Nachhaltiger Lebensmittelkonsum
Forscherin Isabel Schäufele-Elbers hat in einer groß angelegten Studie mit 8,400 Teilnehmer*innen alle drei Aspekte verknüpft und eine Befragung zu nachhaltigem Konsum dem realen Einkaufsverhalten gegenübergestellt. Sie lehrt an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften die Fächer nachhaltige Tourismusentwicklung und Wein- und Lebensmitteltourismus. Ihre Forschung befasst sich mit Konsumverhalten. Auf den Sustainability Days wird die junge Forscherin ihre Studie zu „Nachhaltiger Lebensmittelkonsum - Die Lücke zwischen Absicht und tatsächlichem Kaufverhalten“ vorstellen.
unibz: Welches war der Ausgangspunkt Ihrer Studie und welcher Frage sind Sie konkret nachgegangen?
Schäufele-Elbers: Die Literatur zum nachhaltigen Lebensmittelkonsum weist zwei große Lücken auf: Erstens analysiert die Mehrzahl der bisherigen Studien das Verbraucherverhalten auf der Grundlage von Umfragedaten zu Einstellungen und beabsichtigten Verhaltensweisen. Unsere Studie analysiert reale Einkaufsdaten aus dem Haushaltspanel der GfK, die kaum analysiert werden, weil die Daten zu teuer für wissenschaftliche Studien sind. Zweitens konzentrieren sich die meisten Studien auf eine Dimension der nachhaltigen Ernährung. Das Ziel dieser Studie war es, Verbrauchersegmente auf Basis drei Indikatoren zu identifizieren: 1) der Kauf von Bioprodukten als Indikator für Lebensmittel aus nachhaltigen Produktionssystemen, 2) der Kauf von Fleisch als Indikator für die Klimaauswirkungen der Ernährung und 3) der Kauf von süßen Snacks als Indikator für eine gesunde Ernährung.
Wie kann das Verhalten in Sachen Lebensmittelkonsum in der Bevölkerung prozentuell eingeordnet werden?
Der Marktanteil von Bio-Lebensmitteln wächst seit Jahren konstant an. In den meisten Ländern ist der Marktanteil allerdings noch immer auf einem sehr geringen Niveau: Im Durchschnitt werden in der EU nur 4,7 % der Umsätze mit Öko-Lebensmitteln generiert. Marktführer sind Dänemark (12,1 %), Schweiz (10,4 %) und Österreich (9,3 %). In Italien liegt der Öko-Anteil mit 3,5 % auf einem niedrigen Niveau – in Südtirol liegt der Anteil bei 4 %.
Der Fleischkonsum pro Kopf liegt in Industrieländern bei über 60 Kg/Jahr. Empfohlen sind 15 Kg/Jahr damit die Weltbevölkerung im Jahr 2050 innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen der Erde mit einer gesundheitsfördernden Ernährung versorgt werden kann. Es ist also eine drastische Reduzierung des Fleischkonsums notwendig! In Südtirol wird viel Fleisch in der Speckproduktion verarbeitet. In der Bevölkerung und im Tourismus wird außerdem viel Fleisch konsumiert.
Kann eine solche Studie alle Bevölkerungsschichten (Schere reich-arm) repräsentativ darstellen oder lassen sich Streuverluste vernachlässigen?
In etwa einem Drittel der Haushalte verfügte der Tagebuchführer (Verantwortlicher für das Einkaufstagebuch) über ein Abitur oder einen Hochschulabschluss, was der Verteilung des höchsten Schulabschlusses der deutschen Bevölkerung recht ähnlich ist. Die Daten deuten ferner darauf hin, dass Haushalte mit hohem Einkommen in der Stichprobe unterrepräsentiert waren. Da der Kauf von Bio-Produkten aufgrund der Preisaufschläge auch vom Einkommen abhängt, liegt es nahe, dass die Gruppe der Öko-Käufer in ihrer Größe etwas unterschätzt wurde. Allerdings ging es in der Studie vor allem darum, Zusammenhänge zu untersuchen und hier lässt die Studie valide Schlüsse zu. So konnten Verbrauchersegmente mit unterschiedlichem (nicht)-nachhaltigem Konsumverhalten identifiziert und die Diskrepanz zwischen Verhaltensabsichten und tatsächlichem Kaufverhalten analysiert werden.
Sie haben die Teilnehmer*innen an der Studie nach drei Indikatoren für nachhaltiges Verhalten analysiert. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?
Fast die Hälfte der Haushalte verhält sich eindeutig nicht nachhaltig, entweder aufgrund eines hohen Fleischkonsums (20 %) oder aufgrund eines hohen Konsums von Süßigkeiten (25 %). Dieser Anteil ist deutlich höher als in früheren Studien, die auf Einstellungen und Absichten basierten. Hier lag der Anteil der nicht nachhaltigen Verbraucher bei etwa 10 %.
Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung (2 %) zeigt ein relativ nachhaltiges Konsumverhalten in allen betrachteten Konsumdimensionen (hoher Konsum von Bio-Lebensmitteln, geringer Konsum von Fleisch, süßen Snacks, Alkohol, verarbeiteten Lebensmitteln) und diese Gruppe besteht vor allem aus jüngeren Menschen mit höherer Bildung.
Sie unterstreichen, dass der Marktanteil von Bio-Lebensmitteln immer noch gering und der Fleischkonsum viel zu hoch ist, obwohl frühere Studien eine wachsende Präferenz für ökologisch nachhaltige Lebensmittel und Ernährungsweisen belegen. Klaffen hier die Wertevorstellung und das effektive Kaufverhalten auseinander?
Insgesamt zeigten Verbrauchersegmente mit positiveren Einstellungen und Absichten zu Nachhaltigkeit ein nachhaltigeres Kaufverhalten. Allerdings gingen positive Einstellungen nicht vollständig in das tatsächliches Verhalten über. Es wurden Diskrepanzen zwischen dem angegebenen und dem tatsächlichen Verhalten festgestellt, und diese Diskrepanzen unterschieden sich zwischen den Verbrauchersegmenten und den verschiedenen Nachhaltigkeitsmerkmalen.
Am größten war die Lücke zwischen Einstellungen und Verhalten bei den ‚Süßigkeitenkäufern‘: Obwohl sie ein ungesundes Konsumverhalten an den Tag legten, sagte ein Drittel dieser Gruppen, alles in ihrer Ernährung zu vermeiden, was ihrer Gesundheit schadet. Außerdem gab ein beträchtlicher Teil der ‚Fleischkäufer‘ an, den Fleischkonsum bewusst zu reduzieren. Im Vergleich zu den Aussagen über Gesundheit und Fleischreduzierung war die Lücke zwischen Einstellung und Verhalten beim Kauf von Bio-Lebensmitteln gering.
Dennoch zeigen Daten, dass auch reine Fleischproduzenten (Beispiel Rügenwalder Mühle) ein breites Sortiment an Fleischersatzprodukten aufgebaut haben. Zeigt sich diesbezüglich ein Trend in Ihren Auswertungen?
Es gibt definitiv einen Trend zu einer fleischärmeren Ernährung, insbesondere die gut gebildete jüngere Generation greift immer häufiger zu Veggi-Würstchen und vegetarischem Schnitzel aus Seitan oder Soja, weil sie sich bewusster ernähren. Neben tierethischen Aspekten sind diese Produkte deutlich umweltfreundlicher, denn es werden für die Produktion weniger Ressourcen verbraucht und sehr viel weniger Treibhausgase ausgestoßen als in der Fleischproduktion. In unserer Studie wurde der Konsum von Fleischersatzprodukten allerdings nicht betrachtet.
Zeigt ihre Studie auch Unterschiede zwischen den Konsumentengruppen im Kochverhalten bezüglich der Verarbeitung von Frischeprodukten versus Convenience Food?
Die ‚Süßigkeitenkäufer‘ hatten von allen Segmenten die höchsten Präferenzen für Convenience Food, Fast Food und eine einfache und leichte Zubereitung von Speisen. Darüber hinaus misst dieses Segment der Qualität von Lebensmitteln und dem Thema Umweltschutz eine geringe Bedeutung bei. Trotzdem verhält sich das Segment nachhaltig im Hinblick auf die geringen Klimaauswirkungen ihrer Ernährung, denn sie konsumieren wenig Käse und Rindfleisch.
Im Vergleich dazu, zeigte das Segment der ‚Fleischkäufer‘ eine hohe Präferenz für Qualität und Genuss und eine geringe Präferenz für Fast Food und eine einfache und leichte Zubereitung von Speisen.
Welche Herausforerungen für die Transformation des Agrar- und Ernährungssystems aus Sicht der Verbraucher*innen sehen Sie?
Die Studie zeigt, dass der Wille sich nachhaltig zu ernähren bei vielen Verbrauchern vorhanden ist. Es stellt sich also die Frage, mit welchen Maßnahmen die Lücke zwischen Einstellungen und Verhalten geschlossen werden kann. Zum einen muss die Verfügbarkeit nachhaltiger Lebensmittel verbessert werden. Das betrifft die Auswahl und die Verfügbarkeit von Bio-Lebensmitteln im Supermarkt aber auch die Schaffung eines gesunden und nachhaltigen Speiseangebots (pflanzenbasiert, bio, regional) in der Außer-Haus-Verpflegung, also in Mensen und Kantinen und in der Gastronomie. Damit der Konsument hier überhaupt eine ‚nachhaltige‘ Entscheidung treffen kann spielt die Kennzeichnung eine bedeutende Rolle. Bezieht man in Betracht, dass unsere Studie Verbrauchersegmente mit unterschiedlichen "Problembereichen" aufzeigt, scheint die aktuelle Diskussion über mehrdimensionale Nachhaltigkeitssiegel (z. B. "Eco-score" in Frankreich) höchst relevant.
