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Wenn ein Elefant Fieber hat...
Foto: upi
Der meist erwartete und wichtigste Artikel jenes Teils des Omnibusgesetzes ist – oder besser gesagt – war der Artikel zur „Bettenobergrenze“, d. h. die Festlegung einer Höchstgrenze für die Südtiroler Beherbergungsbetriebe. Ich werde mich in meinem Minderheitenbericht auf diesen Punkt konzentrieren und Überlegungen zu den anderen, wenn auch wichtigen Themen, auf die Debatte im Plenum vertagen.
Artikel 8 des Gesetzentwurfs Nr.111/22 fasste in zwei, nur wenige Zeilen langen Absätzen (den Absätzen 3 und 6), monatelange Diskussionen über das Zuviel an Fremdenverkehr, den berühmten "Overtourism" (dieser Begriff wurde von der Oxford University 2018 zum "Wort des Jahres" gewählt), und seine negativen Auswirkungen zusammen: Verkehr, Umweltverschmutzung, übermäßiger Verbrauch von Land, Wasser und Energie sowie die exzessive Beanspruchung der Berge und Städte, die zu Vergnügungsparks verkommen, der Ansturm auf Orte, die durch Kino- oder Fernsehproduktionen berühmt geworden sind, Personalmangel in Hotels und Restaurants, schwindelerregende Immobilienpreise für die Bewohner und die Abwanderung der Südtiroler aus stark touristisch geprägten Gebieten. In einem Wort: eine Monokultur. Der Fremdenverkehr kann einem Gebiet Reichtum bescheren, doch ein Übermaß an Tourismus schadet der Natur und der Bevölkerung, die diesen erdulden muss.
Der Fremdenverkehr kann einem Gebiet Reichtum bescheren, doch ein Übermaß an Tourismus schadet der Natur und der Bevölkerung, die diesen erdulden muss.
Mit diesen beiden Absätzen von Artikel 8 wurde versucht, eine erste Antwort auf diese komplexe Frage zu geben.
Vertane Chance
Die Zeit schien reif für einen Kurswechsel, auch deswegen, weil sich inzwischen sogar bei denjenigen, die vom Fremdenverkehr leben, die Überzeugung durchgesetzt hat, dass sich ein Übermaß an Tourismus negativ auf die Branche auswirkt, zumal er gefährliche soziale und wirtschaftliche Rückschritte in dieser so wichtigen Branche zur Folge hat.
Die Statistiken der letzten Jahre sprechen für sich: das rasche Aussterben der Ein- und Zwei-Sterne-Hotels, die Stagnation und der beginnende Niedergang sogar der Drei-Sterne-Hotels – das Herzstück der familiengeführten Betriebe –, die Zunahme an Vier-Sterne-Hotels, der Boom der Fünf-Sterne-Hotels und der großen Apartment Hotels, die Rundum-Pakete anbieten, das steigende Angebot an Urlaub auf dem Bauernhof im landwirtschaftlichen Grün und die explosionsartige Vermehrung von Unterkünften, die auf Plattformen wie Airbnb angeboten werden (offiziell sind es heute rund 4.000, von denen 2/3 ausdrücklich mit und für Airbnb geschaffen wurden).
Ein Ja oder Nein zur Obergrenze ist auch ein Ja oder Nein zum Programm Kompatschers für das Südtirol von heute und von morgen.
Gleichzeitig gibt es immer mehr Ankünfte und Übernachtungen, bei einer immer kürzeren Aufenthaltsdauer. Im Rekordjahr 2019 wurden fast 8 Millionen Ankünfte und 34 Millionen Übernachtungen verzeichnet, doch die durchschnittliche Urlaubsdauer betrug nur etwas mehr als 4 Tage, und hat sich damit im Vergleich zu den vorhergehenden Jahrzehnten halbiert, Ten- denz sinkend.
