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Der Paria

Welche absurden Auswüchse die Hysterie gegen SVP-Vizeobmann Karl Zeller angenommen hat, wurde auf der letzten Sitzung der Landesregierung deutlich. Eine Chronik. Update.
Karl Zeller
Foto: SVP
Arno Kompatscher leitete die Sitzung per Video aus der häuslichen Quarantäne. Es waren zwei Worte aus dem Munde des Landeshauptmannes, die am vergangenen Dienstag in der Sitzung der Landesregierung die Wirkung eines Brandbeschleunigers hatten.
Und Karl Zeller“.
Kaum hatte Kompatscher den Namen ausgesprochen, brach im höchsten politischen Gremium des Landes ein Sturm der Entrüstung los. So als hätte der Landeshauptmann einen Staats- oder Landesfeind beim Namen genannt, formierte sich umgehend der Widerstand.
Es war ausgerechnet, die sonst so sanfte Urbanistik-Landesrätin Maria Hochgruber-Kuenzer, die als erste das Wort ergriff und offen sagte, dass das nicht gehe. Karl Zeller sei keine Option. Es folgte Waltraud Deeg, die sich ebenfalls klar und deutlich gegen Zeller äußerste. Danach ergriff Wirtschafts- und Kulturlandesrat Philipp Achammer das Wort, um sich ebenfalls energisch ausgerechnet gegen jenen Mann auszusprechen, der seit vielen Jahren sein Stellvertreter als SVP-Obmann ist. Abgeschlossen wurde die konzertierte Aktion schließlich von Thomas Widmann. Widmann echauffierte sich ebenfalls wortgewaltig gegen den Namen Zeller. Für den amtierenden Gesundheitslandesrat ist der ehemalige Meraner SVP-Parlamentarier seit langem ein rotes Tuch.
 
 
Die Botschaft der vier SVP-Politiker auf der Sitzung war klar und deutlich: Das lassen wir nicht zu. „Ich habe einen solchen Aufstand noch nie erlebt“, sagt ein Sitzungsteilnehmer.
Wie absurd der SVP interne Ablehnungsorgie in Wirklichkeit ist, wird verständlich, wenn man weiß um was es geht.
 

Die Bestandsaufnahme

 
Im Frühjahr 2015 hat die Landesregierung bei den beiden Südtiroler Universitätsprofessoren in Innsbruck Esther Happacher und Walter Obwexer ein Rechtsgutachten mit dem Titel „Entwicklung und Veränderung der Südtiroler Autonomie seit der Streitbeilegungserklärung 1992“ in Auftrag gegeben.
In Gesprächen mit dem österreichischen Außenminister Alexander Schallenberg vereinbarte Landeshauptmann Arno Kompatscher - auch auf Initiative der Wiener Regierung - Ende 2020 eine Art „aktualisierte Bestandsaufnahme der Südtiroler Autonomie“ durchzuführen. Dazu sollte eine Expertenkommission eingesetzt werden, die in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten diese Bestandsaufnahme macht.
 
 
 
Die drei Südtiroler Experten sollen Universitätsprofessor Walter Obwexer, die damalige Leiterin der Anwaltschaft des Landes, Renate von Guggenberg, sowie Karl Zeller sein. Zeller, der nach dem Studium Assistent am Institut für Völkerrecht war, hat als SVP-Parlamentarier von 1994 bis 2018 maßgeblich am Ausbau der Südtiroler Autonomie mitgewirkt und gilt allein deshalb als Fachmann auf dem Gebiet des Autonomierechts.
Bereits im Jänner 2021 ging die offizielle Anfrage von Seiten des Landes an die drei Kommissionsmitglieder hinaus. Nach Informationen von Salto.bz hat Karl Zeller umgehend zugesagt, aber eine Bedingung gestellt. Er will auf die vorgesehenen Honorare auf jeden Fall verzichten.
 

Persona non grata

 
Danach blieb die geplante Expertenkommission über ein Jahr lang in der Warteschleife. Bis Landeshauptmann Arno Kompatscher den Vorschlag jetzt am vergangenen Dienstag in der Landesregierung absegnen wollte.
Doch inzwischen hat sich die Stimmung innerhalb der SVP grundlegend geändert. Nach dem Streit um die Aufklärung des SAD-Skandals ist Karl Zeller zur Persona non grata unterm Edelweiß geworden. Die Losung, die seine Gegner innerhalb der SVP ausgeben: „Zeller ist Gift“.
Der Medienkonzern Athesia hat schon vor Wochen zum Frontalangriff auf Karl Zeller geblasen. Der Hauptgrund: Man verdächtigt den - jahrzehntelang von den Dolomiten gepushten SVP-Politiker - der Einsager der Gesetzesinitiative gegen die Medienkonzentration in Südtirol zu sein, die der PD-Senator Gianclaudio Bressa in Rom durchsetzen will.
 