Sie werden Ihre Studie auf den Sustainability Days vorstellen – in welchen Themenbereich bettet sich Ihr Vortrag ein und welche Erwartungen knüpfen Sie an die Veranstaltung?
Der Vortrag bettet sich in den Themenbereich ‚food and agriculture‘ ein. Ich erwarte mir von der Veranstaltung eine Diskussion wie Produktion und Konsum von Lebensmitteln im ländlichen Raum ökologischer und klimafreundlicher gestaltet werden können. Ein hohes Potenzial sehe ich in der Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Tourismus. Ich wünsche mir, dass die Sustainability Days eine Plattform für einen langfristigen Austausch verschiedener Interessengruppen sind, um Maßnahmen für den Wandel hin zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem zu erarbeiten. Weiterhin wünsche ich mir einen Austausch mit anderen Forschern aber auch der Praxis, um neue Forschungsprojekte anzustoßen.
Die Rolle und Vorbildfunktion
Die Rolle und Vorbildfunktion der Gemeinschaftsverpflegung kann ich nur unterstreichen! Hier gibt es noch enorm viel Verbesserungspotenzial in Richtung einer nachhaltigen Verpflegung, angefangen bei einer konsequenten Einhaltung der in Italien verpflichtenden Mindestumweltkriterien (Criteri ambientali minimi per la ristorazione collettiva).
Auch die Forderung nach einer besseren Kennzeichnung und mehr Transparenz unterstütze ich - sowohl in Hinblick auf verarbeitete, vorverpackte Lebensmittel als auch auf die Produkte, die in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung eingesetzt werden. Dazu lagen dem Landtag bereits konkrete Vorschläge vor, beispielsweise zur Kennzeichnung von Produkten tierischen Ursprungs in Mensen.
Antwort auf Die Rolle und Vorbildfunktion von Silke Raffeiner
Das Zubereiten von gesunden
Das Zubereiten von gesunden Speisen mit den Grundnahrungs-Mittel, erfordert in den meisten Fällen lange Vorbereitungszeiten in der Küche.
Auch die Köche in den Mensen und Hotelküchen, sind wegen dem nicht ausreichenden Personal, zum Griff "von in Akkord-Arbeit" vorbereiteten Lieferungen gezwungen.
Die von der Gesellschaft erwünschte doppelte Berufstätigkeit in der Familie, zwingt zum häufigeren Griff nach den von der Lebensmittel-Idustrie vorbereitetem "mit viel Aufwand verpacktem Fertigfutter." Außer dem Druck auf die Lieferanten, "zur Lieferung zum tiefts-möglichen Preis, "werden diese Produkte mit Salz, Zucker und Geschmacksverstärker" Umsatz-fördernd optimiert und für die Augen des Kunden vor den Regalen im Geschäft "mit aufwändigster Verpackung BELASTET."
Und die Einkäufer / Sklaventreiber der Lebensmittelindustrie, treiben die Bauern mit ihren Forderungen nach niedrigsten Preisen in die Monokulturen, die einem hohen Schädlings-Druck ausgesetzt sind und in die von der Gesellschaft verurteilte Massentierhaltung.
Beim Lesen:
Beim Lesen:
1. Absatz: „8,4 Teilnehmer“... oder doch 8.400?
2. Absatz: „Haushaltspanel der GfK“: hab‘s gegoogelt, könnte (sollte) aber doch im Artikel erklärt werden.
3. Absatz: „Marktanteil von Biolebensmitteln“: wir wissen doch wie es um die Kontrolle dieser Produktion, vor allem außerhalb Europas steht (schlecht); zudem: wie „bio“ ist eine Bio-Banane, die mit einem schwerölbetriebenen Frachter nach Europa gelangt - da ist doch - ehrlich und nachhaltig betrachtet - nichts mehr „bio“?
... ich lese weiter ...
Zitat: „Kann eine solche
Zitat: „Kann eine solche Studie alle Bevölkerungsschichten (Schere reich-arm) repräsentativ darstellen oder lassen sich Streuverluste vernachlässigen?“ Ich verstehe diese Frage nicht, auch aus der Antwort erschließt sich der Sinn der Frage nicht.
