Politik | SVP

Kein Aprilscherz

Was passiert mit Thomas Widmann? Wann wird Gert Lanz abgewählt? Kommt es zur Vertrauensabstimmung im Landtag? Wie geht es weiter? Eine Gebrauchsanweisung.
Mahlzeit, SVP
Foto: Pixabay/salto.bz
Freitag, den 1. April 2022.
Das Datum könnte nicht schlechter gewählt sein. Es ist ein Tag an dem man traditionell sein Gegenüber in den April schickt.
Heuer wird sich ausgerechnet an diesem Tag die Zukunft des Südtiroler Landeshauptmannes und auch jene der Südtiroler Volkspartei entscheiden. Denn an diesem Freitag wird in der SVP die Vorentscheidung fallen, wie es weitergeht.
Nach den Enthüllungen im Buch „Freunde im Edelweiss“ überschlagen sich die Ereignisse. Jeden Tag gibt es etwas Neues. Selbst Insider tun sich schwer, alle Verästelungen, Wendungen und Hintergründe in diesem Politskandal, der die SVP und das Land in ihren Grundfesten erschüttert, nachzuvollziehen.
Deshalb der Versuch eine Art Vademekum zu verfassen, was derzeit in und um die SVP passiert.
 

Landesrat ohne Büro

 
Es war eine absurde Situation.
Gut 40 Presseleute drängten sich am Mittwoch im Korridor des Landhauses 3/A am Magnagoplatz. Dort im fünften Stock hat normalerweise Landesrat Thomas Widmann sein Büro und seinen Mitarbeiterstab.
Widmann hält seine Pressekonferenz am Eingang im Korridor ab. Hinter ihm das Hinweisschild „Sekretariat“.
Das merkwürdig anmutende Arrangement ist eine Notlösung. Denn Tatsache ist, dass Thomas Widmann zu diesem Zeitpunkt kein Büro in diesem Landhaus mehr hat. Deshalb muss der Landesrat für den Medienauftritt in den Korridor flüchten.
 
 
Landeshauptmann Arno Kompatscher hat noch am Montagabend ein Dekret erlassen, mit dem er Landesrat Thomas Widmann alle Kompetenzen entzogen hat. Dieses Dekret trat am Mittwoch in Kraft. Die Folge davon: Thomas Widmann bleibt zwar Mitglied der Landesregierung mit Stimmrecht, doch mit dem Verlust aller Bereiche verliert der Landesrat alle Mitarbeiterinnen und Strukturen. Konkret heißt das, dass Thomas Widmann weder ein Büro als Landesrat hat noch weiterhin einen Fahrer oder Dienstwagen der Landesregierung benutzen darf.
Alle diese Privilegien und auch die Mitarbeiter sind an die Ressort bzw. Abteilungen gebunden, das heißt, wer keinen Bereich verwaltet, darf auch nicht auf diese Dienste zurückgreifen“, sagt ein Verwaltungsfachmann des Landes zu Salto.bz.
Mit dem Dekret hat Arno Kompatscher auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Thomas Widmann übernommen. Auch jene, die von Widmann kooptiert und sozusagen politisch ernannt wurden. Von Ressortdirektor Günther Burger abwärts, bleiben alle vorerst auf ihrem Posten.
Thomas Widmann wird in Zukunft mit einem Büro im Südtiroler Landtag vorliebnehmen müssen. Als normaler Abgeordneter.
 

Der Alleinherrscher

 
Es ist ein absurde Situation.
Die SVP steht vor eine historischen Zerreißprobe und SVP-Obmann Philipp Achammer tut alles, um nicht jene Gremien einberufen zu müssen, die laut Parteistatut dafür zuständig sind, die Entscheidungen zu treffen.
Die letzte Sitzung des SVP-Parteiausschusses fand am 21. September 2021, also vor über einem halben Jahr statt. Das Parteipräsidium tagte zuletzt am 14. Jänner 2022. Und die Parteileitung traf sich am 14. März 2022 - vier Tage vor dem Erscheinen des Buches „Freund im Edelweiss“ - bisher zum letzten Mal.
Obwohl sich die Ereignisse danach überstürzt haben, hat es SVP-Obmann Philipp Achammer nicht für Wert befunden, diese Gremien in den vergangenen 17 Tagen einzuberufen. Dabei ist die gängige Praxis eine völlig andere. Laut SVP-Statut muss sich die Parteileitung mindestens einmal im Monat treffen. Seit vielen Jahren ist es aber Tradition, dass sich abwechselnd jeden Montag Parteipräsidium und Parteileitung getroffen haben.
 
