Gesellschaft | kalašnikov&valeriana

Victim Blaming

Wieso fällt es uns leichter, die Schuld beim Opfer zu suchen, statt den Täter in die Verantwortung zu nehmen?
Stadtlauf gegen Gewalt an Frauen
Foto: Stadtgemeinde Bozen

Erst kürzlich habe ich für eine Fortbildung ein Video angesehen, das mich immer wieder von neuem beeindruckt. Kennt ihr es? https://youtu.be/b9G_ezXc1Ss

Was hier so schockierend wirkt, ist die Umkehrung von Rollenbildern. Die Schuldumkehr (wenn die Schuld des Täters für eine Straftat dem Opfer zugeschrieben wird) kennen Frauen alle ... Das Muster der Täter-Opfer-Umkehr (oder auch victim blaming) ist auch in unserer Südtiroler Realität im Bereich der männlichen Gewalt an Frauen allgegenwärtig und klar ersichtlich. Wir finden sie in der Gesellschaft im allernächsten Umfeld, jedes Mal, wenn die Frage nach einer Mitschuld und/oder einer Mitverantwortung der Frau für die erlebte Gewalt im Raum steht: „Wie war sie angezogen?“ - „Sie wird schon geflirtet haben…“ - „Wahrscheinlich hatte sie sogar einen Liebhaber“. Als ob einer der oben genannten Gründe Gewalt rechtfertigen würde. Ein anschauliches Beispiel ist dafür die Installation „Com‘eri vestita“, ab 24.11. im Teatro Cristallo Bozen: Diese Ausstellung thematisiert anhand von Kleidung, Gedanken und Erzählungen von vergewaltigten Frauen ebendiese Schuldumkehr.

Eine wichtige Rolle in der Täter-Opfer-Umkehr spielen Institutionen wie Ordnungskräfte, Anwält:innen, Staatsanwaltschaft, Ärzt:innen usw. Schließlich sitzen in diesen Institutionen letztendlich ja auch nur Bürger und Bürgerinnen, welche dieselben Vorurteile mitbringen und dazu noch Gedankengut wie: „Wäre es tatsächlich so schlimm gewesen, hätte sie ihn schon früher angezeigt“ - „Diese Anzeige zielt nur darauf ab, Vorteile für sich persönlich herauszuschlagen“ (ich persönlich kenne keine einzige Frau, die aus einer Anzeige wegen Gewalt auch nur einen klitzekleinen Vorteil gezogen hätte, ihr etwa?).

Genauso wie die allgemeine Haltung zur Täter-Opfer-Umkehr der Zivilgesellschaft hat auch die Haltung der Institutionen sehr weitreichende Auswirkungen. Der Ausstieg aus einer Gewaltsituation hängt auch von der Reaktion des Umfeldes ab...

Nicht zu unterschätzen ist bei diesem Phänomen die Komplizen-Rolle der Medien: Wer erinnert sich an den jüngsten Artikel im lokalen Tagblatt, wo die Informationen zu sexuellen Belästigungen an Unis mit einem absolut unangemessenen Bild illustriert wurden, in dem eine Studentin im Minirock mit aufreizender Pose ihrem Dozenten entgegentritt? Ein peinliches Paradebeispiel für die Täter-Opfer-Umkehr! Langsam frage ich mich, wann bei den Zuständigen für die Auswahl von Bildmaterial in den Redaktionen endlich der Einheitstext über die Pflichten der Journalist:innen ankommt.

Wieso fällt es uns leichter, die Schuld beim Opfer zu suchen, statt den Täter in die Verantwortung zu nehmen? Glauben wir etwa an eine „gerechte Welt“, in der niemandem grundlos Böses widerfährt? Oder ist es, weil es zu mühsam ist, die eigenen Denkmuster zu hinterfragen? Oder weil wir zu abgestumpft sind, um den Betroffenen wirklich zuzuhören?

Auf der Suche nach Antworten, rate ich inzwischen zur irritierenden Ansicht des Videos https://youtu.be/b9G_ezXc1Ss (keine Trigger-Warnung fällig!)

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Robert Hölzl Mo., 28.11.2022 - 20:09

Was ist "blaiming"? Ich kenne nur "blaming".
Ich will damit nicht den Inhalt des Artikels lächerlich machen, sondern auf die immer mehr umsichgreifende Unart von (besonders online-Inhalten) hinzuweisen, keinerlei Korrekturlesen mehr vor der Veröffentlichung vorzunehmen.

Mo., 28.11.2022 - 20:09 Permalink
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Robert Hölzl Di., 29.11.2022 - 11:05

Antwort auf von Alexandra Kienzl

Vielen Dank für Ihren Hinweis. Gerne erläutere ich Ihnen den Sinn: Vor allem online-Medien scheinen auf das Korrekturlesen von Inhalten zu verzichten. Sie werden jetzt natürlich darauf verweisen, dass ein Medium genausowenig wie ein Inhalt Korrekturlesen oder eine Unart haben kann , daher ergänze ich "die Redakteure von online-Medien". Und sicher hätte ich beim ursprünglichen Kommentar statt "von besonders" "besonders bei" schreiben sollen. Bitte gerne. :-)

Di., 29.11.2022 - 11:05 Permalink
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Stereo Typ Di., 29.11.2022 - 10:52

Die Täter-Opfer-Umkehr ist auch bei Mobbing zu beobachten. Da mobbt der Chef einen Mitarbeiter und alle versammeln sich (aus Angst, der*die Nächste zu sein) hinter dem Aggressor. "Der Arme wird schon etwas gemacht haben, dass der Chef so (re-)agiert ...", wird dann getuschelt. In den allermeisten Fällen geht der Gemobbte, der Mobber bleibt.

Di., 29.11.2022 - 10:52 Permalink