„Schule muss sich ändern“
Ingeborg Dejaco, Tatiana Sandri und Petra Eisenstecken gründeten im April dieses Jahres die Sozialgenossenschaft Selia. Damit wollen sie ein Umdenken bewirken und ein neues Bildungsmodell vorleben.
Salto.bz: Selia wurde erst kürzlich gegründet. Worum geht es Ihrer Sozialgenossenschaft genau?
Team Selia: Es geht uns vor allem um die Bildung, genauer gesagt um das Bildungswesen. Uns ist wichtig, dass man neue Bildungsansätze umsetzt. Die Idee war, eine private Grundschule zu gründen. Diese Idee wurde vorerst aufgeschoben. Nichtsdestotrotz besteht die Sozialgenossenschaft weiterhin. Wir sind auch in der Lehrerfortbildung tätig und bieten Angebote für Erwachsene, Kinder und Eltern an. Ich bin selbst langjährige Referentin in der Lehrerfortbildung und war die letzten zwölf Jahre in der deutschen Bildungsdirektion. Ich betreue nach wie vor die Lehrer:innen und begleite sie weiterhin bei Bedarf. Ich biete in erster Linie Online-Fortbildungen für das Lehrpersonal an. Es gibt aber demnächst auch verschiedene Präsenz-Veranstaltungen, wie Vorträge für Eltern und Kurse für Kinder und Erwachsene.
Bezüglich der Schule, die hätte im September eröffnet werden sollen..
Es geht um ein neues Bildungskonzept, es geht uns um die Mehrsprachigkeit. Unser Wunsch ist es, die vier Sprachen, also die drei Landessprachen plus Englisch, in unserem Konzept zu integrieren. Meine Kollegin Ingeborg Dejaco und ich, beide weisen wir über 30 Jahre Berufserfahrung in der Bildungswelt auf, haben mit unserer jungen Kollegin Tatiana Sandri zusammen, die Sozialgenossenschaft gegründet. Uns ist es wichtig, von Anfang an, junge Leute mit ins Boot zu holen. Wir wollten die Schule zuerst im Gadertal ansiedeln, dort haben auch die ersten Einschreibungen stattgefunden. Es hat viele Informationsveranstaltungen gegeben und wir sind auf sehr großes Interesse gestoßen. Dabei haben wir insgesamt 170 Personen erreicht.
Und dann?
Bei den Einschreibungen gab es sehr viele Unsicherheiten und Ängste bei den Eltern, aber auch bei den Lehrpersonen der öffentlichen Nachbarschulen, dass man sich gegenseitig die Kinder wegnimmt. Dem ist nicht so. Uns ist wichtig zu betonen, dass es keine Konkurrenzschule sein soll. Aber es ist ein anderes Denken.
Warum wird es eine Privatschule?
Wir haben unser Projekt den Landesräten Achammer und Alfreider, sowie Manfred Vallazza vorgestellt. Sie waren begeistert, hätten das Projekt aber gerne in der öffentlichen Schule angesiedelt. Da können wir aber nicht zusagen. Dort wären uns dann wieder die Hände gebunden, weil unser Konzept mit einer anderen Einstellung zu tun hat. Uns geht es darum, dass jedes Kind individuell betreut werden kann. Ich war selbst 19 Jahre Grundschullehrerin, ich weiß, wie das läuft. Wir wollen das Ganze aber vertieft angehen. Das Kind bekommt am Montag einen individuellen Arbeitsplan und den muss es dann im Laufe der Woche erledigen. Wichtig ist, dass alle Lehrpersonen anwesend sind, von in der Früh bis zu Mittag und die jeweilige Sprache vertreten. Am Freitag muss das Kind der gesamten Gruppe, in der Sprache seiner Wahl, präsentieren, was es im Laufe der Woche gemacht hat. Es ist weder eine Spielschule, noch eine Vergnügungsschule. Wir wissen ganz genau, was die Kinder am Ende des Schuljahres beherrschen müssen und wollen sie dementsprechend vorbereiten und fördern.
Die Kinder müssen also eine Prüfung ablegen..
Genau, die Kinder müssen am Ende des Jahres eine Eignungsprüfung ablegen, weil wir ja keine anerkannte oder gleichgestellte Schule sind. Möchten wir zunächst auch noch nicht sein. Es braucht erst mal eine Anlaufzeit, um zu schauen, was machen wir richtig, was können wir verbessern. Wir würden das erst in einem zweiten Moment in Anlauf nehmen. Uns geht es in diesem Moment, nicht um die Anerkennung. Der Vorteil einer anerkannten Schule wäre, dass man Förderungen vom Land bekommt und nicht alles privat stemmen muss.
Sie meinten vorhin, dass die Kinder relativ frei arbeiten können. Folgen Sie dem reformpädagogischen Ansatz?
Nein, der Ansatz ist weder reformpädagogisch, noch folgt er der Montessori- oder Waldorfpädagogik. Es ist ein Bildungskonzept nach den neuesten Ansätzen von John Hättie, Gerald Hüther, Richard David Precht, nur um die wichtigsten Namen in der Bildungsforschung zu nennen. Unser Bildungskonzept, an dem wir seit eineinhalb Jahren arbeiten, umfasst derzeit über 60 Seiten. Darin ist alles geregelt, von der Selbstbewertung, über die Lernberatung und die Elterngespräche. Wir sind eigentlich schon startbereit. Im Gadertal werden wir die Schule nicht mehr ansiedeln, es werden gerade andere Standorte in Betracht gezogen.
Wenn alle Lehrer:innen durchgehend anwesend sein werden, kann man sich das Ganze dann wie eine große Klasse vorstellen?
