Kultur | Salto Afternoon

Der reale Rassismus fantastischer Fans

Amazon zeigt seit Kurzem die lang erwartete Serie im Herr-der-Ringe-Universum. Wellen schlägt nicht eigentliche Qualität, sondern der Aufschrei reaktionärer Stimmen.
Ringe der Macht
Foto: amazon

Es soll im Folgenden nicht um den Inhalt der groß angelegten Serie mit dem Namen „Die Ringe der Macht“ gehen. Nicht um ihre Qualität, ihre Stärken und Schwächen. Interessanter scheint der Umgang mit der Serie, weit vor ihrem Erscheinen, und nun, da sie im Äther des Internets schwebt. Bereits seitdem man die ersten Bilder, bewegt oder unbewegt sah, war die Aufregung in gewissen Kreisen groß. Schwarze Elben, dazu noch kurzhaarig? Schwarze Zwerge, und ein verweichlichter, junger Sauron? Das ist nicht das Herr-der-Ringe, das ich kenne, das entspricht nicht Tolkiens Vision! Einem Kindergarten gleich wird sich online echauffiert, Amazon würde das Erbe des Schriftstellers mit Füßen treten, nur um, so der Vorwurf, der linken, „woken“ Szene zu gefallen. Noch vor einigen Monaten kritisierte ich den Umgang Amazons mit Diversität, nämlich als verkündet wurde, dass fortan bei Eigenproduktionen nur mehr besetzt wird, was man selbst auch ist. Das fällt im Falle einer Fantasy-Geschichte natürlich schwer, Zwerge, Hobbits und Zauberer gibt es in der uns bekannten Realität (noch) nicht. Aus diesem Grund kann jene Debatte ausgeklammert werden, und eigentlich sollte Grund zur Freude auf allen Seiten sein: Vor dem Hintergrund einer fantastischen Welt kann besetzt werden, wer möchte. Man muss nicht fürchten, am Realitätscheck zu scheitern. Würde man meinen. Der Mob ist laut und er schreit. Man solle die Serie boykottieren, und mit negativen Bewertungen diffamieren. Das geschah so weit, bis Amazon selbst die Bewertungen zumindest zeitweise abschaltete.

 

Aber was ist nun der Kern des Problems? Die Fans Tolkiens sind sich teils uneinig, inwiefern etwa farbige Figuren im Herrn der Ringe einen Platz haben. In den Büchern werden manche Völker genauer beschrieben als andere, Platz für Spekulation bleibt. Das Argument, dass man doch von den Büchern abweichen dürfte, lassen viele nicht gelten. Man fordert von der Serie, nahtlos an den Umgang mit Völkern anzuschließen, wie er in Peter Jacksons Film-Trilogie gehandhabt wurde. Sprich: Ausschließlich weiße Völker, höchstens die Bösen aus dem Osten dürfen etwas dunklerer Tönung sein.

 

Die Fangemeinde muss eines begreifen. Der „Herr der Ringe“ ist von solch hohem mythologischen Charakter, dass man ihn ohne Zweifel als modernen Mythos bezeichnen kann. Damit reiht er sich ein in die Reihe großer Werke von Homer oder Shakespeare. Besonders letzterer Autor wird jährlich unzählige Male neu interpretiert. Die Handlungen werden an neue Orte verfrachtet, die Figuren erfahren Veränderungen, äußerlich wie innerlich. Selten schreit da jemand. Selten kritisiert da jemand die Untreue zum Original. Wie schön wäre es, könnte man Tolkiens Werk gleich behandeln. Als Blaupause für weitere Interpretation. Ob der Autor selbst schwarze Elben gelten ließe, lässt sich nicht beantworten. Als Kind seiner Zeit, vermutlich nicht. Doch das ist auch völlig egal. Jüngere Generationen haben das Recht, das Werk neu auszulegen, die Regeln zu ändern, und so weiterzuentwickeln.

 

All das wird jedoch nicht gehört. Der Grund dafür ist einfach. Der harschen Kritik, dem Hass gegenüber nicht-weißer Mitglieder des Casts wohnt ein tief sitzender Rassismus inne. Einer, der von sich behauptet keiner zu sein, und sich stattdessen hinter vermeintlicher Liebe zum Original versteckt. Man sagt von sich, nicht rassistisch zu sein, stört sich aber an schwarzen Charakteren in seinem Lieblings-Universum. Das Gewohnte und Gekannte wird verändert, nicht einmal auf den Kopf gestellt, sondern nur geringfügig weltoffener gestaltet. Eine Veränderung, mit der man sich nicht auseinandersetzen möchte. Alles soll so bleiben, wie es ist. Am besten so werden, wie früher. Das ist reaktionär. Für die diverse Besetzung in der neuen Serie zu sein, hat nichts mit dem Kampfbegriff der Wokeness zu tun. Gegner der Serie würden nun widersprechen, und den Vorwurf des Reaktionsmus von sich stoßen. Dem ist nur zu erwidern: Wer ein fiktives (!) Universum derart ernst nimmt, dass er oder sie sich an farbigen Schauspieler*innen stört, da es vorgeblich nicht dem Willen des Schöpfers entspricht, der hat entweder keine anderen Probleme, oder ein einziges großes mit sich selbst.

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Salto User
Manfred Gasser Fr., 09.09.2022 - 14:24

Erinnert mich irgendwie an "Winnetou", kann mich aber auch täuschen, und hier geht es um ganz was anderes.
P.S. Wir haben immer noch einen schwarzen heiligen König, und spielen auch noch Cowboy und Indianer, ist das schlimm?

Fr., 09.09.2022 - 14:24 Permalink
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Stefan Achmüller Fr., 09.09.2022 - 16:05

Ich finde es genial. Das Marketing von Amazon meine ich. Kritik am Inhalt wird flugs Mundtot gemacht. Sofort auf Angriff blasen: Alles Rassisten. Dieser Artikel ist ein gutes Beispiel dafür.

Fr., 09.09.2022 - 16:05 Permalink
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Karel Hyperion Sa., 10.09.2022 - 13:40

Shakespeare und Homer halten der Menschheit den Spiegel vor und arbeiten sich an den grundlegenden Fragen von deren Existenz ab. Der Herr der Ringe ist ein tolles und höchst kurzweiliges Fantasy-Epos, aber in eine Reihe mit den beiden anderen würd ich Tolkien jetzt nicht stellen.

Sa., 10.09.2022 - 13:40 Permalink
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Maximi Richard So., 11.09.2022 - 00:44

Nach den neuesten verfügbaren Daten sind 60 % der US-Bevölkerung Weiße, 19 % Hispanoamerikaner, 12 % Afroamerikaner und 6 % Asiaten (andere Ethnien: 3%).
Amazon, Netflix und die anderen versuchen diese „Proporz“ in ihren Produktionen zu respektieren.

So., 11.09.2022 - 00:44 Permalink