Umwelt | Landwirtschaft
Kalterer See-Spiele
Foto: IDM/Peter von Felbert
Wenn sich am heutigen Donnerstag die Landeskommission für Raum und Landschaft zur Sitzung trifft, dann steht auch ein wichtiger Beschluss zum Kalterer See auf der Tagesordnung. Die zuständige Landesabteilung hat schon vor Monaten die Änderung des Landschaftsplanes am Kalterer See eingeleitet. Es geht dabei um die Abgrenzung des Biotops Kalterer See, die Anpassung der Biotopsgrenzen an die aktuelle Situation und um die Verabschiedung eines neuen, öffentlichen Stegeverzeichnisses.
„Die Richtigstellungen sind auch in Hinblick auf die neu zu vergebenden Konzessionen für die Nutzung der Stege durch das Amt für öffentliches Wassergut erforderlich“, heißt es im Dekret der zuständigen Abteilungsleiterin Virna Bussadori.
Hinter diesem Satz verbirgt sich ein kleiner Skandal. Tatsache ist, dass weder die Gemeinde Kaltern noch das Land bisher für rund zwei Dutzend privater Stege am See Konzessionsgebühren eingehoben haben. Vor allem die Gemeinde Kaltern hat das jahrzehntelang „vergessen“. Ein klarer Fall für den Rechnungshof. Jetzt soll das ganze still und leise saniert werden.
Doch im Vorschlag für den neuen Landschaftsplan schlummert auch eine Geschichte, die deutlich macht, wie weit die Spekulationen am Kalterer See gehen. Es ist eine Geschichte, die zeigt wie kostbar ein Zugang zum See sein kann und welche fantasievollen Verschachtelungen man aufbaut, um mögliche Nutznießer zu verbergen. Aber auch, wie eine SVP nahe Seilschaft zwischen Unternehmern, Beratern und willfährigen Bauern, geschickt Bestimmungen und Gesetze zum eigenen Vorteil ausnutzt.
Der Steg
Viele Jahre lang gibt es am Nordufer des Kalterer Sees, zwischen der Pizzeria Geier und dem Hofschank Seewiesen einen privaten Steg. Der Steg, der rund 40 Meter durch den Schildgürtel verlief, gehört zu einer dahinterliegenden Wiese. Besitzerinnen der Wiese sind eine Frau aus Völs und zwei Eppaner Schwestern, die seit vielen Jahren im Ausland leben.
Die Wiese und den Steg haben jahrelang eine Gruppe von Überetscher und Bozner Wassersportfreunden gepachtet. Als im Mai 2020 eine der zwei Grundparzellen zum Verkauf steht, will die Gruppe ein Kaufangebot machen.
Aus dem Kauf wird aber nichts. Denn eine Bedingung der Käufer ist der Nachweis, dass der Steg ordnungsgemäß eingetragen ist. Bei der behördlichen Nachfrage stellt sich aber heraus, dass es den Steg weder im genehmigten Landschaftsplan noch im offiziellen Stegeverzeichnis des Kalterer Sees gibt. Konkret: Es handelt sich um einen illegalen Zugang zum See.
Die zuständigen Landesämter reagieren umgehend. Im Oktober 2020 stellt das Amt für Natur den Besitzern eine Verfügung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu. Weil diese aber nicht reagieren, wird der illegale Steg im November 2021 von Amts wegen abgebrochen und entfernt.
Der Verkauf
Ein halbes Jahr später wechselt die Wiese ohne Seezugang dann doch noch den Besitzer. Am 30. Mai 2022 werden die beiden Grundparzellen vor einem Meraner Notar verkauft. Die Käufer blättern dafür eine stolze Summe hin: 400.000 Euro für 1.000 Quadratmeter. Das sind 400 Euro pro Quadratmeter. Bedenkt man, dass die Parzellen in einer Bannzone liegen und als Feuchtgebiet und Biotop ausgewiesen sind, so wird der spekulative Hintergrund des Deals augenscheinlich.
Angrenzende Bauern haben bei landwirtschaftlichen Flächen ein Vorkaufsrecht. Das kommt auch bei diesem Verkauf zum Tragen. Eine der Käuferinnen ist Helga Morandell. Ihr und ihrer Familie gehören bereits mehrere Grundstücke am See.
