Kultur | Affäre

„Hellers Image ist beschädigt worden“

Der Meraner Journalist und Kulturchef des Falter, Matthias Dusini, hat André Heller einer Fälschung überführt. Dusini über den Scoop, die Folgen und den Hofburggarten.
Dusini, Matthias
Foto: Katharina Gossow
Die Geschichte ist so verrückt, dass sie kaum zu glauben ist.
André Heller zimmerte sich vor Jahren selbst einen Rahmen des hoch quotierten US-Künstlers Jean-Michel Basquiat (1961–1988) zusammen und gab ihn als Original aus. Und für die Nachahmung hätte der Wiener Multi-Media-Künstler beinahe drei Millionen Dollar bekommen.
Der 75-Jährige Heller und der US-Künstlers Jean-Michel Basquiat hatten sich um 1985 kennengelernt. Im Anschluss zimmerte der Österreicher, angeregt durch Arbeiten Basquiats, aus Besenstielen und einer zerschnittenen Zeichnung des Amerikaners eine exzentrische Konstruktion, in die er Dutzende Nägel hämmerte. 2016 gab Heller diesen Rahmen gegenüber einem Experten als Original aus. Der Experte erklärte das Kunstwerk zu einem echten Basquiat, sodass es bei einer Kunstmesse 2017 für drei Millionen Dollar angeboten wurde. Ein früherer Assistent des US-Malers zweifelte aber an der Herkunft des Objekts, das allerdings dann noch für 800.000 Euro den Besitzer wechselte.
Der Meraner Journalist Matthias Dusini schreibt seit über 20 Jahren für das Wiener Stadtmagazin „Falter“. Seit 2010 ist er im Falter auch Kulturchef. Dusini hat die Affäre ausgegraben und recherchiert. Sein vor drei Tagen erschienen Artikel „André Hellers Millionenmärchen“ hat weit über Österreich hinaus für Aufsehen gesorgt.
 
 
 
Salto.bz: Herr Dusini, Sie sind dabei durch Ihren Scoop ein österreichischen Denkmal vom Sockel zu stoßen. Ist für Sie André Heller ein Fälscher?
 
Matthias Dusini: Begriffe wie Fälscher und Betrüger müssen Juristen klären, da kenne ich mich nicht so genau aus. Für jemand, der André Heller für viele Dinge immer sehr geschätzt hat, stellt sich eher eine moralische Frage. Wie kommt einer, der in vielen Reden und bei öffentlichen Auftritten ethische Maßstäbe eingefordert hat, auf so eine blöde Idee? Mit seinem Prank hat Heller ja nicht nur einen angesehenen Wissenschaftler und eine renommierte Galerie beschädigt. Sondern er macht sich indirekt auch über einen längst verstorbenen Künstler lustig, dessen Zeichnungen er zerschnitten und übermalt hat. Nach dem Motto: das kann ich auch. 
 
Heller selbst spricht von einem „kindischen Streich“. Eine nachvollziehbare Erklärung?
 
Immer wenn man mit Heller spricht, schweift er in die goldene Zeit der Wiener Kaffeehäuser ab. Als er mit Helden der Bohéme wie Helmut Qualtinger oder HC Artmann herumgesessen ist. Die Dichter der Nachkriegszeit haben ja tatsächlich allerhand tollen Schabernack ausgeheckt, ich denke etwa an den berühmten Streich von Qualtinger, der sich 1951 von der Wiener Presse am Westbahnhof als berühmter Eskimodichter Kobuk empfangen ließ. Diese Satiren sind aber aus einer Position der Schwäche heraus passiert. Das war die Avantgarde, die ein reaktionäres Publikum verarschen wollte. Heute sieht die Sache ganz anders aus- Heller ist ein vermögender Kulturunternehmer, der Gärten, Immobilien und eine Kunstsammlung besitzt. Er ist gewissermaßen König und Hofnarr in einer Person. Der Einsatz von dem Bubenstück ist auch nicht ein kurzer Lacher, sondern sind 800.000 Euro. 
 
Wirft diese Affäre nicht auch ein bezeichnendes Licht auf den internationalen Kunstmarkt, wo für ein paar Nägel und Besenstangen, Millionen hingeblättert werden.
 
