Politik | Elezioni 22 Wahlen
Gefährliche Gelassenheit
Foto: SVP
Parlamentswahlen sind ein bisschen wie Olympia.
Es gilt zwar nicht das Fairnessgebot der Spiele, doch in einem entscheidenden Punkt gehen die Spiele und die Wahlen im Gleichschritt: Das Einzige was zählt, ist der Sieg.
Gewinnt eine Sportlerin oder ein Sportler bei Olympia die Goldmedaille, fragt niemand mehr in welcher Zeit, mit welcher Weite oder mit welchem Torverhältnis gewonnen wurde. Jemand kann das schlechteste Rennen und Ergebnis seiner Laufbahn abliefern, im Schein der olympischen Goldmedaille zählt das alles nicht mehr.
Genauso ergeht es jetzt der SVP. Die Volkspartei hat das deutlich schlechteste Wahlergebnis ihre 77-jährigen Geschichte bei Parlamentswahlen eingefahren. Doch man tut so, als sei das Ganze nur ein kleiner Betriebsunfall.
„Wir haben unser zentrales Wahlziel erreicht“, erklärte SVP-Obmann Philipp Achammer bereits am Montagvormittag auf der offiziellen Pressekonferenz seiner Partei. Achammer: „Wir gehen gestärkt in ein Parlament mit einer reduzierten Mitgliederzahl. Wir stellen fünf der sechs Südtiroler Parlamentarier“.
Wahlziel erreicht? Gestärkt aus dieser Wahl hervor?
Die nackten Zahlen und Daten zu den Parlamentswahlen in Südtirol sagen zwar genau das Gegenteil, aber in einem hat der SVP-Obmann Recht: Die SVP hat ihren Alleinvertretungsanspruch in Rom dennoch (fast) halten können.
Dabei sollte dieser Wahlgang für die Volkspartei eigentlich ein Weckruf sein. Noch nie wurde die Südtiroler Regierungspartei vor allem in ihren traditionellen Kerngebieten von den Wählerinnen und Wählerinnen so abgewatscht wie bei den Parlamentswahlen am 25. September 2022.
Edelweiss im Sinkflug
Wie sehr sich der Stern der SVP in einer Art Sinkflug befindet, zeigt ein Vergleich der Ergebnisse der Parlamentswahlen in den vergangenen 20 Jahren.
Bei den Parlamentswahlen 2001 trat noch Silvius Magnago im Verhältniswahlkreis der Kammer an und schaffte 60,5 Prozent. Danach aber startet der Abwärtstrend. Bei den Parlamentswahlen 2006 sind es 53,4 Prozent, 2008 nur mehr 44,3 Prozentpunkte. 2013 kommt die SVP auf 44,2%.
2018 wird das Wahlrecht geändert. Jetzt werden Einmannwahlkreise und das Mehrheitswahlrecht auch in der Kammer eingeführt. Im Wahlkreis Brixen schafft Renate Gebhard 2018 für die SVP 65 Prozent. An diesem Sonntag ist es aber deutlich weniger.
Durch die Verkleinerung der Abgeordnetenkammer wurden aus den ursprünglichen drei Südtiroler Wahlkreisen zwei größere Wahlkreise. Renate Gebhard und die SVP kommen jetzt im Wahlkreis Nord nur mehr auf 57,41 Prozent. Das ist ein Minus von mehr als 7,5 Prozentpunkten. Wobei sich die Verluste im Wahlkreis mehr oder weniger quer durch alle Gemeinden ziehen.
Vinschger Wind
Sowohl im Kammerwahlkreis Nord wie auch im Senatswahlkreis Meran brach die SVP am Sonntag im Vinschgau überdurchschnittlich ein.
Die amtierende Meraner Senatorin Julia Unterberger hat im Vergleich zu 2018, wo sie noch 61,1 Prozent der Stimmen bekommen hat, nur mehr 47,84 Prozent erreicht. Das ist ein Verlust von 13,26 Prozentpunkten.
Es ist die Rechnung, die die Vinschger Wählerinnen und Wähler nach dem erzwungenen Abgang des Vinschger Kammerabgeordneten Albrecht Plangger der SVP servieren. Am Unterberger-Ergebnis wird deutlich, wie wackelig die Volkspartei im Vinschger Wind derzeit dasteht. So hat die SVP in Schnals 40,6 Prozentpunkte verloren und in Taufers im Münster 38,35 Prozentpunkte. In Mals steht ein Minus von 37,32 Prozentpunkten zu Buche. In Schluderns -33,23, Martell - 32,12, Graun - 29,8 Glurns - 27,72, Stilfs - 26,82, Latsch - 23,63 und Plaus -23,34 Prozent.
