Chronik | Wir und unsere Nachbarn

Fuori i Freiheitlichen dall’indipendentismo?

Für Unabhängigkeit zu sein und sich mit der Lega Nord als Verbündeten einzulassen, ist ein waghalsiges Spiel, das gekonnt sein muss.

Mit dem Sondaggio hat es die Venezianische Unabhängigkeitsbewegung dann irgendwie doch in unsere Medien gebracht. Seit aber an Panzerattrappen für den Markusplatz gebastelt wurde, eine seltsame Verhaftungswelle durch die Serenissima fegte, ist es medial wieder sehr ruhig. Viel zu undurchsichtig ist die Lage, viel zu gefährlich, sich durch eine Fehleinschätzung die Finger zu verbrennen.  Die Solidarität der hiesigen Sezessionistenszene mit der dortigen ist auffallend zurückhaltend. Vergleiche mit Verhaftungswellen bei uns in den 60er Jahren werden nur auf Stammtischen gemunkelt, wer soll sich da auch schon ein Urteil anmaßen? 

Aus der freiheitlichen Allianz mit der Lega zu den Europawahlen könnte man eine stille Unterstützung ablesen, die aber so unausgesprochen bleibt, dass es zur Freundschaft nicht reicht. Man spielt nicht mit dem Teufel; nur mit dem Fegefeuer. Der Rest bleibt vage, bleibt Andeutung zur freien Interpretation, um einer möglichst breiten Wählerschicht Wunschbälle zu zuwerfen und mögliche Angriffsflächen abzuglätten. Die Kunst der Politik des Unausgesprochenen.  

Umso mehr klammere ich mich an die Informationen, die man halt bekommt. Und da ist mir ein Beitrag von Francesca Carrarini im L’Intraprendente untergekommen. (Zur Erinnerung: L’Intraprendente, „Giornale d’opinioni dal nord“ unterliegt einem gewissen Giovanni Sallusti, der Berlusconifreunden ein Begriff sein dürfte. Klammer zu). Es ist ein sehr bemerkenswerter Beitrag, der in der Forderung gipfelt:

Fuori la Lega Nord dall’indipendentismo.

Klar distanzieren sich die Verhafteten von der Lega: „Ringrazio per la solidarietà, ma non vorrei che questa vicenda venisse strumentalizzata” und “[…] è indubbio che la Lega sta cavalcando la nostra vicenda”, hört man vom wieder enthafteten, abgemagerten Chef-Forcone Lucio Chiavegato und dessen Umfeld. Der Lega wird vorgeworfen, die Venezianische „Sache“ und deren Speerspitzen zu instrumentalisieren, nur um bei den Europawahlen die rettenden Punkte um die vier-Prozent-Klausel zu ergattern. Die Europawahl aber ist Chiavegato so ziemlich einerlei: “per noi quello che conta è l’indipendenza” und in Richtung Luca Zaia gibt es dann zur Krönung dann noch eine Wortwahl, wie wir sie sonst eigentlich von den PDlern kennen: “Dopo vent’anni cosa ha portato a casa la Lega in fatto di federalismo, equità fiscale e via dicendo? Niente.” Hoffentlich als bitterer Scherz gemeint hingegen folgendes Zitat, als es um die bei der Verhaftung beschlagnahmte Festplatte ging: 

E se non recupero quello allora si che mi organizzo con un carro armato e me li vado a riprendere.

Mag die Unabhängigkeitsszene die mediale Ruhe nutzen, um sich neu zu formieren. Ob jetzt getrennt marschiert wird, oder ob man nur bellt, um sich dann mit besseren Trümpfen in den Händen neu zu verbünden, entschließt sich meiner Urteilskraft. Genauso wie die Frage, ob die rechtspopulistischen und militanten Zweige sich gegenseitig nutzen oder schaden. Zur Europawahl freilich werden der Lega erst einmal ein paar Prügel zwischen die Beine geworfen.

Und die Freiheitlichen? Cavalcano quelli che cavalcano? Die Kunst der Politik des Unausgesprochenen.  

 

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Hartmuth Staffler Mi., 23.04.2014 - 16:55

Mit diesem höchst dubiosen Bündnis wird Pius Leitner die Freiheitlichen wohl in die Bedeutungslosigkeit führen, so wie es die Lega-Führer bereits geschafft haben.

Mi., 23.04.2014 - 16:55 Permalink