Zudem ist Helga Morandell in Kaltern eine bekannte Person. Sie war viele Jahre lang nicht nur die Vorzimmerdame, sondern auch die recht Hand des Kalterer Bürgermeisters Wilfried Battisti-Matscher. Heute fungiert die 56-jährige Angestellte der Gemeinde Kaltern als Dienststellenleiterin. Morandell ist für die Lizenzen, die Öffentliche Bibliothek, das Protokollamt, die allgemeinen Dienste und das Sekretariat verantwortlich. Damit gibt es kaum einen Akt, der nicht über den Schreibtisch von Helga Morandell geht. Ihr Sohn Christof Pillon sitzt für die SVP im Kalterer Gemeindeausschuss, wo er als Referent die Kultur und die Jugend betreut. Ihm wird nachgesagt, dass er auf Bürgermeister lernt.
An diesem 30. Mai 2022 findet die See Wiese zwei gemeinsame Käufer. Helga Morandell erwirbt 50 Prozent der beiden Grundparzellen. Die anderen Hälfe kauft eine wenige Tage zuvor gegründete landwirtschaftliche Gesellschaft, die deutlich macht, wie die Spekulation im landwirtschaftlichen Grün funktioniert und floriert. Denn durch eine genaue Recherche kommt ein fast unglaubliches Schachtelsystem von Unternehmen und Treuhandbeteiligungen zum Vorschein, das eher an das Reich der „Panama Papers“ erinnert als an einem Steg am Kalterer See.
Südtiroler Treuhand
Am 30. Mai 2022 tritt zusammen mit Helga Morandell als Käufer auch die „BB - Einfache landwirtschaftliche Gesellschaft der BB Invest GmbH“ auf. Das Unternehmen wird am 18. Mai 2022, also 12 Tage vor diesem Kauf mit einem Gesellschaftskapital von 1.000 Euro gegründet. Als gesetzliche Vertreter des Unternehmens werden zwei Wirtschafts- und Steuerberater eingesetzt. Der Missianer Wirtschaftsberater Werner Marschall und Christian Unterhauser von der Bozner Kanzlei „Peintner, Seidner & Partner“.
Wie der Name schon sagt, braucht es für eine landwirtschaftliche Gesellschaft verständlicherweise auch einen befähigten Landwirt. Diesen findet man im langjährigen Eppaner SVP-Gemeinderat und Unterrainer SVP-Obmann Stefan Pertoll. Pertoll hält genau 1 Prozent an der „BB - Einfache landwirtschaftliche Gesellschaft der BB Invest GmbH“. Die restliche 99 Prozent gehören, wie im Firmennamen festgehalten, der „BB Invest GmbH“.
Die „BB Invest GmbH“ wird am 11. März 2022 mit einem Gesellschaftskapital von 20.000 Euro gegründet. Auch hier finden wir das Duo Werner Marschall und Christian Unterhauser als gesetzliche Vertreter.
Das Unternehmen hat zwei Gesellschafter. 50 Prozent gehören der Bozner Notarin Stefania Bez und 50 Prozent der „FB Invest Gmbh“. Stefanie Bez arbeitet als Partnerin des Notars Felipe Benvenutti. Der Zufall will es, dass Helga Morandell und ihr Ehemann in den vergangenen 20 Monaten mehrere, andere Immobilienoperationen gemacht haben. Dabei wurden die Verträge vor Notar Felipe Benvenutti gemacht.
Steht das FB im Firmennamen „FB Invest Gmbh“ demnach für Felipe Benvenutti?
Eine Antwort auf diese Frage ist nicht möglich.
Die „FB Invest Gmbh“ wird am 6. März 2022 mit einem Gesellschaftskapital von 20.000 Euro gegründet. Auch hier fungieren Christian Unterhauser und der Bozner Wirtschaftsprüfer Erhard Rofner als gesetzliche Vertreter des Unternehmens.
Laut Handelsregister gehört die „FB Invest Gmbh“ zu 100 Prozent einem Unternehmen mit einem Namen, der gleichzeitig Omen sein dürfte: „Fiduciaria del Trentino Alto Adige Srl“. Diese Treuhandgesellschaft wurde 1976 gegründet und gehört zum reichhaltigen Unternehmens-Geflecht um den Neumarkter Berater und Unternehmer Ulrich Foppa.
