Gesellschaft | Charakterköpfe

Internationaler Freiheitsheld

Bis in die jüngere Zeit herauf war der Andreas Hofer Lehrstoff an deutschen Schulen. Nicht schlecht für einen Bauern und Gastwirt aus dem abgelegenen Passeiertal.
ander.png
Foto: zucco.inc
Andreas Hofer ist neben Ötzi und Reinhold Messner der international bekannteste (Süd-)Tiroler. Immer wieder kann man feststellen, dass Gäste aus allen Teilen Europas diesen Namen kennen.
Das hat damit zu tun, dass der Aufstand der Tiroler im Jahre 1809 gegen die napoleonische Herrschaft für immenses Aufsehen sorgte. Schließlich hatte der Franzosenkaiser sämtliche Großmächte einschließlich der Österreicher und Preußen besiegt, sodass gegen ihn kein Kraut gewachsen zu sein schien.
Und da wagen es diese Bergler dem Herrn Europas die Stirn zu bieten, anfangs sogar mit Erfolg! Wenn das keine Sensation war!
So wurde Andreas Hofer nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in England, Skandinavien, Russland und selbst in den USA zu einem Symbol für den gerechten Freiheitskampfes eines Volkes. Johan Peter Hebel widmet Andreas Hofer in seinem „Schatzkästchen des rheinischen Hausfreundes“ eine ausführliche Darstellung, Albert Lortzing benennt eine Oper nach ihm und Joseph Anton Koch malt „Den Tiroler Freiheitskampf“. Sogar in den Schriften Goethes und Schillers kommt Andreas Hofer vor. Bis in die jüngere Zeit herauf war der Volksheld Lehrstoff an deutschen Schulen. Nicht schlecht für einen Bauern und Gastwirt aus dem abgelegenen Passeiertal.
Sogar in den Schriften Goethes und Schillers kommt Andreas Hofer vor.
Am dortigen Sandhof wurde Andreas Hofer am 22.11.1767 geboren. Die Hofers saßen seit 1680 auf dem Anwesen mit dem auch eine „Wirtstavern“ verbunden war. 1698 hatte Opa Kaspar nach der Rückkehr von einer Pilgerreise ins Heilige Land daneben eine kleine Kirche erbaut. Das Sandhof war einer der größten Höfe im Tal. Außerdem “luteigen“, also kein Pachthof eines adeligen oder geistlichen Grundherrn, wie die meisten anderen Bauernhöfe es damals waren, sondern freies Eigentum. Die Familie des späteren Volkshelden gehörte damit eindeutig zur Talelite. So war auch Andreas Hofer schon in jungen Jahren ein angesehener Mann. Erst 22 Jahre alt bestimmte ihn das Gericht Passeier 1790 zu seinem Abgeordneten beim Tiroler Landtag.
 
 
 
15 Jahre später musste das vernichtend geschlagene Österreich Tirol an Napoleon bzw. dessen Verbündeten Bayern abtreten. Die neuen Landesherren tauften das Land auf Südbayern um und führten radikale Reformen durch. Das ließen sich die Tiroler auf die Dauer nicht gefallen. Im Vertrauen auf „Das Allerheiligste Herz Jesu“ erhoben sie sich am 9. April 1809 gegen die bayrischen und französischen Besatzer.
Und da wagen es diese Bergler dem Herrn Europas die Stirn zu bieten, anfangs sogar mit Erfolg! Wenn das keine Sensation war!
Im Mai wählten die Schützenkompanien Andreas Hofer zu ihrem Oberkommandanten. Nach drei siegreichen Schlachten am Bergisel zog der Sandwirt als provisorischer Regent in die Innsbrucker Hofburg ein. Wenn Tirol auch nur einen unbedeutender Nebenschauplatz im großen europäischen Krieg darstellte, so kratzte die Niederlage doch am Nimbus des bisher unbesiegten Feldherrn.
Das konnte Napoleon nicht dulden und so schickte er 50.000 Elitesoldaten in die Berge. Inzwischen hatte er Österreich wieder vernichtend geschlagen, sodass Kaiser Franz entgegen anderslautender Versprechungen Tirol zum zweiten Mal an Napoleon abtreten musste. Andreas Hofer war schon dabei, seine Schützen nach Hause zu schicken, als ihn fanatische Elemente zwangen, den Widerstand fortzusetzen. Das unausweichliche Debakel ließ nicht lange auf sich warten. Während die größten Kriegshetzer, allen voran der unselige Kapuzinerpater Haspinger, außer Landes flohen, brachte es Andreas Hofer nicht übers Herz, seine Landsleute im Stich zu lassen. Napoleon persönlich ordnete seine Exekution an, die am 22.2.1810 in Mantua erfolgte.
Im Gefängnis kam der von Selbstvorwürfen gequälte Volksführer mit sich selbst ins Reine. Seinen Tod empfand er als Sühne für das Leid, das er mitverschuldet hatte. Drei Jahre nach seiner Hinrichtung kam Tirol wieder zu Österreich zurück.

 

Es vergingen nur gut 100 Jahre, bis Tirol erneut zum Spielball der Großmächte wurde und der Bevölkerung durch die Annexion an Italien enormes Leid zugefügt wurde. Die 20 Jährige faschistische Schreckensherrschaft und die bis in die 70er Jahre währende zunächst offene und dann schleichende Italianisierung war im Vergleich zur Bayerischen Besatzung wohl um einiges dramatischer.

Während die bayerische Besatzung nach einige Jahren beendet wurde, ist Südtirol nun schon seit über 100 Jahren Teil eines fremden Staates mit fremder Kultur und Sprache, der der Bevölkerung die Selbstbestimmung verwehrt hat.

Die Autonomie und die EU haben viele Wunden verheilt, auch wenn die Narben nach wie vor sichtbar sind (Toponomastik, faschistische Denkmäler, finanzielle Transferleistungen Südtirols zugunsten italienischer Regionen etc.).

Di., 24.05.2022 - 17:30 Permalink

Leider wiederholen sich die Ereignisse immer wieder. Danke für den fachkundigen Kommentar. Auch die finanziellen Transferleistungen zugunsten italienischer Regionen halten sich in Grenzen. Es gibt wohl wenige Länder (Regionen, Provinzen) auf der Welt, die 90 % der Steuern selber verwalten können. Ein oft unterschätzter Tatbestand, der allerdings auch etwas mehr Engagement alle Bevölkerungsschichten benötigen würde. Die 90 % unserer Steuern verteilt nicht Rom, sondern Bozen.

Fr., 27.05.2022 - 20:52 Permalink