 
Der SVP-Vizeobmann soll deshalb vom Südtiroler Erdboden geblasen werden. Willfährige Helfer hat der Ebnerkonzern dabei innerhalb der SVP und der Landesregierung gefunden.
Das SVP-Quartett in der Landesregierung hat im vorauseilenden Gehorsam am vergangenen Dienstag in der Landesregierung nur das umgesetzt, was der mächtige Athesia-Verlag öffentlich verlangt.
Dass man mit dieser konzertierten Aktion nicht nur Zeller trifft, sondern ebenso sehr Arno Kompatscher, ist ein gewollter und gewünschter politischer Kollateralschaden.
Dass man mit dieser konzertierten Aktion nicht nur Zeller trifft, sondern ebenso sehr Arno Kompatscher, ist ein gewollter und gewünschter politischer Kollateralschaden.
 

Die Hysterie

 
Auf der Landesregierungssitzung am vergangenen Dienstag wurde deutlich, dass eine möglicherweise auch berechtigte Kritik an Karl Zeller, längst in eine Art Hysterie ausgeartet ist. Das zeigt nicht nur die Reaktion der vier SVP-Landesräte auf die Autonomiekommission.
Auf der Sitzung am Dienstag fiel der Name Karl Zeller ein zweites Mal. Und dabei wiederholte sich die SVP interne Entrüstung und Ablehnung.
Landesrat Massimo Bessone stellte in der Landesregierung ein PPP-Projekt für ein Altersheim in Meran vor. Das Projekt „Cura Ressort“ stammt von der Veba-Gruppe des ehemaligen Meraner SVP-Stadtchefs und Zeller-Schwiegervaters Siegfried Unterberger. Karl Zeller hat in diesem Projekt die juristische Beratung übernommen.
 
 
Auch hier hat eine mächtige Seilschaft SVP intern bereits vor Wochen gegen die angeblichen PPP-Projekte und -Pläne, in die Karl Zeller als Anwalt involviert ist, mobil gemacht. Die Tageszeitung Dolomiten hat die Vorlage geliefert, in dem man einer Anfrage der Freiheitlichen breiten Raum gegeben und Chefredakteur Toni Ebner in einem Kommentar der Familie Zeller unlautere Geschäftspraktiken unterstellt.
 

Absurde Diskussion

 
Es ist eine absurde Diskussion. Ausschlaggebend für die Umsetzung eines PPP-Modells ist das „öffentliche Interesse“. Dieses wird von den Landesämtern geprüft und am Ende politisch von der Landesregierung definiert. Für ein PPP-Projekt braucht es einen juridischen Beistand. Der Anwalt ist dabei Dienstleister für einen Bauherrn. Nicht mehr und nicht weniger.
In Südtirol gibt es derzeit nur zwei Anwälte, die sich auf dieser schwierigen Materie der PPP-Projekte spezialisiert haben. Jakob Brugger, Sohn des langjährigen SVP-Obmannes Siegfried Brugger und eben Karl Zeller. Auch deshalb scheint der Meraner Anwalt in unzähligen Projekten als Anwalt auf. Übrigens in einigen auch als Berater des Landes.
Spätestens am vergangenen Dienstag wurde aber klar, dass es längst nicht mehr um den Inhalt der PPP-Projekte geht, sondern nur mehr um den Feldzug gegen den SVP-Vizeobmann. Kaum fiel bei der Vorstellung des Meraner Altersheimprojekts der Name Karl Zeller, brach erneut ein Sturm der Entrüstung bei den vier üblichen Verdächtigen los. Es wiederholte sich das unwürdige Schauspiel.
Am Ende mussten beide Tagesordnungspunkte in der Landesregierung vertagt werden.
Die Taktik ist klar: Karl Zeller soll nicht nur politisch kaltgestellt, sondern auch beruflich nachhaltig beschädigt werden.
„In anderen Ländern halten sich Parteien Zeitungen. In Südtirol hält sich eine Zeitung eine Partei.“
Noch nie war der Spruch so wahr, wie heute.
Vor über 25 Jahren gab Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner auf einer Medientagung in Köln voller Stolz ein angebliches Zitat des ÖVP-Politikers Andreas Khol wieder. „In anderen Ländern halten sich Parteien Zeitungen. In Südtirol hält sich eine Zeitung eine Partei“.
Noch nie war der Spruch so wahr, wie heute.
 

Gegendarstellung

 
Im salto-Artikel „Der Paria“ von Christoph Franceschini werden uns - aus welchem Grund auch immer - Stellungnahmen zugeschrieben, welche nicht der Wahrheit entsprechen. Dagegen verwehren wir uns entschieden. Zur inhaltlichen Diskussion über die betreffende Kommission werden wir uns öffentlich sicherlich nicht äußern, nachdem es sich um eine interne Diskussion der Landesregierung handelt.

