Gesellschaft | Abtreibung
Selbst entscheiden dürfen
Foto: RRAF
Der christliche Verein „Bewegung für das Leben Südtirol“ hält regelmäßig Gebetswachen vor dem Krankenhaus in Bozen, die Menschen knien dabei auf dem Gehsteig vor dem Eingang. Aktivist:innen nehmen diese Gebetstreffen seit einigen Monaten zum Anlass, eine sichere und kostenlose Abtreibung zu fordern. Mit ihren Plakaten vermitteln sie die Botschaft, dass Organisationen wie Bewegung für das Leben kontraproduktiv für die Selbstbestimmung der Frau sind. Der Verein selbst betont hingegen, Frauen unterstützen zu wollen.
Können wir noch glauben, dass ein Gesetz, das Ärzten und Fachleuten erlaubt, ihre Moral über unseren Körper auszuüben, ausreicht, um unsere Freiheit und Selbstbestimmung zu schützen - alcunx femministe die Bolzano
Am Samstag, den 20. August, hielt die Bewegung für das Leben vor dem Krankenhaus in Bozen wieder ein Gebetsvigil ab. Der Verein hat laut seiner Webseite das Ziel, „eine lebensbejahende Denkweise bezüglich Annahme und Schutz eines jeden menschlichen Lebens in allen Formen seiner Entwicklung – von der natürlichen Empfängnis bis zum natürlichen Tod“ zu fördern.
„Uns ist wichtig, Frauen in dieser schwierigen Situation vollinhaltlich zu informieren, da eine Abtreibung einen tiefen Einschnitt für die Frau darstellt“, erklärt Vereinsmitglied Hildegard Tscholl. Sie arbeitet bereits seit vielen Jahren in der telefonischen Beratung des Vereins. „Die Frauen sind froh, wenn sie bei uns ernst genommen werden“, so Tscholl.
Tabuthema Abtreibung
Abtreibung ist ein großes Tabuthema und deshalb würde es Betroffenen schwerfallen, darüber zu sprechen. Der Verein will zu dem Thema Schwangerschaftsabbruch umfassend informieren und den Frauen bei einer eventuellen Geburt zur Seite stehen.
Bei dem Gebetsvigil vergangenen Samstag machten die Aktivist:innen im Rahmen einer Gegendemonstration auf das Recht auf Abtreibung aufmerksam, das in Italien mit dem Gesetz Nr. 194 im Jahr 1978 eingeführt wurde. Auf dem Instagram-Account rosa.rote.armee.fraktion (RRAF) wurden die Bilder der Demonstration geteilt. Hinter dem Account steht eine Gruppe von Aktivist:innen („alcunx femministe di Bolzano“), die sich unter anderem für Feminismus einsetzt.
Zu wenig Zugangsmöglichkeiten
„Mehr als 40 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 194 sind viele Frauen immer noch gezwungen, weit von ihrem Wohnort entfernt abzutreiben, weil es keine entsprechenden Einrichtungen gibt, und zu viele leiden immer noch unter psychischer Gewalt durch das Krankenhauspersonal“, so RRAF.
„Können wir noch glauben, dass ein Gesetz, das Ärzten und Fachleuten erlaubt, ihre Moral über unseren Körper auszuüben, ausreicht, um unsere Freiheit und Selbstbestimmung zu schützen“, fragen sie provokant. Obwohl die Abtreibung in Italien legal ist, ist der Zugang dafür nicht immer einfach.
Wir brauchen nun Polizeischutz, da es auch Farbwürfe und Sachschaden gegeben hat - Hildegard Tscholl
In Südtirol bieten nur sehr wenige Ärtz:innen sichere Abtreibungen in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen an. Denn Gynäkolog:innen steht es frei, die Abtreibung aus Gewissensgründen zu verweigern. Laut dem italienischen Gesundheitsministerium weigerten sich in Italien im Jahr 2016 70 Prozent der Ärtzeschaft abzutreiben, in Südtirol sogar 92,9 Prozent. Für RRAF geht das Gesetz Nr. 194 deshalb nicht weit genug und sie fordern einen sicheren und kostenlosen Schwangerschaftsabbruch.
Beiträge für Verein
Zudem kritisieren sie, dass die Bewegung für das Leben öffentliche Beiträge erhält. In den Jahren 2019 und 2018 waren es laut dem Verein jeweils mehr als 50.000 Euro. Die Geldgeber waren in beiden Jahren das Amt für Kinder- und Jugendschutz und soziale Inklusion, die Familienagentur und die Gemeinde Meran. Einen beträchtlichen Anteil davon machen außerdem die fünf Promille der Steuererklärung von Bürger:innen aus. Im Februar waren in Bozen sowie in anderen Städten Italiens Werbeplakate des Vereins und der Organisation „Pro Leben und Familie“ zu sehen, der Anlass dafür war wie im Jahr zuvor der von der italienischen Bischofskonferenz ausgerufene Tag für das Leben. Der Landesbeirat für Chancengleichheit für Frauen verurteilte diese Anti-Abtreibungskampagne.
Seit Dezember letzten Jahres werden die Gebetstreffen von der Bewegung für das Leben vor dem Krankenhaus öfters von Demonstrationen begleitet. „Wir brauchen nun Polizeischutz, da es auch Farbwürfe und Sachschaden gegeben hat”, so Tscholl. Ein Dialog zwischen Betenden und Aktivist:innen konnte bisher im Rahmen der Demos nicht stattfinden.
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Abtreibung ist für jede Frau
Abtreibung ist für jede Frau ein traumatischer Eingriff.... aber wo bleiben die Gegner, wenn Frauen vergewaltigt wurden oder wenn sie nicht die Chance haben, ihr Neugeborenes menschenwürdig ins Leben zu begleiten ? Unsere Gesellschaft kümmert sich zu wenig darum, Kinder und Mütter vor Verwahrlosung zu schützen. Über die Inanspruchnahme des gesetzlich verankerten Rechts auf Abtreibung haben nur die betroffenen Frauen zu entscheiden, und wir als Gesellschaft müssten ihnen umfassend zur Seite stehen !
Ich gehe davon aus, dass
Ich gehe davon aus, dass keine Frau diese schwierige Entscheidung leichtfertig trifft. Diese Bewegung ist mir zu fanatisch, aber bitte, sollen sie doch auf Knien beten. Nur anderen dreinreden, dazu haben sie kein Recht.