Politik | SVP

Zellers Abrechnung

Der langjährige Parlamentarier und SVP-Vizeobmann Karl Zeller hat am Samstag in Meran eine äußerst kritische Abschiedsrede gehalten. Was Zeller gesagt hat.
svp landesversammlung 2022
Foto: Othmar Seehauser
Ich bin zum ersten Mal in der Landesversammlung von 1991 an diesem Rednerpult gestanden. Heute, 31 Jahre später, stehe ich das letzte Mal vor euch und möchte mich in erster Linie bedanken: Ohne eure Unterstützung, ohne euer Vertrauen wäre ich nie Abgeordneter und Senator in Rom und danach Vizeobmann geworden. Es waren für mich politisch und persönlich viele schöne und lehrreiche Jahre. Ich bereue keine Sekunde, dass ich mein halbes Leben der Politik, der Partei und der Arbeit für unser Land gewidmet habe.
Erlaubt mir deshalb einige, auch kritische Gedanken vorzutragen.
Anfangen möchte ich mit der SVP von Silvius Magnago, wie ich sie zu Beginn meiner Karriere kennengelernt habe: Ich war ein Benedikter-Schüler und bin daher 1991 hier in diesem Saal gegen offizielle Parteilinie aufgetreten, was Magnago, Riz und Durnwalder gar nicht gefallen hat. Ich kann rückblickend gut verstehen, das das etwas frech und vielleicht anmaßend war, wenn ein 30-jähriger Neuling den großen Alten erklären will, wo es lang zu gehen hat. Dennoch hat  Magnago mich zu seinem Nachfolger in der 6-er und 12-er Kommission bestimmt, denn er war immer der Ansicht, dass interne Diskussionen, auch sehr hart und kontroversiell, für die SVP wichtig sind.
Nicht ausgrenzen war sein Motto, sondern auch interne Kritiker ernst nehmen und für die gemeinsame Sache einspannen!
Eine Sammelpartei braucht alle, besonders jene, die nicht immer im bequemen Strom der Mehrheit mitschwimmen.
Gemeinsam mit meinen Kollegen in Rom, insbesondere Siegfried Brugger und Daniel Alfreider sowie den Landeshauptleuten Durnwalder und Kompatscher, ist es gelungen, seit dem Paketabschluss über 80 Durchführungsbestimmungen durch den Ministerrat zu bringen, den Namen Südtirol in die italienische Verfassung zu schreiben, die Region zurückzudrängen, 6 Mal das Autonomiestatut zu ändern und viele andere Gesetze durchzusetzen. Dazu haben wir ein Wahlgesetz erreicht, das uns heute, trotz Verkleinerung des Parlaments um 1/3, die gleich starke Vertretung in Rom ermöglicht, wie wir sie seit jeher hatten. Mit vereinten Kräften (dank LH und Julia) ist sogar die Begnadigung von Heinrich Oberleiter durch Staatspräsident Sergio Mattarella gelungen, wofür wir 30 Jahre lang still und leise gearbeitet haben!
 
 
 
Das sind keine Selbstverständlichkeiten meine Freunde! Wir kriegen in Rom nichts geschenkt! Das ist auch ein Ergebnis der richtigen Strategie, die wir über viele Jahre erfolgreich umgesetzt haben!
Jetzt werden einige sagen, ja ja das waren halt andere Zeiten…
Ich hingegen glaube, dass der Schlüssel für den Erfolg immer der gleiche ist, ganz egal wer in Rom regiert:
 
  • Handschlagqualität und Ehrlichkeit,
  • Freunde, die auch in schwierigen Situationen zu uns stehen, geschickte Bündnispolitik,
  • Geschlossenheit unter den Mandataren und konstante Absprache mit LH,
  • ein Programm und eine klare Strategie.
Wenn ich mir die heutige Situation ansehe, habe ich großes Bauchweh.
 
 Wenn ich mir die heutige Situation ansehe, habe ich großes Bauchweh.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem PD wurde mir nichts dir nichts aufgekündigt.
 
 
Vergessen wir nicht, dass es Persönlichkeiten wie Sergio Mattarella, Romano Prodi, Enrico Letta, Matteo Renzi, Pierluigi Bersani und Bressa waren, die immer ein offenes Ohr für uns hatten und das waren halt mal keine Rechten oder Leghisti!
Ich hoffe nur, dass uns diese Mir-Sein-Mir-Politik nicht auf den Kopf fällt. Wir sind nur 350.000 und dürfen nicht glauben, dass in Rom die anderen 60 Millionen auf uns warten. Wir brauchen Freunde und verlässliche Partner in Rom und in Bozen. Das heißt auch, dass man nicht immer nur nehmen kann, sondern auch selbst etwas geben muss.
 
Ich hoffe nur, dass uns diese Mir-Sein-Mir-Politik nicht auf den Kopf fällt.
 
Gar manche in unserer Partei liebäugeln seit geraumer Zeit mit der Lega und Forza Italia, die mit den Fratelli und ihrer Fiamma Tricolore im Boot sitzen. Also Salvini und Berlusconi anstatt Letta und Prodi?  Kein guter Tausch finde ich!
Denn bisher sind die Rechten nicht gerade als Autonomiefreunde aufgetreten.
Dazu kommen noch die diversen, leider hausgemachten Skandale, die unsere Partei immer wieder erschüttern.  Man hat den Eindruck, dass es keine roten Linien mehr gibt, siehe SAD-Affäre. Anstatt das schnell und konsequent aufzuarbeiten, wurde versucht, etwas zuzudecken, was nicht zugedeckt werden kann, darf und soll.
 
