Nach dem Rücktritt von Premier Mario Draghi entscheidet am heutigen Mittwoch ein Vertrauensvotum im Senat über das Schicksal der Regierung. Es ist damit zu rechnen, dass der Regierungschef eine Mehrheit erhält. Doch die wahren Unwägbarkeiten könnten nach der Abstimmung auftreten.
Denn Forza Italia und Lega wollen mit der Fünf-Sterne-Bewegung in Zukunft keine Regierung mehr bilden. Draghi wiederum scheint nicht bereit, sich auf ein endloses Polit-Theater und den gewohnten Kuhhandel einzulassen. In Rom, Turin, Mailand, Florenz und anderen Städten gingen am Montag Tausende Bürger spontan auf die Strasse, um gegen eine Regierungskrise und für den Verbleib Draghis im Chigi-Palast zu demonstrieren - ein durchaus bemerkenswertes und ungewohntes Ereignis. Der bekannte Schriftsteller Antonio Scurati ersuchte Draghi im Corriere della Sera, zum Wohl Italiens im Amt zu bleiben und auf den beabsichtigten Rücktritt zu verzichten. Wegen der Regierungskrise wurde Draghis Staatsbesuch in Algerien auf einen Tag reduziert. Mit 4 Milliarden Kubikmetern jährlich wird der nordafrikanische Staat nun Italiens wichtigster Gaslieferant.
Dass Draghi das Vertrauen von Senat und Abgeordnetenkammer erhält, gilt als sicher. Die Probleme freilich beginnen nachher. Denn Forza Italia und Lega wollen sich nicht mehr an einer künftigen Regierung beteiligen, die von der Fünf Sterne-Bewegung mitgetragen wird. Und dem M5S droht eine neue Spaltung: nach Gerüchten ist der Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer, Davide Crippa bereit, die Bewegung mit rund 15 Gefolgsleuten zu verlassen. M5S-Mitbegründer Beppe Grillo äusserte sich indessen kritisch über Conte, der "zu viel Klebstoff am Hintern" habe. Kommentar des Corriere della Sera zum Dauergezänk in der Bewegung: "I 5 stelle dilaniati - è braccio fi ferro tra Conte e Crippa."
Dass Draghi das Vertrauen von Senat und Abgeordnetenkammer erhält, gilt als sicher. Die Probleme freilich beginnen nachher.
Als wahrscheinlich gilt, dass ohne Draghi auch der anspruchsvolle und ehrgeizige Piano di rilancio e resilienza PNRR auf der Strecke bleiben könnte. Denn bis zum 1. Juli hat Italien erst 96 der 527 obiettivi e traguardi erreicht, die bis Juni 2026 erfüllt sein sollen - weniger als 18 Prozent. Noch problematischer ist ein Blick auf jene targets, an denen laut EU-Kommission die Verwirklichung der hochtrabenden Pläne gemessen werden soll. So wurden von den geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecken erst drei von fast 100 Kilometern fertiggestellt.
Die Zustandsbeschreibung des Corriere della Sera wenige Stunden vor dem entscheidenden Vertrauensvotum: "In aula si va alla conta. Ma i partiti sono divisi". Fürwahr nichts Neues.