Zwei Wochen nach der Wahl lässt man sich mit der Bildung des neuen Parlaments Zeit. Im Hohen Haus gelten auch in der Internet-Ära bizarre Rituale. So erhält jeder Gewählte ein Telegramm, das seine Kür zum Abgeordneten oder Senator offiziell bestätigt und das auf der ersten Sitzung des neuen Parlaments vorgelegt werden muss. Erste Amtshandlung ist die Wahl des neuen Präsidiums. Dass die Sitzung von einem prominenten Überläufer geleitet wird, kann als untrüglicher Beweis dafür gewertet werden, dass die traditionellen Unsitten der italienischen Politik auch in Zukunft Bestand haben werden. Ettore Rosato, dienstältester Vizepräsident der Abgeordnetenkammer gehört zu jenen, die sich vor einigen Jahren auf der Liste des partito Democratico wählen liessen, um dann mit Matteo Renzi den gewohnten cambio di casacca zu vollziehen und die neue Partei Italia viva zu gründen. Nach ihm ist auch das derzeit geltende und umstrittene Wahlrecht Rosatellum benannt.
Im Hohen Haus gelten auch in der Internet-Ära bizarre Rituale. So erhält jeder Gewählte ein Telegramm, das seine Kür zum Abgeordneten oder Senator offiziell bestätigt und das auf der ersten Sitzung des neuen Parlaments vorgelegt werden muss.
Giorgia Meloni drängt indessen zur Eile. Erste Amtshandlungen des neuen Parlaments sind die Wahl der Präsidenten von Kammer und Senat. Nach dem Willen Melonis soll Elisabetta Casellati Senatspräsidentin bleiben, als Nachfolger des scheidenden Kammerpräsidenten Roberto Fico ist der Altfaschist Ignazio La Russa im Gespräch, der schon 1971 Verantwortlicher des ultrarechten fronte della gioventù war.
Der unaufhaltsame Aufstieg Giorgia Melonis an die Spitze der italienischen Regierung sorgt indessen in der EU weiterhin für teilweise herbe Kritik. Die französische Europa-Ministerin Laurence Boone sieht "wichtige Grundwerte der EU und die Rechtsstaatlichkeit" in Gefahr. Staatspräsident Sergio Mattarella erwidert postwendend: L´Italia sa badare a se stessa.
Im britischen Tagblatt The Guardian beleuchtet indessen der italienische Erfolgsautor Roberto Saviano in einem ausführlichen Artikel die Gefahren, die von Meloni ausgehen könnten: "Giorgia Meloni presents a danger to the democratic balance in Europe. Her leadership looks to be the antithesis of what Italy needs – and not just at this difficult moment.The danger arises for Europe because Italy has always been a laboratory: it has foreshadowed the crises of other countries.Italy had Mussolini before Hitler and the leftwing extremist Red Brigades before Action Directe appeared in France and the Red Army Faction followed suit in Germany. Italy had Berlusconi before the US got Trump. And after years of Berlusconi misrule, Italy produced the Five Star Movement, the first populist party led by a comedian, before the rest of Europe caught up. Five Star’s agenda was political disruption, often without any thought to the consequences."
In einer Videobotschaft an die verbündete spanische Rechtspartei Vox wirft Meloni einen Blick in die Zukunft: "Non siamo mostri. Ora le nostre idee diventeranno politiche di governo come in Polonia e nella repubblica ceca. Viva l`Europa dei patrioti !"
Indessen tritt das neugewählte Parlament am Mittwoch zu seiner ersten Sitzung zusammen. Die Optik ist nach der Reduzierung der Parlamentarier von 315 auf 200 im Senat und von 630 auf 400 in der Kammer erheblich verändert. Zahlreiche Bänke wurden entfernt, die Feiräume haben erheblich zugenommen.
In Rom hält mittlerweile das Minister-Toto weiterhin an. Das Tauziehen dürfte sich noch einige Tage hinziehen. Der scheidende Gouverneur der italienischen Notenbank, Ignazio Visco wird als zukünftiger Wirtschaftsminister gehandelt, Antonio Tajani als Innenminister. Auf erheblichen Widerstand stösst die Forderung Berlusconis, seine Vertraute Licia Ronzulli zur Unterrichtsministerin zu ernennen. Auch der seit Jahrzehnten bestens bekannte ehemalige Zivilschützer Giuseppe Guido Bertolaso ist wieder im Gespräch - dieses Mal als Gesundheitsminister. Bis alle caselle a posto sind, könnten noch etliche Tage vergehen.
Indessen tritt das neugewählte Parlament am Mittwoch zu seiner ersten Sitzung zusammen - der Premiere des reduzierten Parlaments.