Umwelt | Seilbahn Tiers
Tausche legal gegen illegal
Foto: ivan goller
Alle Beteiligten wissen, worum es geht. Nur sagt man es offiziell nicht.
Das beste Beispiel für diese Haltung ist der Bürgermeister von Tiers, Gernot Psenner.
Psenner gab am Freitagmorgen RAI Südtirol ein Interview zur Situation um die seit Monaten stillstehende neue Seilbahn von Tiers auf die Frommer Alm. Laut dem Bürgermeister warten die Gemeinden Tiers und Welschnofen immer noch auf eine Entscheidung der Dienststellenkonferenz des Landes. Die Baukommissionen beider Gemeinden haben schon vor Monaten ein modifiziertes Projekt, mit dem Abweichungen gegenüber dem ursprünglich genehmigten behoben (im Südtiroler Rechtsjargon "saniert") werden sollen, angenommen. Doch jetzt warte man auf die Entscheidung des Landes.
„Das Gesetz ist einfach neu, es handelt sich doch um ein Großprojekt in diesem Sinne und dementsprechend werden halt die einzelnen Kommissionen, Mitglieder und Entscheidungsträger sehr gut abwägen, was ist machbar, was ist nicht machbar“, sagt Gernot Psenner zu RAI Südtirol. Und weiter: „Sie werden sich für diese Entscheidung alle Infos holen und das dauert scheinbar halt ziemlich lange.“
Es ist eine beliebte Sportart in den Gemeinden, den Schwarzen Peter der Landesverwaltung zuzuschieben. Denn der Sachverhalt ist in Wirklichkeit weit komplizierter, als es die Gemeindeverwalter öffentlich sagen.
Die Schließung
Es war Salto.bz, das am 11. März 2022 das Problem öffentlich machte. Knapp einen Monat zuvor hatte die neue Tierser Seilbahn von St. Zyprian auf die Frommer Alm ihren Betrieb aufgenommen. Die hochmoderne Aufstiegsanlage, die als italienweit erste "Cabrio-Seilbahn" angepriesen wird, hat bereits in der Bauphase wegen der Schlägerungs- und Planierungsarbeiten bei den Umweltschützern und den Alpinvereinen für viel Kritik gesorgt.
Dazu kommt, dass das Projekt der privaten Tierser Seilbahn AG einen Landesbeitrag von 13 Millionen Euro erhalten hat. Bei einer ausgewiesenen Gesamtinvestition von 15,8 Millionen Euro entspricht das einem öffentlichen Beitrag von 75 Prozent der Baukosten.
Beim Bau dieser neuen Seilbahn ist das passiert, was bei Aufstiegsanlagen nicht selten vorkommt: Sowohl die Tal- als auch die Bergstation sind weit größer ausgefallen als im genehmigten Projekt angeben. Konkret: Es wurden sowohl die Volumina überschritten als auch die Freiflächen verändert. Es geht dabei nicht um Peanuts, sondern die Abweichungen vom Projekt liegen nach Informationen von Salto.bz bei rund 20 Prozent der ursprünglichen Vorgaben.
Die Tierser Seilbahn AG hat deshalb bei den zuständigen Ämtern ein sogenanntes "Varianteprojekt" zur Behebung bzw. Regelung dieser Abweichungen vorgelegt.
Es ist der Genehmigungsweg, der bisher möglich war. Die Landesämter begutachten das Varianteprojekt und geben nach den nötigen Gutachten und Bewertungen grünes Licht. Der Bauherr zahlt für die Abweichungen die vorgeschriebenen Strafen und am Ende werden die Bausünden "saniert".
So sollte es auch diesmal sein. Sollte.
Aber in diesem Fall kommt nun zum Vorschein, dass diese Art der Behebung mit den neuen Urbanistikgesetz nicht mehr möglich ist. Damit aber stehen nicht nur die Betreiber, sondern auch die Gemeinde- und Landesverwaltung vor einem schier unlösbaren Problem.