Daher stellt sich natürlich die Frage: Wie viel Tourismus und wie viele Touristen kann unsere Gesellschaft, unsere Natur und selbst unsere Tourismusbranche verkraften? In dem Moment, in dem diese Frage ein Teil der vom Landeshauptmann ins Leben gerufenen Nachhaltigkeitskampagne geworden ist, wurde diese sozio-ökonomische Frage zu einer politischen. Ein Ja oder Nein zur Obergrenze ist auch ein Ja oder Nein zum Programm Kompatschers für das Südtirol von heute und von morgen.
Eindeutige Regie
Die parteiübergreifende Bauernfront der Ausschussmitglieder aus Mehrheit und Opposition (Locher und Vallazza von der SVP, Leiter Reber von den Freiheitlichen und Faistnauer von der PFS) hat die Landesregierung überstimmt. Mit ihrer Ja- stimme zum Ersetzungsantrag zum gesamten Artikel 8, den der Obmann der Freiheitlichen eingebracht hatte, wurde die Frage der Begrenzung der Übernachtungen auf eine einfache statistische Erhebung reduziert, wobei die Einführung der „Obergrenze“ auf den Sankt Nimmerleinstag (oder vielleicht auf "nie mehr wieder") verschoben wurde.
Unmittelbar vor der Abstimmung über diesen Ersetzungsantrag hatte derselbe Ausschuss in einer Abstimmung mit umgekehrtem Ergebnis zwei Änderungsanträge abgelehnt (einen des Abg. Dello Sbarba zu Beherbergungsbetrieben, den anderen von Abg. Tauber zum Urlaub auf dem Bauernhof). Letzterer hatte den Vorschlag von uns Grünen übernommen, wonach die Durchführungsverordnungen dem Gesetzgebungsausschuss zur verbindlichen Stellungnahme vorgelegt werden sollten: Landesrat Schuler und Landesrätin Hochgruber Kuenzer hatten ihre Einwilligung dazu gegeben, die Abgeordneten Tauber und Lanz stimmten gemeinsam mit dem Unterfertigten und dem Abgeordneten Repetto dafür, während die vier Ausschussmitglieder Locher, Vallazza, Leiter Reber und Faistnauer dagegen stimmten. Das Ergebnis: Die Änderungsanträge wurden mit der ausschlaggebenden Stimme des Vorsitzenden Locher abgelehnt. Der Ausschuss war in zwei Teile geteilt, die SVP ebenso: Die Bauern gegen den Rest der Welt.
Der Ausschuss war in zwei Teile geteilt, die SVP ebenso: Die Bauern gegen den Rest der Welt.
An dieser Stelle springen einem die politischen Elemente ins Auge: Die Hälfte der SVP stimmte für den vom Obmann der Freiheitlichen eingebrachten Ersetzungsantrag. Die andere Hälfte, d. h. die Kollegen Tauber und Lanz, stimmten dagegen, und der Abg. Lanz, bis vor kurzem noch SVP-Fraktionsvorsitzender, kündigte sogar einen „Minderheitenbericht“ an. Ein von LH Kompatscher unterzeichneter Gesetzentwurf wird in einem wesentlichen Teil komplett umgewälzt. Man stelle sich vor: Landesrat Schuler und Landesrätin Hochgruber Kuenzer sprechen sich für zwei Änderungsanträge aus, die den Gesetzentwurf verbessern, und die Hälfte der SVP-Ausschussmitglieder stimmt dagegen. Die bei Stimmengleichheit ausschlaggebende Stimme des Ausschussvorsitzenden Locher (SVP) hat das Ergebnis, Abstimmung nach Abstimmung, auf den Kopf gestellt – ein Vorgehen, das eindeutig einer genau abgestimmten Regie folgte.
Zittern im Dschungel
Wer die politische Auseinandersetzung der letzten Monate verfolgt hat, hat feststellen können, dass sie von einem erbitterten SVP-internen Kampf dominiert wurde. Wer gehofft hatte, dass dieser Kampf zu Ende ist, muss sich nun eines Besseren belehren lassen: Die Abstimmung über die Tourismusbranche im zweiten Gesetzgebungsausschuss ist eine Fortsetzung dieses Kampfes mit anderen Mitteln und auf anderen Ebenen.