Natürlich ist es deprimierend, wie stark sich Kunst in Spekulation verwandelt hat. Aber die Heller-Affäre ist aus einem anderen Grund interessant. Die Kunstwelt ist ja eine geschlossene Gesellschaft, die nach außen hin eine perfekte PR-Fassade hat. Durch den Heller-Rahmen kann man einen Blick hinter die Kulissen werfen. Man sieht einen Kunsthistoriker, der im Auftrag einer Galerie einen lobenden Text schreibt und dem vermeintlichen Basquiat damit eine hohe Wertigkeit verschafft. Dieser Wissenschaftler, Dieter Buchhart, gilt als führender Basquiat-Experte weltweit. Buchhart wollte den Rahmen dann in eine Ausstellung in der Londoner Barbican Gallery aufnehmen, die er mitkuratiert hat. Eine solche Adelung hätte eine Wertsteigerung bedeutet. Man sieht also, wie Kunsthandel, Wissenschaft und Museen untereinander Interessen bedienen. Das sind für die Öffentlichkeit vollkommen intransparente Geschäfte. Für den gewöhnlichen Basquiat-Fan ist nur eine Rolle vorgesehen: Er darf ein teueres Ticket für die Basquiat-Ausstellung kaufen. 
Durch den Heller-Rahmen kann man einen Blick hinter die Kulissen der Kunstwelt werfen.
 
 
 
Eine entscheidende Frage in dieser Geschichte dürfte aber auch sein: Wer garantiert für die Echtheit von Kunstwerken?
 
Bei Basquiat ganz schwierig. Es gab einmal eine Kommission, die Zertifikate ausgestellt hat. Aber da traut sich niemand mehr drüber. Es gibt viele Fälschungen. Basquiat hat auch Türen und Mauern bemalt, wie soll man die Provenienz prüfen? Deswegen war der Heller-Prank auch so dreist. Forscher sind auf Zeitzeugen angewiesen. Heller war einer und hat diesen Vorsprung genutzt, um Buchhart hineinzulegen. Als besonderen Trick hat er auch noch echtes Material in das Holz eingearbeitet. Die Story klang also schon sehr glaubwürdig. Andererseits habe ich keinen Basquiat-Rahmen gefunden, der auch nur annähernd wie der Heller-Rahmen aussieht. Aber vielleicht weiß Buchhart das genauer. 
 
Es gehört auch dazu, dass man zuallererst auf den Überbringer der schlechten Botschaft schießt. Herr Dusini, wie erleben Sie diese Tage.
 
Damit habe ich eigentlich gerechnet, aber zum Glück richten sich die Augen auf den Rahmenmacher. 
 
Klagedrohungen?
 
In einer Wiener Zeitung wurden die von Heller geäußert, aber in der Falter-Redaktion ist noch kein Anwaltsschreiben eingegangen. 
 
Wie langen haben Sie an dieser Geschichte recherchiert?
 
Anfang September habe ich zum ersten Mal mit dem Informanten gesprochen. Seither verfolge ich die Geschichte, einmal mehr, einmal weniger intensiv. Ich bin ja nicht mit einer skandalösen Hypothese hineingegangen, habe die Geschichte erst als allgemeine Story über die Zusammenarbeit zwischen Heller und Basquiat angelegt, die ja tatsächlich interessant ist. Da muss man warten, bis die Betroffenen Zeit haben für ein Gespräch. Das kann im Fall von Prominenten wie Heller oder auch Buchhart oft lange dauern. 
 
Vielleicht trägt meine Geschichte also dazu bei, dass weniger Touristen in den Heller-Garten kommen. Den Brixnern wäre das zu wünschen. 
 
 
 
 
André Heller hat den Rahmen nach Ihrer Recherche zurückgekauft. Es ist ein Schachzug mit dem er sich vor möglichen strafrechtlich relevanten Betrugsvorwürfen schützen will. Geht diese Taktik auf?
 
Ich entnehme den Stellungnahmen von Juristen, dass der Rückkauf als tätige Reue gewertet werden kann. Somit gibt es keinen Schaden und Heller wäre rechtlich aus dem Schneider. Das könnte man als gelungene Taktik werten. 
 
Heller will im Hofburggarten in Brixen ein Millionenprojekt umsetzen. Ist - Ihrer Meinung nach - ein Künstler nach dieser Geschichte als Partner für eine öffentliche Institution überhaupt noch tragbar?
 
