Es ist eine Zeitenwende: zum ersten Mal in der Geschichte Italiens wird das Land von einer Frau regiert. Weniger positiv ist, dass es sich um eine Vertreterin der Postfaschisten handelt. Eile schien geboten: nach den Wirrnissen der vergangenen Tage, den Eskapaden von Silvio Berlusconi und dem üblichen totoministri war Meloni darauf bedacht, konkrete Zeichen zu setzen und Effizienz zu beweisen - auch angesichts der Skepsis, mit der in den EU-Hauptstädten von Berlin bis Paris nach Rom geblickt wird - besonders nach dem jüngsten theatralischen Konflikt zwischen Meloni und Berlusconi: "Serviremo l`Italia con orgoglio."
Was sofort auffällt: In der 24-köpfigen Ministerriege der ersten weiblichen Regierungschefin sitzen gerade mal 6 Frauen - ein Viertel des Kabinetts. Fünf sind parteilose Fachleute. Der Ex-Cavaliere Silvio Berlusconi wurde trotz seines Drängens in der Ministerliste nicht berücksichtigt - er bleibt jedoch nach dem jüngsten Austausch von Geschenken mit Putin eine mina vagante. Alles wurde im Eiltempo abgewickelt. Die neue Regierungschefin gab vor der Presse eine Erkärung ab, die kaum eine Minute dauerte - ein Rekord. Die erste Frau im römischen Chigi-Palast kann es kaum erwarten, nach Wochen des Tauziehens und der politischen Spekulationen zur Tagesordnung überzugehen und Zeichen zu setzen. Vizepremier und neuer Aussenminister wird mit Antonio Tajani ein Urgestein - seit Jahrzehnten in der Politik. Der 70-jährige Römer gehörte 1994 zu den Mitbegründern von Forza Italia, war lange EU-Abgeordneter und mehrmals EU-Kommissar. Kaum angebracht scheint Melonis Entscheidung, ihren Schwager Francesco Lollobrigida zum Landwirtschaftsminister zu befördern. Die Ernennung des Lega-Vertreters Roberto Calderoli zum Regionenminister wurde in Südtirol mit Genugtuung aufgenommen.
Der Ex-Cavaliere bleibt nach dem jüngsten Austausch von Geschenken mit Putin eine mina vagante.
Lega-Chef Matteo Salvini wird Vizepremier und Infrastrukturminister, mit seinem Parteikollegen Giancarlo Giorgetti übernimmt ein Draghi-Vertrauter und Ökonom das Wirtschafts- und Finanzressort. Das Gesundheitsressort geht an den Nuklearmediziner Orazio Schillaci von der römischen Universität Tor Vergata. Die Vertrauensabstimmungen in Kammer und Senat sollen am Dienstag und Mittwoch über die Bühne gehen. Dann kann die Arbeit der ersten, von einer Frau geleiteten Regierung offiziell beginnen beginnen. Surreal mutet die Umbenennung etlicher Ministerien an: Das Landwirtschaftsministerium heisst nun ministero dell`agricoltura e della sovranità alimentare, jenes per lo sviluppo economico erhält den den Zusatz e del made in Italy und das Unterrichtsministerium trägt den neuen Namen ministero della scuola e del merito. Das Familienministerium schliesslich erhält die Beifügung e della natalità. Eine Forderung Melonis kann man uneingeschränkt teilen: "Stop a Berlusconi." Wie sie im Detail verwirklicht werden soll, bleib vorerst unklar.