Gesellschaft | Tiroler Ehrenzeichen

Im Schneckenhaus gibt es keine Freiheit

Die Rede, die Landeshauptmann Arno Kompatscher am Sonntag per Videobotschaft in der Innbrucker Hofburg gehalten hat, ist eine prononcierte politische Standortbestimmung.
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Foto: LPA/Tiroler Fotografen
Coronabedingt kann ich an der heutigen Veranstaltung leider nicht persönlich teilnehmen, umso mehr danke ich der Tiroler Landesregierung für die wiederum perfekte Organisation und die überaus feierliche Gestaltung des Festaktes, insbesondere aber auch dafür, dass es mir technisch möglich gemacht wurde, auf diesem Wege, von daheim aus, zu Ihnen zu sprechen.
Das Bundesland Tirol und das Land Südtirol verleihen die Ehrenzeichen traditionsgemäß am Andreas Hofer-Gedenktag. Andreas Hofer steht in der heutigen Rezeption, vor allem anderen, sinnbildlich und symbolisch für die Freiheitsliebe der Tirolerinnen und Tiroler.
Frei und eigenständig, ja widerständig (heutzutage würde man vielleicht auch sagen „resilient“), zu sein, ist unser Selbstverständnis und unser Anspruch. Gerne und oft  bezeichnen wir Tiroler unseren Freiheitsdrang und unseren Wunsch nach Selbstbestimmtheit als Teil unserer DNA.
Wir müssen gerade jetzt auch feststellen, dass dieser Freiheitsbegriff wohl selten oder sogar noch nie zuvor so missbraucht worden ist, wie zuletzt während der Zeit der Pandemie.
 
Allerdings müssen wir gerade jetzt auch feststellen, dass dieser Freiheitsbegriff wohl selten oder sogar noch nie zuvor so missbraucht worden ist, wie zuletzt während der Zeit der Pandemie.
Maßnahmen für den Gesundheitsschutz, die Einschränkungen der persönlichen Freiheiten mit sich bringen, sind tatsächlich sehr belastend und auf Dauer immer schwerer zu ertragen. Und dennoch ist es nicht legitim, sich auf die individuelle Freiheit zu berufen, um unsolidarisches Verhalten zu rechtfertigen. Freiheit ist nie ohne Verantwortung! Und die Freiheit des Einzelnen darf nie zu Lasten und zum Schaden der Anderen gehen.
Damit eine Gesellschaft - gerade auch in schwierigen Zeiten - funktionieren kann, müssen demokratisch vereinbarte Verhaltensregeln eingehalten werden.
 
 
Und ja! Es ist erlaubt, nein, es ist geradezu geboten, diese Vereinbarungen jederzeit kritisch zu betrachten und immer wieder zu hinterfragen. Der kritische Dialog ist wichtig und bringt unsere Gesellschaft weiter. Aber die Debatte muss im gegenseitigen Respekt und unter Einsatz der stärksten und überzeugendsten Waffe erfolgen: dem sachlich vorgetragenen und nachweislich fundierten Argument. Bloßer Hass, hingegen, ist keine Meinung!
Und auch in diesem Zusammenhang, ja gerade hier in diesem Punkt, sollten wir in guter Tiroler Tradition widerständig sein: keine Toleranz mit den Intoleranten und mit Jenen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellen. Gleichzeitig gilt es auf die Menschen zuzugehen, vor allem auf jene, die Vertrauen verloren haben, und diejenigen ernst zu nehmen, die wirklich in Sorge sind.
Gleichzeitig gilt es auf die Menschen zuzugehen, vor allem auf jene, die Vertrauen verloren haben, und diejenigen ernst zu nehmen, die wirklich in Sorge sind.
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Ehrenzeichen des Landes Tirol wird an Persönlichkeiten verliehen, die sich in herausragende Weise in verschiedensten Bereichen, wie der Wissenschaft, der Kunst und Kultur, der Pflege der Traditionen, im Bereich der Wirtschaft und Arbeit, für soziale Belange und im Dienste für die Schwächeren in unserer Gesellschaft, im Zivilschutz und im Sport verdient gemacht haben.
Auch heuer dürfen wir wieder Frauen und Männer ehren, die auf vielfältigste Weise Großartiges geleistet, Dinge getan und Ziele erreicht haben, die weit über das normal Erwartbare hinausgehen. Ihnen, hochgeschätzte heute Auszuzeichnende, gilt unser Dank und unsere Anerkennung, weil Sie durch Ihre persönliche Leistungen unser Gemeinschaft insgesamt beschenkt und weitergebracht haben.
 
