Politik | Ukraine-Krieg

Raus aus dem russischen Gas

Je schneller Italien aus dem russischen Gas aussteigt, desto mehr Energiesicherheit, desto weniger Klimabelastung und desto weniger Geld für Putins Kriegsmaschinerie.
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Die EU und die NATO zeigen eine seltene Einigkeit in ihrer Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, der uns täglich neue Schreckensbilder vom Bombenterror der russischen Armee und Flüchtlingselend der Ukrainerinnen ins Haus liefert. Die bisherigen vier Pakete an Wirtschaftssanktionen des Westens waren die Mindestantwort auf der nicht-militärischen Ebene, sie schwächen die russische Wirtschaft und hoffentlich auch die immer noch breite Unterstützung der russischen Bevölkerung für die Aggression gegen das Nachbarland. Doch überweisen die europäischen Abnehmer von russischem Erdöl, Gas und Kohle immer noch mindestens eine Milliarde Euro pro Tag an die russischen Staatsunternehmen und finanzieren damit Putins Kriegsmaschinerie mit. Gas und Erdöl machen mehr als die Hälfte des russischen Exports aus. Angesichts der aggressiven und destabilisierenden Rolle dieser Autokratie muss dieser Finanzfluss dringend eingedämmt werden.

Italien ist neben Deutschland der quantitativ größte Abnehmer von russischem Gas. Gut 38% des in Italien verbrauchten Erdgases stammen aus Russland, jährlich 29,07 Mrd. Kubikmeter. Diese enorme Abhängigkeit von Gaslieferungen aus einem einzigen Land war einer der großen strategischen Fehler Italiens der letzten 20 Jahre (wie auch Deutschlands). Der starke Anstieg des Gaspreises ist direkt verantwortlich für den Anstieg der Strompreise, weil Italiens Stromproduktion zu 50% am Gas hängt. Die aktuelle Energiekrise hat die Regierung in Rom zwar veranlasst, sich nach alternativen Lieferländern zu bemühen, doch das braucht Zeit. Es darf aber nicht nur darum gehen, Italiens Lieferländer von Gas und Öl besser zu diversifizieren, sondern möglichst rasch aus dem fossilen Gas überhaupt auszusteigen. Diese Krise erzeugt sozusagen den heilsamen Druck, viel schneller die Energiewende anzugehen, was Italien in den letzten Jahren verschlafen hat.

Als Erstes kann Italien seinen Gasverbrauch deutlich senken. Italien verbraucht jährlich 30 Mrd. Kubikmeter Erdgas für die Gebäudeheizung und 14 Mrd. Kubikmeter Erdgas in der Industrie. Die Energieeffizienz kann durch Thermosanierung wesentlich erhöht werden.

Zum Zweiten kann Italien die erneuerbaren Energiequellen rascher ausbauen als bisher, z.B. mit  dem jüngsten Vorschlag von Elettricità Futura, dem Verband der Industrieverbände. Dieser sieht vor, in den nächsten drei Jahren 60 GW an Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zu bauen. Die industriellen Kapazitäten, Projekte und Finanzmittel sind vorhanden, es fehlen nur noch die Genehmigungen. Mit starker Beschleunigung der Genehmigungsverfahren könnte so der Import von Erdgas nach Italien um 15 Mrd. Kubikmetern Gas verringert werden.

Die dritte Möglichkeit besteht darin, die Produktion von Biogas stark auszubauen. Heute werden in Italien etwa 2,4 Mrd. Kubikmeter Biogas und Biomethan in 1.500 anaeroben Vergärungsanlagen erzeugt. Die Technologie ist verfügbar, das Ausbaupotenzial beträchtlich und dezentral erschließbar: Biogas kann aus organischem Abfall, aus landwirtschaftlichen Abfällen und tierischem Dünger gewonnen werden, nicht aus Energiepflanzen, was nicht effizient wäre. So könnten zwischen 8 und 10 Milliarden Kubikmeter Biomethan und Biogas erzeugt werden, die einen erheblichen Teil der Methangasimporte ersetzen würden.

Italy for Climate hat vorgerechnet, dass man mit mehr Energieeffizienz und-einsparung, mit der Umsetzung schon fertiger Pläne zum Ausbau der Erneuerbaren und mit dem Ausbau der Nutzung von Biogas für die Wärmeerzeugung Italien in wenigen Jahren den Gasimport so weit reduzieren könnte, dass die russischen Gaslieferungen verzichtbar wären. Auch Südtirol hängt direkt am russischen Gas: der von ALPERIA gelieferte nationale Strommix wird zur Hälfte aus Gaskraftwerken erzeugt und zehntausende Haushalte heizen mit russischem Gas. Je schneller der Umstieg auf die Erneuerbaren gelingt, desto besser nicht nur für Energiesicherheit und Klima, sondern auch für Sicherheit und Demokratie in Europa, denn die Bedrohung durch das Putin-Regime wird auch nach diesem Krieg nicht von alleine verschwinden.

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Johannes Engl Do., 17.03.2022 - 21:52

Volle Zustimmung. Italien sollte verlorenes Terrain in der Nutzung von PV-Strom wettmachen und endlich eine strategische Energiepolitik beginnen. So viel Sonne! Und so wenig PV-Anlagen, so wenig Windräder! Da wurde viel verschlafen bzw. verhindert. Leider!

Do., 17.03.2022 - 21:52 Permalink