 
Inzwischen ist das schon lange nicht mehr so. Die Corona Pandemie ist eine willkommene Ausrede - trotz Videokonferenzen - diese drei Gremien systematisch auszutrocknen. Philipp Achammer scheut die direkte Auseinandersetzung mit Karl Zeller, Julia Unterberger, Arno Kompatscher oder Daniel Alfreider. Deshalb hat er diese Gremien selbst in dieser Jahrhundertkrise bisher nicht einberufen.
Dafür hat der Parteiobmann Zoom-Konferenzen mit neuen erfunden Organen abgehalten. Ortsobleute mit Bürgermeister, Bezirksobleute mit Fraktion oder eine Internetplattform, wo 500 Parteifunktionäre mitlauschen können.
Gleichzeitig verkündet Philipp Achammer am Montag auf einer Pressekonferenz so drastische Strafmaßnahmen und Personalentscheidungen, wie es sie unterm Edelweiß seit dem Rausschmiss von Egmont Jenny nicht mehr gegeben hat. Die Aufforderung zum Rücktritt seines Stellvertreters Karl Zeller, des Bozner Bezirksobmannes Christoph Perathoner oder indirekt auch des SVP-Fraktionssprechers Gert Lanz.
Diese Entscheidungen kann der Parteiobmann zwar vorschlagen, aber laut Statut muss die SVP-Parteileitung formal diese Entscheidung treffen. Dass Philipp Achammer es nicht für nötig hält die Parteileitung einzuberufen, bevor er solche drastischen Maßnahmen öffentlich ankündigt, macht deutlich, dass unterm Edelweiss inzwischen die Alleinherrschaft angesagt ist.
Nachdem der SAD-Skandal explodiert ist, wird eine Einberufung der zuständigen Parteigremien aber unausweichlich. Deshalb musste der Obmann jetzt eine gemeinsame Sitzung von Parteileitung und SVP-Fraktion für den Freitagnachmittag, 1. April einberufen.
 

Der Unfall

 
Es wird eine absurde Situation werden.
Am Mittwochvormittag ging der Misstrauensantrag gegen SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz hinaus. Formal handelt es sich um den Antrag zur Einberufung einer außerordentlichen Fraktionssitzung, auf der darüber abgestimmt werden soll, ob Lanz noch das Vertrauen der Fraktion genießt. Unterzeichnet ist der Antrag von 10 Fraktionsmitglieder. Es ist genau die Zwei-Drittel-Mehrheit, die es für Abwahl des Fraktionssprechers braucht.
Es ist ausgeklügelter Plan. Nachdem Arno Kompatscher Thomas Widmann aus der Landesregierung geworfen hat, soll auch der Kompatscher-Vertraute Gert Lanz „verräumt“ werden. Doch dann passiert ein Unfall.
Der Dringlichkeitsantrag gegen Lanz ging am Mittwoch hinaus, als alle noch davon ausgingen, dass Thomas Widmann als Landesrat zurückgetreten sei. Doch dann kam die Kehrtwende. Widmann erklärte, dass er in der Landesregierung bleibt und ihn der Landtag abwählen müsse.
Genau damit aber wird die Lanz-Hinrichtung völlig obsolet. Widmann bleibt und Lanz soll gehen? Eine schlüssige Erklärung dafür vor der Parteibasis abzugeben, das dürfte selbst die Redaktion der Dolomiten nicht mehr schaffen.
 
 
 
Zudem wird Thomas Widmann in dieser Situation wohl kaum mehr bei der geplanten Abwahl von Lanz mitstimmen können. Spätestens dann würde aus einer Ungleichbehandlung ein handfester Skandal. Damit aber fehlt den Lanz-Gegnern in der Fraktion eine Stimme zur nötigen Zweidrittel-Mehrheit.
Weil jetzt die große Verlegenheit herrscht, wird man die Abstimmung deshalb in der Fraktion vorerst einmal - trotz Dringlichkeitsantrag - „vergessen“.


Die Regierungsumbildung

 
Das politische Schicksal dieses Landes wird sich am Freitagnachmittag entscheiden.
Denn auf der gemeinsamen Sitzung der SVP-Parteileitung und der SVP-Fraktion wird man die Gangart für die kommende Woche abstecken.
 
 
 
Dabei geht es vordergründig um den von der Opposition einberufenen Sonderlandtag am Montag und die normalen Landtagssession, die am Dienstag beginnt.
Landeshauptmann Arno Kompatscher wird auf der Sitzung den Vorschlag einer Regierungsumbildung vorlegen. Der Landeshauptmann will am Dienstag im Landtag die Verkleinerung der Regierung und eine neue Kompetenzverteilung vorlegen. Ohne Thomas Widmann, der dann endgültig aus der Landesregierung ausscheiden würde.
Zur Annahme eines solchen Vorschlages braucht es die Mehrheit der Landtagsabgeordneten: 18 Stimmen. Arno Kompatscher hat in seiner eigenen Partei derzeit aber nur 4 oder bestenfalls fünf sichere Unterstützerinnen und Unterstützer für diese Umbildung.
Die SVP wird am Freitag Farbe bekennen müssen, ob man den Landeshauptmann bei dieser Regierungsumbildung folgt oder ihn im Regen stehen lässt.
Entscheidet man sich dafür Kompatscher auflaufen zu lassen, wird der Aprilscherz 2022 mit großer Wahrscheinlichkeit Neuwahlen heißen.