Gesellschaft | Charakterköpfe
Ein unbequemer Held
Foto: Karl Plattner
Sich gegen die gottgewollte Obrigkeit stellen? Eine vielversprechende Karriere aufgeben, um einer Revolution zum Sieg zu verhelfen? So etwas tut ein (Süd-)Tiroler nicht.
Die Rede ist von Michael Gaismair (1490-1532) dem Anführer beim Bauernaufstand anno 1525. Der spätere Revolutionär kommt aus guten Verhältnissen. Der Vater ist ein angesehener Bauer, besitzt einige Bergwerksstollen und übt das Amt eines kaiserlichen Wegmeisters aus. Die Onkel sind wohlhabende Sterzinger Ratsbürger. Ein Bruder wird landesfürstlicher Zöllner. Schon 1503 bekommt die Sippe ein Wappen verliehen und siegelt damit Urkunden.
Wenn die Gaismaiers weiter so tüchtig bleiben, werden sie über kurz oder lang in den Adelsstand aufsteigen. Besonders Michael steht bald auf den obersten Stufen der Leiter, die dorthin führt. Er absolviert ein Rechtsstudium und bewährt sich schon als junger Mann als Sekretär des Tiroler Landeshauptmannes.
Sich gegen die gottgewollte Obrigkeit stellen? Eine vielversprechende Karriere aufgeben, um einer Revolution zum Sieg zu verhelfen? So etwas tut ein (Süd-)Tiroler nicht.
Auch bei seinem nächsten Dienstherrn, dem Fürstbischof von Brixen, bekleidet er eine gehobene Position. Da ist es nur mehr ein Katzensprung zur Nobilitierung, dem begehrten Ziel aller bürgerlicher Aufsteiger. Dann kommt der Bauernaufstand dazwischen, und das Leben des vielversprechenden Juristen nimmt einen völlig anderen Verlauf. Anfang des 16. Jahrhunderts verschlechterte sich die Lage der bäuerlichen Bevölkerung. Als neue Regelungen immer mehr ihre altüberlieferten Rechte beschnitten , nahmen sie dies nicht widerstandslos hin. Umso weniger, als die von Martin Luther verbreitete Lehre „Von der Freiheit des Christenmenschen“ auch in Tirol angekommen war.
So stürmten die Bauern im Mai 1525 Burgen und Klöster und wählten Michael Gaismair zu ihren „Feldobristen“. Diesem gelang es zunächst die wichtigsten Forderungen der Aufständler beim Landesfürsten durchzusetzen, so eine Reduzierung der Abgaben und die Aufhebung der neu eingeführten Roboten. Als Erzherzog Ferdinand militärisch dazu in der Lage war, widerrief er alles und schlug den Aufstand blutig nieder.
Michael Gaismair wurde in Innsbruck inhaftiert. Daraufhin flüchtete der Bauernführer zu Ulrich Zwingli nach Zürich. Dort wurde aus dem gemäßigten Reformer ein bedingungsloser Revolutionär. Die von ihm 1526 entworfene neue „Landesordnung“ gilt als das bedeutendste Programm der deutschen Bauernkriege. Sie sah u.a. die Abschaffung der Privilegien von Adel und Geistlichkeit, eine unparteiische Rechtsprechung, wirtschaftliche Reformen, eine wirksame Sozial- und Altenfürsorge und eine ausgeprägte Gemeindeautonomie vor.
Die reichen Gewinne aus den Bergwerken sollten nicht Großunternehmern, sondern der Bevölkerung zugute kommen. Aus dem Fürstentum Tirol sollte eine Bauern- und Bürgerrepublik werden. In den folgenden Kämpfen konnte Gaismair einige Erfolge erzielen, musste sich dann aber nach Oberitalien zurückziehen, wo er sich als Söldnerführer im Dienste Venedigs bewährte. Die Hoffnung mit venezianischer Unterstützung seine Ideen in Tirol verwirklichen zu können, zerschlugen sich.