Die Ermittlung
Wenig später verfügen die Carabinieri die Schließung der eben erst eröffneten Seilbahn. Sie ist bis heute geschlossen.
Seitdem läuft auch eine Ermittlung der Bozner Staatsanwaltschaft. Erst vor einigen Wochen kam es dabei zu einem Treffen zwischen dem leitenden Staatsanwalt Giancarlo Bramante und den zuständigen Amtsdirektoren des Landes.
Zentral geht es dabei um die Klärung einer urbanistischen und rechtlichen Grundsatzfrage. Es ist das entscheidende Detail, das Bürgermeister Psenner jetzt bewusst verschweigt.
Es geht um Frage: Kann man durch den Abbruch oder das Zuschütten von legal errichteten Gebäudeteilen andere Teile, die nicht nach Maßgabe des genehmigten Projekts verwirklich wurden, "sanieren"?
Denn genau das sehen die von den Baukommissionen der beiden Gemeinden Tiers und Welschnofen genehmigten Sanierungsprojekte nämlich vor.
Die Zuschüttung
Anhand der eingereichten Projekte wird deutlich, worum es geht:
Der größte Teil der Berg- und Talstation ist unterirdisch gebaut. Bei der Verwirklichung der oberirdischen Bauten ist man aber deutlich vom genehmigten Projekt abgewichen.
So hat man kurzerhand sowohl bei der Tal- als auch bei der Bergstation eine Verbreiterung des Bauwerkes umgesetzt, damit die Zugänge samt Treppen für die Panorama-Kabinen möglich wurden. Konkret: Man hat völlig anders gebaut, als es im Projekt vorgesehen war.
Berechnungen ergeben, dass sowohl an der Berg- als auch an der Talstation oberirdisch rund 300 Kubikmeter zu viel verbaut wurden.
Diese illegalen Bauten will man jetzt "sanieren", indem man unterirdisch gebaute Räume eliminiert. So ist im modifizierten Projekt die Zuschüttung eine kleinen Magazins im Untergeschoss vorgesehen, im Erdgeschoss die Zuschüttung eines weiteren Magazins und des gesamten Aufzugsbereichs samt Aufzug selbst. Diese Gebäudeteile sollen einfach mit Erdreich befüllt werden.
Um dem Einwand zuvorzukommen, dass man diese Teile auch abreißen könnte, haben die Planer diese Gebäudeteile kurzerhand als statische Strukturen erklärt, die für die Seilbahn unabdingbar seien. „Das stimmt aber nur zum Teil“, sagt ein Landesbeamter, der an der Lösung des Falles mitwirken soll. Zudem stellt man sich nicht nur in der Landesverwaltung eine andere Frage: Wer kontrolliert, ob die Betreiber nach der Genehmigung die zugeschütteten Räume nicht wieder freischaufeln?
Dass die Dienststellenkonferenz das heiße Eisen liegen lässt, liegt auch an den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Es gilt hier, einen Südtiroler Präzedenzfall zu klären. Kann ich durch Zuschütten von Räumen und Flächen, die im Projekt vorgesehen sind und auch danach verwirklicht wurden, andere Gebäudeteile, für die es keine Genehmigung gibt, "sanieren"?
Weitergedacht: Kann ich durch den Rückbau legal errichteter Räume die Straftat von illegal errichteten Strukturen "kompensieren"?
Eine Frage, auf die derzeit weder die Staatsanwaltschaft noch die zuständigen Landesämter eine konkrete Antwort haben. Es gibt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Lecce, das in einem ähnlichen Fall zum Schluss gekommen ist, dass das möglich ist. Juridisch und strafrechtlich definitiv geklärt ist diese Frage aber noch nicht.
Die Dienststellenkonferenz dürfte sich erst dann mit dem Fall Tierser Seilbahn beschäftigen, wenn die Bozner Staatsanwaltschaft grünes Licht in dieser Frage gibt.
Deshalb müssen die Gemeinden und die Liftbetreiber warten.