Die Überbringer der schlechten Nachricht wurden auf die Anklagebank gesetzt, diffamiert, ausgegrenzt und aus heiterem Himmel zum Rücktritt aufgefordert.
 
Die Überbringer der schlechten Nachricht wurden auf die Anklagebank gesetzt, diffamiert, ausgegrenzt und aus heiterem Himmel zum Rücktritt aufgefordert.
Wir torkeln von einem Skandal in den anderen, wie ein Schiff ohne Kurs, ohne Linie!
Das alles tut uns nicht gut, liebe Freunde!
Es ist wirklich 5 vor 12, wie auch die letzten Umfragen zeigen!
 
 
 
Ich finde das irrsinnig schade, wie eine der wenigen großen traditionsreichen Volksparteien, die es in Europa noch gibt, sich auf diese Weise selbst demontiert.
Ich glaube Magnago würde sich die Haare raufen, wenn er noch unter uns wäre. Wir sind nämlich dabei, den erfolgreichen Weg, den er uns gewiesen hat, zu verlassen.
 
Wir torkeln von einem Skandal in den anderen, wie ein Schiff ohne Kurs, ohne Linie!
 
Dabei braucht Südtirol die SVP, es gibt keine Alternative zu unserer Sammelpartei!  Wir sind die Autonomiepartei und niemand anders sonst. 
Aber es ist es noch nicht zu spät.
Unsere Parteibasis, unsere Wurzeln, sind gesund. Die vielen Ehrenamtlichen, die Bürgermeister und die kapillare Organisation vor Ort, sind unsere Stärke. Es gibt auch keine Partei, die so basisdemokratisch organisiert ist wie wir.
 
 
Wir haben außerdem das Glück einen überaus kompetenten und integren Landeshauptmann zu haben. Arno Kompatscher ist, das zeigen alle Umfragen, bei den Wählern fast doppelt so beliebt wie unsere Partei. Ringsum, im Süden wie im Norden beneiden uns alle um ihn. Er ist sozusagen unsere Trumpfass, unser Aushängeschild, er steht für das moderne Südtirol.
 
Anstatt unseren Landeshauptmann  zu stützen, arbeiten sie gegen ihn, Nadelstich um Nadelstich, wohl um ihn mürbe zu machen, damit er vielleicht hinwirft. Immer wieder unterminieren manche die Entscheidungen der eigenen Partei und der Landesregierung,  mehr noch als die Opposition und das kann es wohl nicht sein!
 
Aber was tun einige von uns? Anstatt ihn zu stützen, arbeiten sie gegen ihn, Nadelstich um Nadelstich, wohl um ihn mürbe zu machen, damit er vielleicht hinwirft. Immer wieder unterminieren manche die Entscheidungen der eigenen Partei und der Landesregierung,  mehr noch als die Opposition und das kann es wohl nicht sein!
Das leistet sich in Europa sonst keine Partei, dem eigenen erfolgreichen und beliebten Regierungschef immerzu an den Karren zu fahren und letztlich am Ast zu sägen, auf dem wir selber sitzen. Eigentlich ist das nichts anderes als politischer Selbstmord auf Raten!
Gestritten wurde in der Volkspartei immer, aber wenn es um die Sache ging, sind wir immer zusammengestanden. Das ist derzeit leider nicht mehr der Fall.
Wir alle müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Weiter so geht nicht!
Ich weiß, dass der Job als Parteiobmann kein einfacher ist, aber ohne Farbe zu bekennen, ohne Schulterschluss mit dem LH, und da meine ich nicht nur Lippenbekenntnisse, werden wir keine Wahl mehr gewinnen. Die Leute draußen wollen wissen, wofür die SVP steht, sie wollen Ruhe an der Spitze und keine internen Lagerkämpfe.
Wir müssen Kurs halten, auch bei Gegenwind oder wenn eine einflussreiche Zeitung dagegen anschreibt.
 
 
Unsere Mitglieder wollen eine saubere Partei, mit Mandataren, die die Privatinteressen vor dem Allgemeinwohl zurückstellen. Das heißt, bereit zu sein, auf einen eigenen finanziellen Vorteil verzichten, wenn es  die eigene Partei sonst beschädigen könnte. Wenn man in der Politik ist, kann eben nicht das gleiche tun wie ein x-beliebiger Privater. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist traurig genug, dass wir über einen Ehrenkodex diskutieren müssen.
In der Partei braucht es alle, Frauen, Arbeitnehmer, Bauern und  Wirtschaft. Auch die Minderheiten in der Partei sind wichtig, von Magnago bis Theiner haben alle Parteiobleute immer geschaut, damit diese nicht von der Mehrheit untergebuttert werden. Sonst würde es unsere Partei schon lange nicht mehr geben. Die Wahrung des Charakters der Sammelpartei ist die erste Aufgabe der Parteiführung.
 
Wir müssen Kurs halten, auch bei Gegenwind oder wenn eine einflussreiche Zeitung dagegen anschreibt.
 
Verzeiht mir meine Offenheit und meine klaren Worte, die sicher nicht allen gefallen werden, aber ich glaube, es bringt nichts, die Dinge schönzureden, wenn wir etwas verbessern wollen.
Es ist noch nicht zu spät, wenn wir es wollen, können wir es gemeinsam schaffen. Wir können das Ruder noch herumreißen. Es liegt allein an uns.
Lang lebe die Volkspartei!
 
Fotos: Othmar Seehauser