Philipp Achammer
Maria Hochgruber Kuenzer

Ein Lehrbeispiel, wie man im Auftrag einiger christlicher Brüder einer allmächtigen Partei den Garaus machen kann. Ihnen kann’s egal sein; sie werden ihre Wasserträger auch anderswo zu züchten wissen.

Di., 01.03.2022 - 15:48 Permalink

Es ist verrückt, dass Landesrät/e/innen so irrational und nur zum eigenen Interesse agieren! Die können scheinbar alle viere nicht differenzieren, was in diesem Falle notwendig wäre. Zu trennen sind die Rolle von Zeller als Politiker und Zeller als Anwalt. Mit welchen Argumenten will man Zeller die Kompetenz in der genannten Materie absprechen?
Was kann man von solch "kindischen" Landesräten noch erwarten?!

Di., 01.03.2022 - 16:00 Permalink

Wäre hätte in der Vergangenheit je gedacht, dass unser allseits geschätzter Franceschini einmal derart zum Fürsprecher eines Zellers, sorry, eines mutierten Parias wird. Zellers Opfer- bzw. Saulus-Paulus-Erzählungen kannte man ja schon zur Genüge. Auch all gezeichneten medialen Zerrbilder. Jetzt bekommen wir bald auch das von der Staatsanwaltschaft als ohne Substanz eingestufte Geschwätz in Buchform präsentiert. Man hat (sich) offenbar gefunden. Die Opfer auch.
Wen wundert's, dass da die SVP und die Basis nicht unbedingt so ticken, wie sich das Zeller ...
Franceschini wünschen. Und? Wird der Vize-Obmann nun abtreten?
Was bedeutet das für die SVP oder für den einfachen Bürger (d.w.m.)?
Was kann die Partei bei all diesem sich gegenseitigen parteiinternen Befetzen in der Öffentlichkeit, vor allem von narzisstisch gekränkten Polit-Pensionären, die über all die Jahre Partei für sich genutzt haben, lernen? Auch in Hinblick der besonderen Situation und den aktuellen Herausforderungen. Denn kann sich das real-politische Südtirol die derzeitige mehrfache (Selbst-)Demontage, Spaltung — auch innerhalb der SVP — (weiterhin) leisten ohne dem Land nachhaltig zu schaden und ohne sich nicht gänzlich selbst zu entmächtigen?

Di., 01.03.2022 - 16:05 Permalink

Karl Zeller ist, mit seiner langjähigen Erfahrung zum Autonomiestatut und seiner fachlichen Kompetenz, sicher einer der fähigsten Berater für ein Gutachten zur Entwicklung dieser Autonomie. Die hier dargestellten Grabenkämpfe gegen ihn schaden Südtirol in hohem Maße !

Mi., 02.03.2022 - 09:41 Permalink

Angesichts der hier dargestellten Vorfälle könnte einem der Zeller ja schon beinahe (ich betone beinahe) sympathisch werden, was an der Antipathie für den gesamten Haufen nichts ändert.

Mi., 02.03.2022 - 14:54 Permalink

Achammer und Kuenzer sind lustig, wollen eine Gegendarstellung und schreiben " Zur inhaltlichen Diskussion über die betreffende Kommission werden wir uns öffentlich sicherlich nicht äußern".

Mi., 02.03.2022 - 15:50 Permalink

In einem Gespräch mit mir, bezeichtnete auch Friedl Volgger der frühere Chefredakteur, die Dolomiten als "Prawda."
Es war wohl der Neid der 4 Besitzlosen, die in der Umfrage der Wirtschaftszeitung zur Beliebheit der SVP Mandatare ziemlich hinten gelandet sind, die ohne Rücksicht darauf, dass damit die SVP abmurgsen, auf den Zeller eingedroschen haben.
Warum erfindet die Landesregierung immer wieder Versorgungsposten und lukrative Aufträge für SVP Mandatare und Verwandschaft, statt die Kompetenz in den internen Ämtern aufzubauen?

Do., 03.03.2022 - 06:24 Permalink

Auch wenn es sich um eine interne Diskussion der Landesregierung handelt würden mich Begründungen schon interessieren; diese zu liefern dürfte doch kein Problem sein, oder doch?

So., 06.03.2022 - 08:47 Permalink

Ich weiß nicht, wer die Gegendarstellung für Philipp Achhammer und Maria Hochgruber Kuenzer geschrieben hat, aber auf jeden Fall war es eine Person, die den Unterschied zwischen "verwehren" und verwahren" nicht kennt. Lustig ist die inhaltliche Zweideutigkeit der Stellungnahme. So wird praktisch zugegeben, dass die Stellungnahmen der beiden nicht der Wahrheit entsprechen. Achhammer und Hochgruber Kuenzer sollten sich wohl einen besseren Geisterschreiber suchen.

So., 06.03.2022 - 09:13 Permalink