Für uns gibt es keine Klassenstufen. Das ist ein weiterer großer Unterschied. Wir gehen von den Stärken des Kindes aus. Jedes Kind hat Stärken und dort sollte man ansetzen, nicht bei den Schwächen. Wir haben Lernberatungsgespräche mit den Kindern vorgesehen. Jedes Kind bekommt einen Coach an die Seite gestellt und bespricht mit diesem, was während der Woche gut gelungen ist, wo es weiterarbeiten möchte und was es sich vornimmt. Einige Kinder kommen in die 1. Klasse und können schon lesen und schreiben. Warum sollten sie nochmals die Buchstaben lernen, wenn sie diese Kompetenzen schon mitbringen? Diese Kinder können dann schon Inhalte aus der zweiten Klasse lernen. Man kann sie so individuell anders fördern. Wir möchten auf jedes Kind einzeln eingehen. Deswegen gibt es keine typischen Klassenzimmer. Das Konzept baut auf Lernräume auf: es gibt einen Erklär-Raum (dort werden neue Lerninhalte eingeführt), die Lern-Räume (dort arbeiten alle zusammen) und den Besprechungs-Raum (für Besprechungen mit dem Kind).
Vier-sprachiger Unterricht klingt nach einer großen Herausforderung. Ist Ihre Schule eine Schule für alle?
Unsere Schüler:innen müssen am Schulende eine Eignungsprüfung bestehen, wenn man keine gleichgestellte oder anerkennte Schule ist. Das muss den Eltern von Anfang an bewusst sein. Das sind die gesetzlichen Vorgaben. Den Eltern muss klar sein, dass gewisse Kompetenzen, die in der staatlichen Schule festgelegt sind, von externen Lehrpersonen abgeprüft werden. Dementsprechend müssen wir sie vorbereiten. In der öffentlichen Schule bleibt ihnen das erspart. Dort gibt es entweder versetzt oder nicht-versetzt. Ich wünsche mir für niemanden, dass man ihn ausschließt. Das muss man in einem Gespräch mit den Eltern besprechen, ob sie im Stande sind, die Schule in diesem Sinne zu unterstützen. Das ist für alle Kinder eine Hürde. Sie besuchen das ganze Jahr eine Schule und werden dann von fremden Lehrpersonen geprüft. Man kann sich vorstellen, wie es manchen Kindern dabei geht. Das muss allen Familien bewusst sein.
Was wollen Sie mit ihrer Sozialgenossenschaft bezwecken?
Wir wollen ein Bildungsumdenken bewirken. Es ist an der Zeit, dass sich die Schule verändert. Wir wollen den Menschen und der Politik ein anderes Bildungsmodell vorleben, und ihnen zeigen, dass es funktioniert. Wir leben in einem mehrsprachigen Land und haben ein Riesenpotential. Das nutzen wir aber nicht, weil wir einen strikten Stundenplan vorgegeben haben. Gewisse Kinder brauchen einfach mehr Zeit, da geht der Knopf später auf, was aber nicht heißt, dass sie etwas nicht lernen können. Sie müssen das Gefühl bekommen, dass sie alles schaffen können. Es gibt Kinder, die sprachliche Kompetenzen haben, es gibt Kinder, die sich in Mathematik leichter tun.
Wir wollen die Individualisierung und Personalisierung vorantreiben, diese darf nicht nur auf dem Papier existieren. Das sind wir unseren Kindern schuldig.
Abschließend möchte ich noch sagen: Es wird so viel geredet über eine Veränderung im Bildungswesen. Es gibt so viele Studien dazu, aber es passiert nichts. Deswegen möchten wir jetzt handeln. Wir wollen eine Veränderung mit den Kindern gemeinsam erleben und den Familien und der Politik vorleben.
Es ist gut, wenn solche
Es ist gut, wenn solche Änderungen zuerst im kleinen Rahmen ausprobiert und überprüft werden.
Condivido i principi
Condivido i principi pedagogici e didattici a cui vi ispirate. Il bene comune dovrebbe essere prioritario nelle decisioni di ogni governo. Purtroppo quello che invece ha la precedenza è l'economia e la finanza nell'interesse di una minoranza e nella continuazione di danni sociali, ambientali e culturali. Anche l'individuo ha le sue responsabilità perché dovrebbe per primo scegliere quel benessere che non viene dall' "avere", ma dall' "essere". Se il vostro progetto andrà in porto - e ve lo auguro - sarà comunque per pochi privilegiati, ma non certo per vostra scelta. Vi auguro che possiate e sappiate allargare le vostra offerta sempre più anche a chi non se la può permettere. Ciò che la rende attraente e superiore anche per quel che riguarda la giustizia morale e sociale nella nostra provincia è che nella vostra scuola non si viene divisi per lingua, cultura o etnia, che dir si voglia. Buon lavoro e tanti auguri.
"John Hättie"? Nachdem der
"John Hättie"? Nachdem der Artikel von der neuen Sozialgenossenschaft selbst stammt, wäre eine korrekte Schreibweise des genannten Pädagogen John Hattie wünschenswert und für eine angehende Bildungsinstitution in einem öffentlichen Statement wohl das Minimum. Ansonsten viel Glück für die mehrsprachige Schule! Die staatlichen Schulen werden hoffentlich auch irgendwann die (politischen) Scheuklappen ablegen und innovativere Wege bei der Sprachvermittlung gehen.
Antwort auf "John Hättie"? Nachdem der von Elisabeth Hammer
In Südtirols Schulen weht
In Südtirols Schulen weht noch immer "das unsinnige Art. 19 Lüftchen durch die Schulräume."
Die drei "überflüssigen Schulämter sind ehenstens zu verräumen" und mit einer Einrichtung zu ersetzen, die dem Lehrpersonal außer der Vermittlung eines soliden Grund-Wissens, auch die Kenntnis der Landessprachen und Englisch ermöglicht