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Zitat: „... Veggi-Würstchen und vegetarischem Schnitzel aus Seitan oder Soja, weil sie sich bewusster ernähren...“: ich habe eine Dokumentation zur Produktion dieser Fleischersatzprodukte und deren Inhalts- und Zusatzstoffen gesehen: da erschrickt man gleichsam zu Tode... generell gilt doch: je weniger verarbeitet, umso gesünder... wieso plötzlich hoch ver- und höchst bearbeitete Lebensmittel eine „besonders bewusste Ernährung“ sein sollen, erschliesst sich mir nicht.
Zitat: „Trotzdem verhält sich
Zitat: „Trotzdem verhält sich das Segment nachhaltig im Hinblick auf die geringen Klimaauswirkungen ihrer Ernährung, denn sie konsumieren wenig Käse und Rindfleisch“:
Wer „wenig Käse und Rindfleisch konsumiert“, verhält sich automatisch „nachhaltig im Hinblick auf die geringen Klimaauswirkungen ihrer Ernährung“? Dieser Satz kann nicht ernst gemeint sein, da der bloße Verzicht auf Käse und Rindfleisch die hier gezogene Schlussfolgerung KEINESFALLS zulässt:
Könnte dies vom Autor der Studie oder des Artikels belegt werden?
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Trotz vieler Ungereimtheiten lese ich weiter, da die Theamtik von hoher Wichtigkeit ist.
Antwort auf Zitat: „Trotzdem verhält sich von Peter Gasser
Dass Käse und Rindfleisch
Dass Käse und Rindfleisch einen exorbitant höheren CO2 Ausstoß verursachen als pflanzliche Proteine muss man Ihnen belegen?
Antwort auf Dass Käse und Rindfleisch von Ludwig Thoma
Ja, heutzutage braucht man
Ja, heutzutage braucht man für alles Studien, die einfache Logik reicht nicht mehr... ;-)
Zitat: „Ich wünsche mir, dass
Zitat: „Ich wünsche mir, dass die Sustainability Days eine Plattform für einen langfristigen Austausch verschiedener Interessengruppen sind, um Maßnahmen für den Wandel hin zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem zu erarbeiten“:
Wie erreichen wir einen nachhaltigen und von Unfällen möglichst freien Autoverkehr mit Teilnehmern, welche das Fahren beherrschen? Indem die Produktion sicherer Autos gesetzlich geregelt, der Bau sicherer Verkehrswege gesetzlich geregelt und das sichere Fahren mit Führerschein gesetzlich geregelt ist - und bei Zuwiderhandeln bestraft wird.
Wie erreichen wir eine regionale, nachhaltige, gesunde Ernährung mit gesunden Lebensmittel: indem Produktion und Verkauf von Lebensmitteln mit dem Ziel des Schutzes der Natur, der Produzenten und der Konsumenten GESETZLICH GEREGELT wird.
Nun stellt sich die Frage, warum die Gesellschaft bei der Ernährung diese gesetzliche Regelung hin zu nachhaltiger, natur- und menschengerechter Ernährung NICHT einführt. Darüber wäre eine Studie sehr interessant und aufschlussreich.
(Mal ehrlich, ohne gesetzliche Regelung würde so mancher ohne Führerschein und bei rot über die Ampel fahren, und rechts nicht Vorfahrt geben...)
Antwort auf Zitat: „Ich wünsche mir, dass von Peter Gasser
Man braucht keine Studie um
Man braucht keine Studie um zu verstehen, dass die Lobbies mit "nachhaltiger, natur- und menschengerechter Ernährung" kein grosses Geld machen und daher so eine Regelung uninteressant ist, bzw. stark bekämpft würde! Es ist schon lange her, aber was ich mich noch erinnern kann, hatte damals Regierungspräsident Monti versucht die soft-drinks stärker zu besteuern, da das ganze Zucker ungesund ist. Hat er es geschafft? Nein! Die einzige Studien die gemacht werden sind um zu verstehen wie lange und bei welcher Temperatur die Chips frittiert werden müssen damit sie richtig im Mund genau knacken! (kein Scherz, eine extrem interessante Doku auf arte-TV über die Tricks der Lebensmittelindustrie damit die Menschen noch lieber fast food essen und trinken).
Antwort auf Man braucht keine Studie um von Christian I
Auch aus Fleisch-freien
Auch aus Fleisch-freien Grundnahrungsmitteln haben fühere Generationen, "ohne Studien," sehr schmackhaftes Essen gekocht!
Wer die Zutaten-Liste der von der Lebensmittel-Industrie gezauberten Burger, Würstchen und Schnitzel liest, wird wohl kaum Jemand mehr zugreifen und noch weniger, wenn er die nicht veröffentlichen Verfahrensschritte kennen würde.