Kultur | Salto Afternoon
Wie hat's die Religion mit Frauen?
Foto: Elisabeth Frei
20 Bilder, in römischen Zahlen durchnummeriert bietet die Künstlerin dem Publikum in der Kommende Lengmoos am Ritten, etwas mehr Stationen als sie ein Kreuzgang hat. Es sind mehrheitlich Hochformate, mit Ausnahme von fünf quadratischen und zwei querformatigen Arbeiten, was dem Sujet geschuldet ist: Das hohe Bild schafft Platz für göttliche Eingebung - oder, nach Betrachtungsweise - Hierarchie. Aus einem dunkel-braun-rotem bis schwarzem Hintergrund holt sie mit Mitteln der Malerei und der Collage ihre Motive hervor, die allegorischen Charakter haben und sorgfältig durchkomponiert sind und auch mit altbekannten Regeln spielen: Die Perspektive, die man sucht ist keine Realitäts- sondern eine Bedeutungsstiftende.
Frei ist es dabei nicht genug, sich der Abbildung einer dominant männlichen Institution im Ist-Zustand zu nähern, sie fügt Frauen in Ihre Bilder ein: Im Alter und häufig mit Kopftuch, oder als Filmstar beziehungsweise - man verzeihe den Ausdruck, der all zu gut passt - Ikone. Diese Dualität als vollkommene Polarisierung der Frau in die Verführerin und die Fromme ist durchlässig und spielt mit dem Klischee. Man holt die Gretchenfrage ins 21. Jahrhundert und fragt nicht nur nach dem persönlichen Verhältnis zur Religion, sondern auch nach dem Verhältnis der Religion zur (weiblichen) Person. Auffällig dabei: Blickkontakt wird in keinem der Bilder hergestellt, auf Augenhöhe ist man auch nirgends und wendet sich zum Teil demonstrativ ab.
Im ersten Bild der Ausstellung werden wir weniger mit dem mehrheitlich als Farbe dominantem Kardinalrot, sondern mit einer aus kirchlicher Sicht spannenden Farbe konfrontiert: Gelb ist sowohl ein Schandfarbe, als auch ein Farbton, der als Goldersatz für das Göttliche oder Engel steht. Als Farbkaskade hüllt sowohl Johannes XXIII als auch einen Filmstar ein. Strukturell greift im malerischen Teil Frei eine Aufgabe auf, die zu den liebsten der Maler religiöser Motive zählt: Der Faltenwurf, der aus langen Roben Vorhänge macht.
Die Bewegung, der Bildfluss über welchen die Kunstwerke gelesen werden ist von oben herab, hierarchisch quasi, seltener ist eine Gegenbewegung wie aufsteigender Weihrauch oder eine sich von vorne unten, nach hinten oben durch das Bild XII ziehende Reihe von rot bemützten Kardinals-Köpfen, die zu den Knöpfen der Soutane werden. Bei letzteren versteckt sich ein Detail: Man zählt 32 der 33 für das Leben Jesu stehenden Knöpfe, der letzte Hut tanzt aus der Reihe und findet sich in einem Dekolleté versteckt.
Man kann in Bild XII auch einen Kommentar zur selbstreplizierenden Hierarchie lesen, die im Bild durch Köpfe in Reih und Glied abgebildet ist, eine Ordnung die gleichermaßen von Oben herab diktiert wird und sich durch die einzelnen, sich den Mustern fügenden aufrecht erhalten wird. Als Gegenposition zu der strukturellen Ordnung der Kirche liest sich das Bild XX der Ausstellung, welches den „Rundgang“ beschließt: Aus einer Menschentraube schält die Künstlerin durch Abdecken die Form einer Rosenkranzkette heraus. Die Kirche als Summe der Gläubigen, ein hoffnungsvolles Motiv, welches die Möglichkeit von Wandel und Reform einräumt.
Zwischen den Bildern auch einzelne, die sich nicht durch ein klares Helldunkel gut lesen lassen, sondern mit mehreren diegetischen, soll heißen sich im Abgebildeten erklären lassenden Lichtquellen, in einen Widerspruch begeben und das Auge in verschiedene Richtungen leiten.
Es finden sich allerdings nicht nur komplexe Bildkompositionen, sondern in den nicht vertikalen Bildern auch Details und Gesten: Nebeneinander ein Tirolerhut und der des Papstes, beide mit knalligem Rot im Blick über die Schulter, ein Händeschütteln und ein -Halten als Beistand in der Trauer, Kardinals-Schuhe... Ein Bild, das zwischen zwei Abbildungen mit Bezug auf Ministranten gehängt ist, zeigt ein schwarzes Nichts, Ausdruck des Abdeckens oder der Trauer; Ansichtssache. Der Blick aus dem Fenster auch den angrenzenden Friedhof ist dabei fast Teil der Ausstellung.
Wie man die Bilder liest, ob man nach versteckten Kritiken oder nach spirituellen Eingebungen sucht, dürfte mehr vom Betrachter abhängen, als von der Vorgabe der Künstlerin. Die Ausstellung lässt sich getrost beiden empfehlen: Dem frommen Katholiken, der sich vor respektvoller Kritik nicht versteckt und denen, die vom Glauben abgefallen sind. Wer sich einen Moment vor den Bildern Zeit nimmt, wird mit Sicherheit das eine oder andere Detail entdecken, das ein Bild auf den Kopf stellen kann. Dann gibt es wahrscheinlich kein Halleluja, aber zumindest ein langgezogenes „A“.
Bitte anmelden um zu kommentieren
Sehr schöne Bilder!
Sehr schöne Bilder!
Meiner Meinung nach sind für Frauen alle Religionen dieser Welt nur eine Abzocke. Für Männer natürlich nicht.
Es ist das Patriarchat, das
Es ist das Patriarchat, das es, nicht nur in den Religionen, zu überwinden gilt. Dass Religionen besonders markant ihr Patriarchat zelebrieren und als "gottgewollt" hinstellen, verspottet den Gott selbst...
Antwort auf Es ist das Patriarchat, das von Karl Trojer
Es ist die Tragik, dass die
Es ist die Tragik, dass die Endscheidungsgewalt in den Kirchen erst nach einem sehr Obrigkeits-gefügigen Leben und dazu noch kontrolliert von einer Meute von Kardinälen, dem letzten Lebensabschnitt vorbehalten ist.
Nur sehr wenige Kardinäle retten so wie Pabst Johannes XXIII. und Pabst Franziskus, ihre vernünftige Einstellung zu den Frauen bis ins hohe Alter.