Klar ist auch, wohin diese Stimmen gewandert sind. Der Malser Unternehmer und Viehzüchter Markus Hafner, im Senatswahlkreis für das Team K ins Rennen gegangen, hat einen Achtungserfolg eingefahren. Hafner bekommt in seiner Heimatgemeinde Mals 34,25 Prozent der Stimmen. In Glurns sind es 23,53%, in Taufers im Münstertal 23,27%, in Schluderns 22,12%, in Graun im Vinschgau 21,78% und in Martell 20,69%.
Dass der authentische Bauer aber auch außerhalb seine Heimatbezirkes funktioniert, zeigt sich am Ergebnis im Sarntal. Dort schaffen das Team K und Markus Hafner immerhin 11,72 Prozent.
Minus 20 Prozent
Die eindeutig größte Watschen erhält die SVP aber im Pustertal. Dort fährt der amtierende Senator Meinhard Durnwalder landesweit die höchsten Verluste ein. 2018 schaffte Durnwalder in seinem Wahlkreis noch 66,5 Prozent. Viereinhalb Jahre später sind es nur noch magere 46,11%. Das ist ein Minus von 20,39 Prozentpunkten.
Durnwalder und die SVP verbuchen in Gais ein Minus von 35,57 Punkten, in Vintl -33,40, im Ahrntal - 33,32, in Rodeneck -32,4, in Mühlbach 31,99, in Mühlwald -31,90 in Percha -31,06 und in Barbian - 30,52 Prozent.
Meinhard Durnwalder gibt sich am Tag nach der Wahl gelassen. Seine Argumentation: Es habe das erste Mal mit Hans Heiss und Ulli Mair in seinem Wahlkreis ernsthafte oppositionelle Gegenkandidaten gegeben.
Dabei geht aus den offiziellen Wahlergebnissen klar und deutlich hervor, dass diese Wahl ein Fingerzeig für den Pusterer SVP-Bezirksobmann sein sollte. Denn in denselben Gemeinden, in denen SVP im Senat bis zu 30 Prozentpunkte verliert, sind die Verluste in der Abgeordnetenkammer deutlich geringer. Und auch dort ist mit Franz Ploner ein Kaliber für das Mitte-Links-Bündnis angetreten und hat ein hervorragendes Ergebnis geschafft.
Geglücktes Bündnis
Es war eine Schwergeburt: das Bündnis der Südtiroler Mitte-Links-Kräfte. Am Ende kam dann eine Lösung heraus, die sich bei diesen Parlamentswahlen als Erfolg herausgestellt hat. Eine gemeinsame Liste von Grüne/Sinistra Italiana, PD, + Europa und Impegno civico, die in den meisten Fällen auch vom Team K aktiv unterstützt wurde. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Wobei man auch dort gut abgeschnitten hat, wo man getrennt marschiert ist. Etwa im Senatswahlkreis Brixen. Hans Heiss schafft dort 15,58 Prozent. Seine Hochburgen sind Völs (22,32%), Brixen (20,91%), Natz-Schabs (20,65%) und Bruneck (20,22%). Dass man diesen Ergebnis besonders bewerten muss, liegt daran, dass im Senatswahlkreis Brixen mit der PD-Kandidatin Renate Prader (6,13%) und der Team-K-Kandidatin Monika Senfter (6,68%) gleich zwei Parteien angetreten sind, die in der Kammer oder im Senatswahlkreis Bozen zum gemeinsamen Wahlbündnis gehören.
Das ist dann auch einer der Gründe warum die Ergebnisse in der Abgeordnetenkammer deutlich höher sind. So erreicht der Mitte-Links-Kammerkandidat Franz Ploner im Wahlkreis Nord 19,64 Prozent der Stimmen. Ploner und seine Liste kommen in Sterzing - wo der pensionierte Primar lange als Krankenhausleiter tätig war - auf 28,29 Prozent der Stimmen. Aber auch in Bruneck mit 27,06%, in Pfitsch mit 25,99%, in Freienfeld mit 25,60% oder in Brixen mit 25,28% erhält der oppositionelle Kandidat über ein Viertel der abgegebenen Stimmen.
Aber auch im Kammerwahlkreis Süd fährt das Mitte-Links-Bündnis einen vollen Erfolg ein. Elide Mussner schafft im Wahlkreis Bozen-Unterland sogar 22,44 Prozent. Absoluter Hochburg ist dabei die Landeshauptstadt Bozen mit 29,34 Prozent. Es folgen Auer (21,71%) und Leifers (21,31%).
