Werter Herr Ceteris Paribus, von Robert Hochgruber
Wenn sich die Kirchenleitung
Wenn sich die Kirchenleitung wie Sie sagen "ihre Lehre und ihr Kirchenrecht entsprechend zurechtgezimmert" hat oder der Heiland gar missbraucht wird (wie passend), dann sei mir die Frage erlaubt: warum sind Sie dann noch Teil dieser Kirche, was kann sie Ihnen bloß geben? Sie kennen das Evangelium bestens und brauchen keinen Vorbeter oder Prediger, um sich an den schönen Seiten des Evangeliums zu erfreuen. Liegt es auch an einer Art Komfortzone? An den zu erwartenden Windmühlen?
Auch ich bin der Meinung, dass das Evangelium eine gute Sache ist - von den problematischen Passagen einmal abgesehen - vom alten Testament ganz zu schweigen, das ja gern weggelassen wird, aber wenn ich recht informiert bin, zum Kanon dazugehört. Dass es jedoch das beste (das beste wovon?) sein soll, würde ich vehement bestreiten. Und ja, es werden sich positive Entwicklungen in der Gesellschaft einstellen - das tun sie jetzt schon; jedoch denke ich, dass das mit dem Evangelium herzlich wenig zu tun hat - die Belege hierzu sind doch recht eindeutig. Die Menschen haben sich von der Religion emanzipiert und zur Unterscheidung zwischen Moral und Unmoral, Gut und Böse braucht es spätestens seit der Aufklärung keine Religion mehr.
beste Grüße
Antwort auf Wenn sich die Kirchenleitung von ceteris paribus
Lieber Herr Ceteris Paribus,
Lieber Herr Ceteris Paribus,
ja, es ist durchaus eine Frage, warum ich noch Teil dieser Kirche bin. Ich habe durch die Kirche viel Gutes und Wertvolles erfahren. In Gemeinschaft sich über Leben und Glauben auseinanderzusetzen, ist mir wichtig. Religion hilft mir, mich und so manches im Leben und in der Gesellschaft zu verstehen. Durch die Religion bzw. Religionen und die Spiritualität habe ich teilweise Antworten auf das Woher und Wohin sowie den Sinn bekommen. Ist das auch eine Art Konfortzone? Mir geht es besser, glaube ich zumindest, mit Religion. Ich finde es sehr gut, dass sich die Menschen zumindest im Westen nach der Aufklärung von der Kirche emanzipiert haben. Ich sage nicht Religion, denn Religion und Kirche sind ja keineswegs dasselbe. Das wird leider oft nicht bedacht. Religion ist viel weiter, größer, ein Grundbedürfnis für viele Menschen. Die Institution kath. Kirche ist eine menschlichte Struktur, hat Gutes getan, hat sehr oft Menschen unterdrückt und missbraucht. Leider ist das auch heute noch teilweise so. Diese Kirche hat nicht nur, sondern ist eine Hypothek, wie Sie schreiben. Diese Kirche habe ich verlassen. Eine Gemeinschaft auf der Basis des Evangeliums ist mir nach wie vor wichtig. Das Evangelium ist das beste für mich, das muss ich dazusagen. Ich glaube, das Evangelium enthält viele wertvolle Möglichkeiten, wie ich mein Leben gut für mich und andere gestalten kann, mich entwickeln kann, verstehen kann, was die Welt im innersten zusammenhält (Faust). Dieser Kollege aus Nazareth hat meines Erachtens deutlich gemacht, dass die Liebe die Grundenergie der Welt ist, dass wir alle miteinander verbunden sind, dass Gott in jeder und jedem von uns ist. Das alles fasziniert mich und gibt bis jetzt einmal, aber ich weiß nicht was in Zukunft ist, mir Halt und Richtung.
Ich stimme Ihnen zu, dass es für die Unterscheidung von Moral und Unmoral, Gut und Böse nicht die Religion braucht. Für mich ist sie hilfreich. Andere haben andere Gründe, die ich sehr respektiere. Ja, das Alte Testament gehört zum Kanon und ist voll von Krieg, Blut und Verirrungen. Zugleich hat es auch wesentliche Grundhaltungen für das Leben und die Gesellschaft aufgezeigt. Das wäre eine lange Diskussion. Für mich ist auch die Bibel nicht absolut zu setzten. Auch der Kollege aus Nazareth war ein Kind seiner Zeit. Z.B. hat er nichts gegen Sklaverei, ein Verbrechen an Menschen, gesagt. Wer vorgibt, die absolute Wahrheit zu besitzen, ist schon auf dem Holzweg und gefährlich, weil er den Menschen nicht zugestehen will, dass sie selber den Weg zum Leben und zu Gott finden müssen und können. Religion begleitet sie nur!!
Einen herzlichen Gruß Robert Hochgruber
Antwort auf Lieber Herr Ceteris Paribus, von Robert Hochgruber
"Durch die Religion bzw.
"Durch die Religion bzw. Religionen und die Spiritualität habe ich teilweise Antworten auf das Woher und Wohin sowie den Sinn bekommen... Religion ist viel weiter, größer, ein Grundbedürfnis für viele Menschen... wie ich mein Leben gut für mich und andere gestalten kann, mich entwickeln kann, verstehen kann, was die Welt im innersten zusammenhält (Faust). Dieser Kollege aus Nazareth hat meines Erachtens deutlich gemacht, dass die Liebe die Grundenergie der Welt ist, dass wir alle miteinander verbunden sind, dass Gott in jeder und jedem von uns ist. Das alles fasziniert mich und gibt bis jetzt einmal, aber ich weiß nicht was in Zukunft ist, mir Halt und Richtung... weil er den Menschen nicht zugestehen will, dass sie selber den Weg zum Leben und zu Gott finden müssen und können"... schöne Sätze, gute Gedanken, wirksame Kontemplation. Vieles, was untergeht im Dauerlauf; und berührt, hält man kurz inne. Wie beim lesen dieses Kommentars. Danke.
Antwort auf Lieber Herr Ceteris Paribus, von Robert Hochgruber
Werter Herr Hochgruber,
Werter Herr Hochgruber,
ich danke Ihnen für diese aufschlussreichen Worte - ich kann mich in einigem wiederfinden. Über anderes ließe es sich trefflich diskutieren.
Ich belasse es hiermit und bedanke mich für die angenehme Konversation.
Vielleicht ergibt sich ja einmal die Gelegenheit einer persönlichen Diskussion - inschallah :-).
Antwort auf Werter Herr Hochgruber, von ceteris paribus
Ich danke auch, Herr Ceteris
Ich danke auch, Herr Ceteris Paribus, für die angenehmen Austausch.
Gerne bin ich zu einer perönlichen Diskussion bereit. So etwas interessiert mich immer. Ja, inschallah!
Herzliche Grüße Robert Hochgruber
Es hat wenig Sinn, sich auf
Es hat wenig Sinn, sich auf auf der Ebene der Betroffenen oder der Betroffenheit Verspürenden auseinanderzusetzen und gar zu streiten, wenn die Südtiroler Amtskirche die vergangenen Sünden nicht aufarbeiten, die Täter weiter schützen und nur auf "Prävention" setzen will, was immer das auch heißen mag.