 
Bezüglich der Auswahl der zu Ehrenden gab es dieser Tage - wie auch schon in der Vergangenheit manchesmal - den Versuch einer Polemik. Wieder einmal ging es um die vermeintliche Frage, wer wohl die „besseren Tiroler“ seien.
Die Verleihung dieser Auszeichnungen erfolgte und erfolgt immer FÜR etwas und nie GEGEN etwas oder jemanden!
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie es mich an dieser Stelle sehr deutlich sagen: die Verleihung dieser Auszeichnungen erfolgte und erfolgt immer FÜR etwas und nie GEGEN etwas oder jemanden!
Ausgezeichnet wird der Einsatz zum Wohle der Allgemeinheit, wobei die Verbundenheit mit den Tiroler Werten und Traditionen und die kritische Auseinandersetzung mit denselben sich nicht gegenseitig ausschließen. Im Gegenteil. Gerade unsere starken Wurzeln unser Traditionsbewusstsein und unsere starke Tiroler Identität, sollten es uns ermöglichen, auch offen und ehrlich mit unseren Fehlern und Mängeln umzugehen, ebenso auch mit den dunklen Flecken in unserer Vergangenheit.
 
 
Traditions-, und Wertebewusst, aber gleichzeitig selbskritisch, offen und tolerant wollen und sollen wir sein. Europäisch eben! Gerade unsere starken Wurzeln sollten es uns freiheitsliebenden Tirolern ermöglichen, uns zu öffnen und weiterhin offen zu sein. Im Schneckenhaus gibt es nämlich keine Freiheit, da ist es dauerhaft zu eng.
Bloßer Hass ist keine Meinung
Hoch lebe dieses Tirol: freiheitsliebend, eigenständig und traditionsbewusst, aber gleichzeitig - und im selben Maße - auch verantwortungsvoll, solidarisch, vielfältig, offen und tolerant.

 

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△rtim post Mo., 21.02.2022 - 15:09

Man kann hier nur völlig und ganz den Ausführungen des LH Arno Kompatscher zustimmen und allen 12 Preisträger-innen gratulieren.
Auch, wenn ein Preisträger gar meint, das Ehrenzeichen diene hier der parteiinternen Unterstützung des Landeshauptmannes („weil die Auszeichnung auch ein Statement zugunsten des Landeshauptmannes ist …“) und damit bewusst nicht nur das Tiroler Ehrenzeichen beschädigt, sondern erst recht den Landeshauptmann.

Mo., 21.02.2022 - 15:09 Permalink
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Markus Lobis Mo., 21.02.2022 - 21:10

Eine große Rede, die jeden Bürger und jede Bürgerin nur freuen kann. Ich würde gern in einem Land leben, in dem sich so ein Landeshauptmann durchsetzt.

Mo., 21.02.2022 - 21:10 Permalink
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Stereo Typ Di., 22.02.2022 - 21:11

"Aber die Debatte muss im gegenseitigen Respekt und unter Einsatz der stärksten und überzeugendsten Waffe erfolgen: dem sachlich vorgetragenen und nachweislich fundierten Argument. Bloßer Hass, hingegen, ist keine Meinung!" - Ich habe leider viel bloßen Hass erfahren, weil ich nicht geimpft war. Kinder und Jugendliche ohne 2G nicht mehr in die Öffis zu lassen, ist wohl alles andere als sachlich und nachweislich fundiert. Ebenso das Berufsverbot für Über-50-Jährige.

Di., 22.02.2022 - 21:11 Permalink