Senator Gigi
Doch den größten Erfolg fährt das Mitte-Links-Bündnis im Senatswahlkreis Bozen an. Dort wird mit Luigi Spagnolli der einzige Nicht-SVP-Parlamentarier in Südtirol nach Rom gewählt.
Dass es ein Dreikampf zwischen Spagnolli, Maurizio Bosatra für das Rechtsbündnis und dem SVP-Kandidaten Manfred Mayr werden würde, war von vornherein klar.
Dass der Ausgang aber so knapp werden wird, hätte wohl niemand erwartet. Am Ende entscheiden 1.111 Stimmen über Sieg oder Niederlage. Maurizio Bosatra erhält 20.985 Stimmen und 24,81 Prozent, Manfred Mayr 21.401 Stimmen und 25,54%, Luigi Spagnolli gewinnt mit 21.894 Stimmen oder 26,13 Prozent der Stimmen. Entscheidend ist die Landeshauptstadt Bozen, wo der ehemalige Bürgermeister sich mit 31,27 Prozent gegen Bosatra mit 30,13 Prozent durchsetzt, Der Unterschied: 555 Stimmen.
An diesem Wahlsonntag wird in diesem Wahlkreis aber auch eine politische Streitfrage klar beantwortet. Der Alleingang der SVP in Senatswahlkreis Bozen-Unterland mit einem eigenen Kandidaten wurde im Vorfeld massiv kritisiert. Die Tatsache, dass Manfred Mayr am Ende nur sehr knapp gescheitert ist, gibt den Strategen unterm Edelweiss zumindest aus wahlarithmetischer Sicht auf ganzer Linie Recht.
Müde Brüder Italiens
Deutlich unter den Erwartungen ist in Südtirol jene Mitte-Rechtskoalition geblieben, die auf Staatsebene der großer Sieger dieser Parlamentswahl ist. Im Kammerwahlkreis Bozen kommt das Bündnis aus Fratelli d’Italia, Lega, Forza Italia und Noi moderati mit Spitzenkandidatin Sabrina Adami auf 25,08 Prozent. Im Kammerwahlkreis Nord schauen für die Kandidatin Paola Binetti nur magere 10,40 Prozent heraus. Maurizio Bosatra kommt im Senatswahlkreis Bozen auf 24,81 Prozent und Andrea Causin stürzt im Senatswahlkreis Brixen mit 6,97 Prozent völlig ab. Landtagspräsidentin Rita Mattei kommt im Senatswahlkreis Meran immerhin auf 10,44 Prozent.
Sicher ist: Die Entscheidung, bei diesem Wahlen vor allem auf importierte landesferne Kandidatinnen und Kandidaten zu setzen, hat sich als Fehler erwiesen.
Rechte Hochburgen sind auch bei dieser Wahl die Städte Leifers mit 40,95 Prozent, Bozen mit 33,67% und Meran 28,73%. Aber auch im Unterland wählt man rechts: Branzoll (37,56%), Pfatten (36,36%), (Salurn 30,71%).
Traditionell ist der Zuspruch für Mitte-Rechts bei Parlamentswahlen auch in den ladinischen Täler besonders hoch. Das zeigt sich auch bei diesem Wahlgang. Die siegreiche Meloni-Koalition holt in Corvara 31,03 Prozent der Stimmen, in Wolkenstein 23,74%, Abtei 21,49%, Wengen 20,93% und in St. Christina (20,34%).
Blaues Comeback
Auch die Südtiroler Freiheitlichen geben bei diesen Wahlen ein klares Lebenszeichen. Sie traten nur in den drei Südtiroler Senatswahlkreisen an.
Ulli Mair kommt im Schatten von Meinhard Durnwalder und Hans Heiss im Senatswahlkreis Brixen auf 8,89 Prozent. Die Südtiroler Blauen holen in Rodeneck 18,27% der Stimmen, in Vintl 17,11%, in Mühlbach 16,28%, in Moos im Passeier 15,06%, in Mühlwald 15,03%, in Terenten 14,93%, in Villanders 14,90%, in Ulten 14,87% und im Ahrntal 14,85%. In drei Dutzend Gemeinden schafften die Freiheitlichen ein zweistelliges Ergebnis.
Das beste Wahlergebnis auf Gemeindeebene für die Freiheitlichen gab es am Sonntag mit 24,05 Prozent in Partschins. Dort trat Sabine Zoderer an, die im Senatswahlkreis Meran 7,68 Prozent schaffte. Mit 2,38 Prozent ist Otto Mahlknecht im Wahlkreis Bozen deutlich unter den Erwartungen geblieben.