Ich habe mich bereits vor zwei Jahren gegen das Heller-Projekt ausgesprochen. Ich verstehe nicht, warum man diesen wertvollen Freiraum in Brixen nicht der Bürgerschaft zur Verfügung stellt – für Obst und Gemüse oder auch nur zum Flanieren. Es gibt so tolle Gärtner und Landschaftsarchitekten. Warum muss es eine weitere touristische Attraktion sein? Hellers Image ist durch den falschen Rahmen beschädigt worden. Vielleicht trägt meine Geschichte also dazu bei, dass weniger Touristen in den Heller-Garten kommen. Den Brixnern wäre das zu wünschen. 
 
 
 

 

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Dietmar Nußbaumer Fr., 04.11.2022 - 13:25

Erinnert mich an Trenkers "wurmstichige Scolturen". Etwas überzogene Gelder, für Ahnungslose wie mich (und auch nicht weltbewegend, in Zeiten wie diesen).

Fr., 04.11.2022 - 13:25 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Fr., 04.11.2022 - 14:14

Heller,der "Zinker" und Täuscher der "Kunst"??? Und Brixen ist so BLÖD und gibt so Einem einen Millionenauftrag??? Hoffentlich steigt ihr aus aus diesem Skandal Herr BAUER UND CO. Sonst wäre dies ein erneuter Riesenskandal von euch SVP ler!

Fr., 04.11.2022 - 14:14 Permalink
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Salzer Claudio Fr., 04.11.2022 - 15:00

Heller hat sich hier lächerlich gemacht, keine Frage.
Mich befremdet aber auch der Kasten der sog. "Initiativgruppe" der unten an den Artikel "zuigepickt" ist: ist das eine Werbeeinschaltung oder soll diese Stimmungsmache als Journalismus durchgehen?

Fr., 04.11.2022 - 15:00 Permalink
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Leo Ploner Fr., 04.11.2022 - 19:18

.. ich frage mich immer und immer wieder, was in Brixen auf der Baustelle Kultur eigentlich los ist... gerade wurde ein kürzeres Festival "abgewickelt", welches Kosten von mehr als 1.000.000 Euro "gebracht" hat - nachhaltig naja!!! Zum Heller sage ich lieber nix... der Bursche ist mir irgendwie immer sympathisch gewesen - eines seiner vielen Talente war und ist doch, sich im Windschatten oder besser gesagt im Fahrwasser noch größerer Künstler (eben vom Qualtinger bis Basquiat) zu profilieren... niemals hat er eigentlich Neues geschaffen sondern immer nur bereits Bestehendes kreativ transformiert, vor allem in seinen Gärten und mit seinen Shows - Ausdruck seiner launigen Schwärmereien!!! Ein Lausbub, ein hochintellektueller Querulant und später schwerpunktmäßig zum Größenwahn neigend - aber gerade mit solchem öffnen sich in Brixen erstaunliche Türen...

Fr., 04.11.2022 - 19:18 Permalink
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Gregor Beikircher Sa., 05.11.2022 - 09:45

Habe das Heller-Projekt zum Brixner Hofburggarten bei seiner ersten Vorstellung im Gemeinderat Brixen als Zuhörer als Naturwissenschaftler und Raumordnungsbetrachter für unzutreffend und nicht passend für so einen Garten kommentiert und Heller selber persönlich am Rande der stitzung damit konfrontiert. Er ist in seiner Hochnäsigkeit nicht einmal darauf eingegangen, wenn ich ihn auf den biologischen Wahnsinn der Verpflanzung von hochstämmigen Bäumen angesprochen habe. Die Brixner Verwalter sind auf Hellers Projekt ebenso hereingefallen, wie verschiedene Basquiat-Anbeter auf den gefälschten Basquiat-Rahmen von Andrè Heller.
Was Andrè Heller für den Brixner Hofburggarten vorhat, ist genauso ein Imitat, das mit dem eigentlichen Umweltrahmen Brixens wenig gemeinsam hat, vielmehr aber dem sozioökonomischen und ökosozialen Umfeld ganz einfach als eigenwilliger Stempel den Herrschenden dort in Verblendung willkommen erscheint.

Sa., 05.11.2022 - 09:45 Permalink