Die Schnitzeljagd führt letztlich aber zu einem weiteren Unternehmen. Denn die „Fiduciaria del Trentino Alto Adige Srl“ gehört der „SF Consulting GmbH“. Das Ende 2019 gegründete Finanzberatungsunternehmen hat nur einen Gesellschafter und gesetzlichen Vertreter: Michael Terzer. Der Traminer Berater gehört ebenfalls zum Stab von Ulrich Foppa. Auch dieses Unternehmen wurde vor Notar Filippe Benvenutti gegründet.
Spätestens jetzt besteht die Gefahr, dass die meisten Leserinnen und Leser schwindlig werden.
Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Das gesunkene Tretboot
Wenige Wochen nach dem Verkauf bekommt die Forststation Kaltern einen Wink. Im Schutzgebiet und Biotop Kalterer See werden illegale Arbeiten durchgeführt. Die Beamten machen am 5. Juli 2022 einen Lokalaugenschein und stellen fest, dass der abgebrochene illegale Steg notdürftig mit Brettern wiedererrichtet worden ist. „Am Ende der Holzbretterkonstruktion ermöglich eine Art aufklappbares Floß aus Kunststoff den Zugang zur Wasserfläche“, heißt es im Erhebungsprotokoll der Forststation.
Zudem stellen die Beamten fest, dass am Tag des Lokalaugenscheines eine spezialisierte Firma aus Kaltern mit einem kleinen Bagger mit Grabungsarbeiten zur Verlegung von Leitungen vom bestehenden Triefbrunnen und zur Installation einer Dusche beschäftigt ist.
Weil alle diese Arbeiten ohne Baugenehmigung und Ermächtigung in einem Natura-2000-Schutzgebiet durchgeführt werden, verfügt die Forststation die sofortige Einstellung der Arbeiten.
Am nächsten Tag leitet das Amt für Natur ein Verwaltungsverfahren wegen „Errichtung eines widerrechtlichen Zuganges zum See“ gegen Helga Morandell und die „BB - Einfache landwirtschaftliche Gesellschaft“ ein. Weil es sich bei dem Vergehen auch um ein strafrechtliches Delikt handelt, macht das zuständige Landesamt auch Meldung bei der Staatsanwaltschaft Bozen.
Der Entscheid ist kaum den Grundbesitzern und zur Kenntnis der Gemeinde Kaltern zugestellt, da meldet sich bereits Helga Morandell bei der Sachbearbeiterin im Amt für Naturschutz. „Guten Morgen, die Holzpaletten sind wieder entfernt. Wurden heute früh weggeschafft“, heißt es in der E-Mail Morandells vom 6. Juli 2022.
Einen Tag später trudelt bei den Landesbehörden, der Forststation Kaltern und der Gemeinde Kaltern dann ein Schreiben der Anwaltskanzlei „Schullian, Senoner & Partner“ ein. Rechtsanwalt Lukas Harder, der sowohl die „BB - Einfache landwirtschaftliche Gesellschaft“ als auch Helga Morandell anwaltschaftlich vertritt, wartet jetzt mit einer abenteuerlichen Erklärung auf. „Ich weise zunächst darauf hin, dass für meine Mandantschaft die Notwendigkeit bestand, ein am Seerand unmittelbar vor ihrem Grundstück verkeiltes und teilweise versunkenes Tretboot zu entfernen. Zu diesem Zweck war es erforderlich behelfsmäßig auf besagte Holzpaletten zurückzugreifen. Es wurde dabei jedoch keineswegs ein neuer Zugang errichtet“, heißt es in dem Schreiben.
In einem weiterem Schreiben vom 11. Juli 2022 liefert Anwalt Harder dann auch für die illegalen Grabungsarbeiten eine äußert fantasievolle Begründung: Es handle sich um eine Geländesondierung in Erwartung einer Genehmigung für einen Bagatelleingriff.
Gleichzeitig fordert der Anwalt im Namen seiner Mandantschaft die Einstellung des Verwaltungsverfahrens.