Neue Realität
Am Rande der großen traditionellen Parteien hat diese Parlamentswahl in Südtirol aber auch eine neue politische Realität zu Tage gefördert, die man spätestens ab diesem Sonntag kaum mehr verdrängen kann.
Die impfkritische Bewegung „Vita“ hat bei diesen Wahlen mehr als nur ein klares Lebenszeichen von sich geben. Im Senatswahlkreis Bozen schafft Hannes Loacker 6,21 Prozent, im Senatswahlkreis Meran kommt Susanna Singer auf 6,99 Prozent und im Senatswahlkreis Brixen erhält der Psychiater Rudolf Schöpf 5,99 Prozent der Stimmen. Dasselbe Bild in der Kammer. Die Bozner Rechtsanwältin Renate Holzeisen schafft im Wahlkreis Süd 6,61 Prozent und Francesco Cesari kommt im Wahlkreis Nord auf 7,92 Prozent.
Dabei stechen aber die Teilergebnisse heraus. So holt Vita in der Abgeordnetenkammer in St. Pankraz 25,83%, in Altrei 20,00%, in Aldein 17,42%, in Ulten 17,23%, in Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix 15,62%, in Tscherms 15,44%, in Montan 14,22%, in Truden 13,17%, in Schenna 12,54%, in Kurtatsch 12,07%, in Lana 11,78%, in Kaltern 11,75% in Karneid 11,39% und in Tisens 11,26%.
Es wird kaum damit getan sein, alle diese Wählerinnen und Wähler als „Spinner“ oder „Verschwörungstheoretiker“ abzutun. Die traditionellen Parteien - allen voran die SVP - werden sich wohl oder übel auch mit diesem Teil der Gesellschaft beschäftigen müssen.
Sonst dürfte dieser Wahlgang nur ein Vorgeschmack darauf gewesen sein, was der Südtiroler Regierungspartei bei den Landtagswahlen in einem Jahr blühen könnte.
Arno Kompatscher, Philipp Achammer & Co werden dann nicht nur die Impfskeptiker fürchten müssen.
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Kompatschers Ansage, dass
Kompatschers Ansage, dass "nur die in Südtirol Gewählten über Südtirol reden dürfen," ist mehr als ein peinlicher Ausrutscher.
War das "ZENTRALE" Ziel der
War das "ZENTRALE" Ziel der Svp mit zweistelligen Verlusten zu erklären? Hört auf das Volk zu verblödeln,1 un1 ist immer noch zwei das weiss sogar schon ein "Kindergartenkind"
Durnwalder hat 3 mal so viele
Durnwalder hat 3 mal so viele Stimmen bekommen wie Heiss (Protestwähler). Immer noch ein sehr starkes Ergbenis.
Antwort auf Durnwalder hat 3 mal so viele von Michael Kerschbaumer
Freue mich auf die Svp
Freue mich auf die Svp Stimmenverluste 2023, da geht dann ein anderer Wind wenn nicht ein Zunami!
"Die Tatsache, dass Manfred
"Die Tatsache, dass Manfred Mayr am Ende nur sehr knapp gescheitert ist, gibt den Strategen unterm Edelweiss zumindest aus wahlarithmetischer Sicht auf ganzer Linie Recht." Dies ist meiner Meinung nach ein Trugschluss, angesichts des knappen Wahlergebnisses. Die Strategen der SVP haben das Riesenglück, dass der Gigi nach Rom fährt. Hätte der Lega-Kandidat gewonnen, dann wäre die Strategie des eigenen Kandidaten komplett in die Hose gegangen. Und viel hat dazu nicht gefehlt. Und wenn Herr Mayr gewonnen hätte, dann würden Urzì und Biancofiore von sich behaupten, im Namen aller italienischsprachigen Südtiroler zu sprechen.
Antwort auf "Die Tatsache, dass Manfred von Otto Rosenberg
genau, dazu wäre dann kein
genau, dazu wäre dann kein Italiener IN Südtiroler gewählt worden, die zwei Rechten sind ja durch italienische Wähler in anderen Provinzen nach Rom gekommen. Das Verhalten der SVP war jämmerlich.
Gute Regierungsarbeit ist die
Gute Regierungsarbeit ist die beste Wahlwerbung.
Aufgrund der rechten
Aufgrund der rechten Regierung in Rom, wird meiner Meinung nach nächstes Jahr die SVP Stimmen gewinnen.
Antwort auf Aufgrund der rechten von Maximi Richard
Nein, sie hat ja auch jetzt
Nein, sie hat ja auch jetzt verloren, obwohl der Sieg der Rechten sicher war.