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Ja, die sollten einen alten
Ja, die sollten einen alten Bunker aus den Kriegsjahren der vorigen Jahrhunderte ankaufen, gibt es um 40.000€ ca, und diese dann zuschütten. Damit wäre alles "Kubaturmäßig" saniert und allen geholfen. Man kann blöde sein soviel man will, nur zu helfen sollte man sich eben wissen. Alte Südtiroler Weisheit. (ENA)
Einfach Gitterkörbe
Einfach Gitterkörbe einbringen und alles einbetonieren. Hilft der Statik und die Schaufeln stumpfen schnell ab.
Habe ich richtig verstanden?
Habe ich richtig verstanden?
Soll widerrechtlich errichtetes oberirdisches Volumen durch das Zuschütten von unterirdischen Baumassen "saniert" werden?
Wie kann eine Gemeindekommission so etwas genehmigen?
Antwort auf Habe ich richtig verstanden? von M A
Meines Wissens zählen
Meines Wissens zählen unterirdische Bauwerke nicht zur urbanistischen Kubatur, können also durch Entfernen nicht oberirdische Kubatur ausgleichen, da sie keine Kubatur im urbanistischen Sinne sind.
Beispiel eines Wohnhauses mit 1 Untergeschoß und 2 Obergeschossen (2 Wohnungen): ich baue dann abweichend davon 2 Untergeschosse und 3 Obergeschosse (3 Wohnungen).
Dann verfülle ich das 2. Untergeschoß mit Schaum und saniere damit das 3. Obergeschoß - und erhalte somit - legal - eine Wohnung mehr...??
Antwort auf Meines Wissens zählen von Peter Gasser
Man könnte eventuell einen
Man könnte eventuell einen Gadertaler Landtagsabgeordneten fragen. Vielleicht wüsste der eine Lösung.
Antwort auf Meines Wissens zählen von Peter Gasser
So ist es!
So ist es!
Im Artikel allerdings kommt es allerdings genau so rüber...
Antwort auf Habe ich richtig verstanden? von M A
Vergleichbares geschieht
Vergleichbares geschieht demnächst mit dem Vigiljocher Bahnl bzw. dem Vigiloch. Vor etlichen Jahren behutsam saniert, sind Tal- u. Bergstation samt Bahnl 'zu klein' geworden...(wem?). Es müssen 40-Personen-Gondeln her und die Schwebebahn-Denkmäler werden dann, was? Nostalgische Museen? Ach ja, die armen Touristen kann man nicht so lange anstehen lassen (ca. von 15-18:00 Uhr bergab), wenn die ****Hotels mit Kaffee & Kuchen locken oder wenn die Vollgestopften vormittags (direkt vom Frühstücksbuffet u. wie ausgemacht!) zwischen halb 10 und 11:30 Uhr bergauf fahren - u. natürlich Schlange stehen. Oder sind die Urlauber zu beschränkt, um der Masse zeitlich auszuweichen?
Das 'alles' hat man im Tourismus-Konzept vergessen. Zu sehr auf Schlagwörter wie Bettenstopp und Nachhaltigkeit fixiert, kann/will man den akuten Teufels-Kreislauf (mehr/größer/schneller) nicht unterbrechen.
Wer genehmigt (eigentlich) steinreichen Privaten (Dr. Glutenfrei & Friends) die glatte Zerstörung eines Kleinods mit Neu- Um- und Zubauten sowie Verkehrsaufkommen auf den Forststraßen, z.B. Shuttledienst zur "Family-Alm"?
Wie man so hört, hatten die Gegner des Projekts "Make San Vigilio great" keine Chance. Mir graut.
Antwort auf Vergleichbares geschieht von Elisabeth Garber
PS: Matteo Thuns Hotel
PS: Matteo Thuns Hotel "Vigilius" finde ich höchst gelungen. Das Objekt ist in Form, Material u. Höhe geschmeidig ins Umfeld platziert. Das überzeugende Konzept macht M.T. so schnell keiner nach - allerdings wird ein Teil davon durch "Make San Vigilio great" verloren gehen.