1532 wurde Michael Gaismair auf seinem Landgut in der Nähe von Padua im Auftrag der Habsburger ermordet. Viele seiner Reformen wurden Jahrhunderte später umgesetzt.
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Michael Gaismair wurde in den
Michael Gaismair wurde in den 1970-er Jahren von von der 68-er Bewegung als ein wesentlicher Tiroler Reformer wiederentdeckt. Als Folge entstand die Michael -Gaismair-Gesellschaft. Das (linke) Kulturzentrum führte ein eigens geschriebenes Theatherstück auf. So war mein Zugang zu Gaismair.
Antwort auf Michael Gaismair wurde in den von Sepp.Bacher
Die Michael-Gaismair
Die Michael-Gaismair-Gesellschaft wurde 1985 gegründet. https://www.michael-gaismair.it/ueber-uns/
Danke für diesen Beitrag.
Danke für diesen Beitrag. Sehr interessant.
Heutzutage werden Gaismairs
Heutzutage werden Gaismairs durch Kuhpremien Maschienenbeiträge usw verhindert.
Die Adeligen und Kirchenfürsten wurden durch Genossenschaftsfunktionäre und Presseoligarchen ausgetauscht. Bauernaufstände werden durch Minimalzugeständnisse, zB Urlaub auf dem Bauernhof, oder über Entmündigung durch Bürokratien, Berggesetz, und viele andere Hürden verkompliziert, unterbunden.
Aktuell hat die Grundgesinnung Gaismairs volle Berechtigung.
Überlieferungen aus dieser
Überlieferungen aus dieser Zeit sollten man trotz allem auch immer kritisch gegenüber stehen war doch der Buchdruck gerade erst erfunden und Bildung ein Privileg ganz weniger. Man könnte auch sagen, die Aufklärung befand sich in Ihren Kinderschuhen.
Antwort auf Überlieferungen aus dieser von Stefan S
Ja, und heute hat man oft den
Ja, und heute hat man oft den Eindruck, dass sie sich wieder auf diese Schuhgröße zurückentwickelt...
Antwort auf Ja, und heute hat man oft den von Christoph Gufler
Ja das ist leider richtig
Ja das ist leider richtig insbesondere wenn es um die Beeinflussung des einfachen Wahlvolkes/Bürger geht.
Nicht nur in der Mode kommt
Nicht nur in der Mode kommt alles irgendwann wieder. Die heutigen Fürsten sitzen als CEOs an den Schalthebeln der Macht und befehligen ein Heer von Vasallen.
Antwort auf Nicht nur in der Mode kommt von Dietmar Nußbaumer
Ich würde sogar weiter gehen
Ich würde sogar weiter gehen und sagen, diese "Mode" war nie weg...
Revoluzzer*innen haben es heute ungleich schwerer als früher. Sie werden zwar nicht mehr verfolgt und umgebracht (in der Regel), aber dafür in der Kakophonie der Meinungen und der schrillen Buntheit des medialen Informationsoverkills nicht wahr- und auch nicht ernstgenommen.
Wer hörte z.B. in den letzten zweieinhalb Jahren etwas von der "fridays-for-future" Bewegung? Die gesundheitliche Krise (Covid) und die geopolitische Krise (Ukraine-Konflikt) haben jeweils wirtschaftliche Folgen, die uns heute schwerwiegend erscheinen - weil wir nur die fetten Jahre kennen. Die Klimakrise hingegen wird alles in den Schatten stellen, worüber wir aktuell jammern und uns sorgen.
Die beiden bisher auf salto
Die beiden bisher auf salto erschienenen prägnanten und gut geschriebenen Aufsätze von Christoph Gufler waren (und sind) ein wertvoller Beitrag zur Verbreitung bzw. Auffrischung von historischem Wissen über unser Land.
Eine Fortsetzung wäre mehr als willkommen.
Ein Dank dem Autor und der Redaktion.
Antwort auf Die beiden bisher auf salto von Heinrich Zanon
herzlichen Dank, es sind noch
herzlichen Dank, es sind noch etliche Folgen bis in die Gegenwart vorgesehen.