Verzeihen Sie mir, wenn ich mich in eine Debatte einmische, die eine andere Partei betrifft. Tatsache ist, liebe Kolleginnen und Kollegen der SVP, was hier passiert, betrifft aufgrund der Bedeutung der SVP, ihrer Geschichte und ihrer Rolle in der Landesregierung ganz Südtirol und damit auch uns. Wenn ein Elefant Fieber hat, zittert der ganze Dschungel.
Was hier passiert, betrifft aufgrund der Bedeutung der SVP, ihrer Geschichte und ihrer Rolle in der Landesregierung ganz Südtirol und damit auch uns.
Ich sage das als Landtagsabgeordneter, aber auch als einer, der 20 Jahre lang als Journalist tätig war und es gewohnt ist, sich zu fragen, welche Botschaft dahintersteht. Die Botschaft hier ist politischer Natur, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wiegt mindestens genauso schwer wie die sozio-ökonomische und die ökologische Komponente.
Die Botschaft ist eine politische, auch wenn in den Kommentaren der darauffolgenden Tage und, wie mir scheint, auch in einigen Berichterstattungen versucht wurde, dies unter den Teppich zu kehren. Es wurde versucht, das Ausmaß dieser Botschaft zu minimieren. Es wurde versucht, sie auf eine Auseinandersetzung zwischen Landwirten und Hoteliers herunterzuspielen.
Dem ist keineswegs so: Im Gesetzgebungsausschuss wurden wir Zeugen eines ausgeklügelten, mehrstufigen Vorgehens, um den Vorschlag zur Eindämmung des Fremdenverkehrs zu kippen, einen Vorschlag, der in einem Artikel von Landesrat Schuler, innerhalb eines von Landeshauptmann Kompatscher unterzeichneten Gesetzentwurfs, enthalten ist, und von politischen Vertretern wie den Abgeordneten Tauber und Lanz, die zusammen mit Landesrat Schuler dem Lager des Landeshauptmanns zuzuordnen sind, unterstützt wird.
Der Ausschuss ist in zwei Teile gespalten: auf der einen Seite steht die eine Hälfte der SVP, die mit den Freiheitlichen und der PFS gestimmt hat, auf der anderen Seite steht die andere Hälfte der SVP, die mit den Grünen und dem PD stimmt.
Und doch gibt es diejenigen, die versuchen die politische Brisanz dieses Ereignisses zu leugnen!
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„Berge und Städte, die zu
„Berge und Städte, die zu Vergnügungsparks verkommen“, Danke Herr Dello Sbarba! Es sollten alle einmal die Augen aufmachen, vor allem jene, die mit Augen zu und durch glauben, es würde noch irgendwie gut gehen, obwohl sie selber merken, wie es knirscht und wie bedroht sie selber sind. Ein Bettenstopp Stand 2019 wird die Situation jedoch nicht merklich entschärfen. Wer es mit dem Genussland ernst meint, muss die Bettenzahl eines früheren Jahres in Erwägung ziehen und eine langfristige Strategie entwickeln.
Antwort auf „Berge und Städte, die zu von Christoph Bart…
...genauso ist es! Volle
...genauso ist es! Volle Zustimmung!
Antwort auf ...genauso ist es! Volle von kurt duschek
Wenn in Südtirol weiterhin
Wenn in Südtirol weiterhin verstopfte Straßen, überlaufene Ausflugsziele und als Rennstrecken missbrauchte Bergstraßen den Gästen den Urlaub verleiden, wird sich vor Allem die Meute der 4 und 5 Sterne-Hotels sehr schnell andere Urlaubsorte finden.
Antwort auf Wenn in Südtirol weiterhin von Josef Fulterer
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