Es gibt in der griechischen Mythologie dieses Bild von Prometheus, an das ich öfters denken muss. Zur Strafe dafür, dass er den Menschen das Feuer gebracht hat, wird der Held, an einen Felsen gekettet, täglich von einem Adler heimgesucht, der Teile seiner Leber frisst. Die wächst zwar sogleich wieder nach, trotzdem stelle ich mir das sehr unschön und auch eher unangenehm vor. Nun habe ich zwar nicht den Menschen das Feuer gebracht, sondern nur in unregelmäßigen Abständen eine meist lärmende Kolumne, trotzdem kann ich seit einiger Zeit mit Prometheus mitfühlen: Wenn immer ich die Berichterstattung dazu, was in der Südtiroler Volkspartei derzeit so abgeht, verfolge, ist mir als würde ein (zerrupfter Tiroler) Adler Teile meines Gehirns wegfressen. Es regeneriert sich zwar recht bald, aber da trudelt schon die nächste Wortmeldung rein.
...mit schöner Regelmäßigkeit eine neue Folge von „Arno – Wege zum Glück“, „Sturm im Landtag“ oder „Schlechte Zeiten, schlechtere Zeiten“ auf Sendung...
Nun will ich mich nicht nur beschweren, denn, zwei Seelen wohnen auch in meiner Brust: Die dem Tratsch zugeneigte frohlockt und jubiliert natürlich, wenn mit schöner Regelmäßigkeit eine neue Folge von „Arno – Wege zum Glück“, „Sturm im Landtag“ oder „Schlechte Zeiten, schlechtere Zeiten“ auf Sendung geht. Es ist ja wirklich alles da: ein strahlender Held in der Sinnkrise, finstere Schurk*innen, die ihm ans Leder wollen, zarte Anbahnungen mit möglichen Koalitionspartnern, Verräter*innen in den eigenen Reihen, ein tragischer Anti-Held, kaum zu bändigendes Bauernvolk, ein Maulwurf, der anscheinend ungestört seine Gänge im eh schon instabilen Erdreich buddeln darf, und so weiter und so fort. Wenn man es schafft auszublenden, dass wir es hier mit unserem politischen Personal zu tun haben und das ganze rein nach seinem Unterhaltungswert beurteilt, dann muss man anerkennend feststellen: Hut ab! Pointe folgt auf Pointe, auf jeden Schuss folgt verlässlich der Gegenschuss, ständig werden neue Wendungen serviert, die man wirklich nicht kommen sah. Und dann die über Monate gehaltene Suspense, ob der Hauptdarsteller erhalten bleibt oder doch aussteigt: Großes Kino. Wer hat nicht gezittert, wer hat nicht gerätselt? Man kann sich mit einer Schüssel Popcorn aufs Sofa setzen, das Dramolett aus der Brennerstraße verfolgen und wird garantiert besser unterhalten, als beim TV-Abendprogramm zur Prime Time.
...die Bürgerin dieses Landes, sie mag längst nichts mehr hören von persönlichen Fehden, Machtspielchen, Majesdeegsbeleidigungen, von „er hot gsogg“ und „sie hot gsogg“.
Das beste Popcorn aber schmeckt nicht mehr, wenn man es sich täglich reinschaufelt, und so ist es längst ein pappiger Plente, der einem da schon viel zu lange serviert wird. Die zweite Seele, das ist die der Bürgerin dieses Landes, sie mag längst nichts mehr hören von persönlichen Fehden, Machtspielchen, Majesdeegsbeleidigungen, von „er hot gsogg“ und „sie hot gsogg“. Wenn es um Fehlverhalten geht, das Auswirkungen auf die Allgemeinheit hat: raus damit, da bitte gerne Transparenz. Aber wir müssen nicht über jeden schiefen Blick, jedes Gezänk, jede Verstimmung brühwarm unterrichtet werden. Das gilt für die eifrigen Auskunftsgeber*innen innerhalb der Partei, die sich offenbar lieber mit Bild in der Zeitung (oder auf der Website) sehen als intern Probleme anzusprechen ebenso wie, mea culpa, für die Medien, denen kein Pups zu sehr stinkt, um darüber zu berichten. Allein, es ist nur ein Pups. Wenn auch klar ist, dass unsere Entscheidungsträger*innen auch nur Menschen sind, bei allem Verständnis, es menschelt mir zu viel in dieser Partei. Ich hätte mir zumindest ein bisschen die Illusion bewahren wollen, dass die Akteure in ihrem Tun und Handeln ausschließlich von Professionalität, Vernunft und dem Gedanken ans Allgemeinwohl geleitet werden, und nicht jeder kleinsten Gefühlsregung nachgeben, um sich gegenseitig eine reinzuwürgen. Ich mag großes Drama, aber ich mag es nicht dort, wo große Entscheidungen getroffen werden. Die bitte mit kühlem Kopf und ruhiger Hand, die geballte Faust kann in der Tasche bleiben.
Hauptsache mehr Peace, Love, and Harmony, und weniger Haxl-Stellen.
Deshalb hoffe ich inständig, dass die nahende SVP-Klausur zum dringend nötigen In-Sich-Gehen verwendet wird. Wir können nämlich nicht mehr. Egal, was ihr macht, einen klassischen Exorzismus, gemeinsames Schamanen-Trommeln im Vollmond, Seelen-Striptease in der Schwitzhütte: Hauptsache, ihr macht euch das mal aus. Wir werden keine Fragen stellen, versprochen. Vielleicht solltet ihr es auch mal mit illegalen Substanzen versuchen, die ja z.B. in Deutschland gar nicht mehr so illegal sind. Hauptsache mehr Peace, Love, and Harmony, und weniger Haxl-Stellen. Ihr müsst ja nachher nicht alle Händchen halten im Landtag, aber wenn eure Arbeit wieder im Vordergrund stände und nicht irgendwelche Befindlichkeiten und Eifersüchteleien, das wäre schon schön. Ach ja, nur eines würde mich dann halt doch noch interessieren: Wer dem Knoll Sven die
Spenderliste geleakt hat. Aber dann ist wirklich Schluss.