Danach geht alles sehr schnell. Am 12. Juli 2022 macht die Forststation Kaltern einen weiteren Lokalaugenschein, der bestätigt, dass die Bretter wieder abgebaut worden sind und am 14. Juli 2022 teilt das Amt für Natur den Betroffenen die Archivierung des Verfahrens mit.
Der neue Anlauf
Kaum ist Schilf über die Sache gewachsen, folgt jetzt aber schon der nächste Anlauf.
Diesmal ist die Einflugschneise der prominenten Seilschaft in Richtung See die geplante Änderung des Landschaftsplanes. Grundbesitzer und Interessierten können bei solchen Planänderungen Stellungnahmen und Anträge einbringen.
Zeitgleich gehen in der Gemeinde Kaltern am 27. September 2022 zwei Anträge ein, die mehr oder weniger dieselbe Forderungen enthalten. Anwalt Lukas Harder verlangt für Helga Morandell und die Anwaltskanzlei „Baur & Partner“ für die „BB - Einfache landwirtschaftliche Gesellschaft“ die „Richtigstellung des Stegeverzeichnisses“ und die Eintragung des Steges vor ihrem Grundstück in das offizielle Verzeichnis. Die Begründung: Der Steg habe seit den 1970-er Jahren bestanden. Als Beweis werden nicht nur Fotos und Karten angeführt, sondern auch prominente Zeugen aufgeboten. Etwa die ehemaligen SVP-Bürgermeister Erwin Walcher (Eppan) und Wilfried Battisti-Matscher (Kaltern).
Dass es dabei keineswegs aber nur um den Steg geht, macht ein zweiter Antrag der beiden Grundbesitzer deutlich. Man ersucht auch um eine Richtigstellung der Flächenwidmung. Die beiden Grundparzellen sind im Landschaftsplan als Feuchtgebiete ausgewiesen. Der Antrag: Die sollen als Landwirtschaftsgebiet eingetragen werden.
Den neuen Steg am Kalterer See wird man besonders stabil bauen müssen. Nur so werden die Besitzer und Nutznießer von gleich acht Firmen und Unternehmen darauf Platz finden.
Ein Schelm, wer hier an eine mögliche Bauspekulation denkt.
Die Landeskommission für Raum und Landschaft wird auf ihrer heutigen Sitzung auch diese Anträge behandeln müssen. Gibt die Fachkommission grünes Licht, wird die Gemeinde Kaltern die Planspiele am See durchwinken. Das steht jetzt schon fest.
Dann allerdings wird man den Steg am Kalterer See besonders stabil bauen müssen. Nur so werden die Besitzer und Nutznießer von gleich acht Firmen und Unternehmen darauf Platz finden.
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Trickreiche SVP
Trickreiche SVP Machenschaften?????Ein Schelm wer "böses" denkt???
Ich gehöre zu jener Gruppe
Ich gehöre zu jener Gruppe von Boznern, welche diese Wiese die letzten 35 Jahre gemietet hatten und sehr schöne Erinnerungen an diese Zeit haben. Wir haben in dieser Zeit nie etwas gebaut oder gebaggert, es war immer alles gleich und genau das war das schöne. Da wir nicht die Besitzer der Wiese waren, wussten wir nicht, dass der Steg illegal war. Den neuen Besitzern haben wir ein Kaufangebot gemacht, nachdem der "illegale Steg" aber in eine Nacht- und Nebelaktion abgebaut wurde, war der Kauf nicht mehr interessant. Es war von vornherein klar, dass es so enden wird, wie sie es in ihrem Artikel schreiben, auf die fast schon mafiöse Art und Weise. Das schlimme und höchst bedenkliche ist, dass diese Damen- und Herrschaften mit ihren Kontakten, Machenschaften und dem Geld am Ende immer durchkommen und der "normale Bürger" das Nachsehen hat. Ich hoffe ganz stark, dass es diesmal nicht so kommt.
Gibt es denn keine
Gibt es denn keine rechtlichen Möglichkeiten diese Herr- und Frauschaften in die Schranken zu weisen? Feuchtgebiete sollten doch erhalten bleiben, oder gibt es da gar keinen Schutz?
Wenn sich am heutigen
Wenn sich am heutigen Donnerstag die Landeskommission für Raum und Landschaft zur Sitzung trifft, dann steht auch ein wichtiger Beschluss zum Kalterer See auf der Tagesordnung. Resultat?