Politik | Bezirksgemeinschaft

Salomonische Lösung

Das Verwaltungsgericht hat die Wahl des Bezirksrates Überetsch-Unterland annulliert. Die Landesregierung ernennt den amtierenden Präsidenten jetzt zum Kommissar.
Zelger, Hansjörg.jpg
Foto: SVP
Man kann in diese Entscheidung als schlauen und pragmatischen Schachzug sehen, damit vorerst alles beim Alten bleibt.
Die Landesregierung hat am Dienstag den bisherigen Präsidenten der Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland Hansjörg Zelger zum außerordentlichen Kommissär seiner eigenen Bezirksgemeinschaft ernannt.
Die Vorgeschichte ist bekannt: Nachdem das Verwaltungsgericht einen Rekurs von zwölf oppositionellen Gemeinderäten aus fünf Gemeinden des Bezirks Überetsch-Unterland angenommen und die Beschlüsse zur Bestellung des Bezirksrates sowie zur Wahl des Präsidenten und des Bezirksausschusses aufgehoben hat, ist die Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland de facto nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben wahrzunehmen und ihre Tätigkeit auszuüben.
Die Landesregierung hat in ihrer Funktion als Aufsichts- und Kontrollbehörde die Befugnis einen kommissarischen Verwalter zu ernennen, der die Geschäfte bis zu den Neuwahlen führt. Genau das hat man am Dienstag auch getan. Mit einem durchaus, überraschenden Schachzug.
Auf Vorschlag von Landeshauptmann Arno Kompatscher wurde der bisherigen Präsidenten Hansjörg Zelger kurzerhand zum außerordentlichen Kommissär ernannt. Zelger wird damit die Bezirksgemeinschaft in den nächsten Monaten als ein Art absolutistischer Herrscher verwalten. Der Terlaner SVP-Bürgermeister nimmt als Kommissär die Befugnisse des Präsidenten, des Bezirksausschusses und des Bezirksrates wahr.
 
 
 
Damit der Parteifreund keine finanziellen Einbußen hat, beschloss die Landesregierung auch, dass der Kommissar Zelger weiterhin mit der Amtsentschädigung des Bezirkspräsidenten rechnen kann.
Die rechtliche Frage aber ist, ob es überhaupt zu Neuwahlen kommen wird.
In der offiziellen Mitteilung der Landesregierung heißt es:
 
„Die Tätigkeit des Kommissärs könnte aus rechtlicher Sicht auch durch eine mögliche Aussetzung der Wirksamkeit des erstinstanzlichen Urteils oder eine Entscheidung des Staatsrates in zweiter Instanz zur Neubestellung dieser Organe beendet werden.“
 
Das klingt nicht so, als wolle die SVP-Mehrheit dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Rechnung tragen und der Opposition jene Vertretung in den Bezirksgemeinschaften einräumen, die dieser rechtlich zusteht.
Das Problem in der Umsetzung des Urteils liegt auch daran, dass die Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland kein Einzelfall ist. Man hat in der SVP-Zentrale und auch im Gemeindenverband Angst vor einem möglichen Dominoeffekt.
Auch deshalb denkt man ernsthaft über eine Berufung gegen das Urteil beim Staatsrat in Rom nach.
 
 
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Josef Fulterer Mi., 27.07.2022 - 06:38

Antwort auf von Ceterum Censeo

Mit der Ernennung des abgesetzten Präsidenten Hansjörg Zemmer zum Kommissar der Bezirksgemeinschaft, will die Landesregierung wohl ihre Hohheit über das Gericht zu beweisen.
° In einem ordentlich geführten demokratischen Staat erlässt die Politik die Gesetze.
° Die Gerichte wachen über die Einhaltung der Gesetze.
° Die Wirtschaft bewegt sich im Rahmen der Gesetze.
° Die Medien berichten wenn die Gesetze nicht eingehalten werden.

Mi., 27.07.2022 - 06:38 Permalink
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rotaderga Mi., 27.07.2022 - 07:18

Antwort auf von Josef Fulterer

Da gab es doch Mal im Schlerngebiet vor längerer Zeit einen Bürgermeister der abgesetzt wurde und dann als Kommissar die Geschäfte der Gemeinde ( übrigens zu voller Zufriedenheit der Bewohner) weiterführte. Ist das richtig, Herr Fulterer?

Mi., 27.07.2022 - 07:18 Permalink
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Josef Fulterer Mi., 27.07.2022 - 21:51

Antwort auf von rotaderga

Der Fall lag damals etwas anders. Ich war Verwaltungsmitglied des Gemeindefürsorgeamtes, das auch für die Verwaltung des baufälligen Altersmeims zuständig war. Da die amtierende Gemeindeverwaltung den überfälligen Neubau offensichtlich nicht in Angriff nehmen wollte, habe ich im Frühjahr 1969 für den Gemeinderat kandidiert, aber versäumt beim Gemeindefürsorgeamt 3 Monate vorher zu kündigen. Nach der Wahl wurde mir dann das Amt des Bürgermeisters aufgedrängt. Mit in den Gemeindeausschuss wurden 2 Räte gewählt, die wegen der Säumigkeit des Gemeindebuchhalters Holzlieferungen noch nicht bezahlt hatten.
Die Gruppe um den vorherigen Bürgemeister Trocker hat deswegen beim Gericht einen Rekurs auf Unwählbarkeit eingereicht. Als im September 1969 klar wurde, das Gericht wird die Unwählbarkeit bestätigen (was trotz Rücktritt erfolgt ist), sind 13 der 20 Gemeinderäte zurück getreten, sodass sich der Gemeinderat nicht mehr aus den Nichtgewählten ersetzen konnte.
Ich wurde als Privatperson zum Kommissar ernannt. Mit der Beratung des zurück getretenen Gemeindeausschusses und einem Vertreter aus der Gruppe des früheren Bürgermeisters Trocker, habe ich bis zum Frühjahr 1970 die Gemeinde verwaltet.
Wieder gewählt, habe ich versucht den Bau des Altersheims gegen erhebliche Wiederstände voran zu treiben. 4 Mal hat die damals zuständige Landschaftsschutzkommission der Landesverwaltung das Projekt abgelehnt. Schließlich ist es mir gelungen, mit dem Mitglied der Landschaftsschutzkommission Oswald Bortolotti, in Kastelruth das Vorhaben zu besprechen, worauf in der 5. Sitzung der Wiederstand gebrochen war.
Das Altersheim wurde nach 1,5 jähriger Bauzeit im Frühjahr 1974 bezogen und am Erntedank Sonntag im Oktober 1974 als "Martinsheim" eingeweiht.
Da mir für einen Politiker der geeignete Karakter fehlt, habe 1974 bei den Gemeindewahlen trotz Drängen von verschiedener Seite nicht kandidiert.

Mi., 27.07.2022 - 21:51 Permalink
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Stefan S Do., 28.07.2022 - 08:45

"Auch deshalb denkt man ernsthaft über eine Berufung gegen das Urteil beim Staatsrat in Rom nach."
Hat man nicht, durch die kommissarische Ernennung, also durch diesen Verwaltungsakt in Folge des Urteils, faktisch dieses anerkannt!?
Des weiteren stellt sich die Frage warum das Gericht nicht gleich eine Frist für Neuwahlen genannt hat, ohne diese Frist bleibt das Urteil, was wir ja deutlich sehen können, wirkungslos.

Do., 28.07.2022 - 08:45 Permalink