Politik | Eiertreter*in

Scheiß Weihnachten

Wollsocken und Plastik-Ramsch. Alles möglich wurde mir geschenkt, aber nichts von dem was ich mir gewünscht habe. Geht mir echt auf den Senkel.
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Foto: Acharaporn Kamornboonyarush/Pexels

So eine gequirlte Kacke! Habe jetzt extra noch einige Tage gewartet, damit es vielleicht noch was wird – mit den zwei lang ersehnten Geschenken. Weiß man ja, wie das mit den gerissenen Lieferketten, dem Rohstoff- und Fachkräftemangel, den im Advent überlasteten Paketdiensten und so ist. Den Gabentisch hatte ich dieses Jahr sogar besonders geschmückt: Weihnachtsbaum aus biologischem Anbau. Bienenwachskerzen aus fairem Handel. Und erst die Krippe: Eigens Pamper mit aufgerissenen Bäuchen, angefressenen Hinterläufen und durchgebissenen Kehlen schnitzen lassen. Statt des Stern von Bethlehem über dem Stall ein Miniaturtransparent mit dem „Schützt die Almen“-Slogan und dem Bild des Zähne fletschenden Wolfs. Dazu die Hirten, statt kniend vor der Krippe, schwer beschäftigt mit dem Aufstellen eines Herdenschutzzauns, während einer, lässig an einen Baum gelehnt, das Jagdblatt der Südtiroler durchblättert – die Seiten mit den Todesanzeigen, um genau zu sein. Kurz, es war alles vorbereitet. Und ich habe gefleht; sogar gebetet, obwohl ich gar nicht mehr wusste wie das geht: Bitte, bitte ... nur einmal das Weihnachtsgeschenk bekommen, das man sich gewünscht hat.
Nisba! Allen möglichen Schruz gab's: Hauspatschen; den üblichen Kalender; einen Schlüsselanhänger der sich meldet, wenn man „Wo bist du?“ ruft. So ein Made-in-China-Glump, das mit meinem Südtiroler Akzent irgendwie nicht zurecht kommt. Wie jedes Jahr Dinge, die kein Mensch braucht. Die spätestens in einem Monat, wenn die ersten Nähte aufgehen und die Batterien alle sind, im Müll landen. Und warum das ganze? Weil der Luther - dem Reliquien- und Heiligenverehrung total zwider war - dem gabenbringenden Nikolaus das Wasser abgraben wollte und dafür das „Christkindlin“ erfand. Und die Katholen, die schon immer - in Ermangelung von ausreichend Phantasie oder aus schierem Neid - auf alle Feste und Feiern der transzendentalen Konkurrenz aufgehupft sind, haben nicht nur die heidnische Sonnwendfeier vereinnahmt, sondern auch den protestantischen Rauschgoldengel namens Christkind. In meiner Kindheit wurde übrigens schon am Goldenen Sonntag gefeiert oder am dritten Advent, weil die Mame ab 22. Dezember beim Hintertoler bedienen musste. Damit das vorgezogene Weihnachten in der Nachbarschaft nicht auffiel, durfte ich meine neue Barbie bis nach dem ersten Weihnachtsfeiertag niemanden zeigen. Folter pur für ein kleines Mädchen.
Weil der Tate nicht alleine feiern wollte, lud er nach der Christmette (damals wirklich noch um Mitternacht und nicht komfortzonenmäßig um 22 Uhr) immer den Nachbar ein. Aus Weihnachten wurde dann Weinnachten, wenn sie mit einem Doppelliter Leps auf den Geburtstag des Jesukindl anstießen. Waren sie gegen drei Uhr früh - in der Flasche nur noch eine Neige - mit dem Plattenstapel von The Who und Iron Maiden durch, vom Hell's-Bells-Gröhlen schon heiser, stimmten sie - schwer lallend - ein „Happy birthday, lieber Jesus“ an und der Luis rezitierte Theodor Storms „Von drauß' vom Walde komm ich her.“ Ja, genau der Theodor Storm, der den Schimmelreiter verbrochen hat, über den ich mal eine Schularbeit schreiben musste und als Note einen Tschess eingefangen habe. Soweit ich zurückdenken kann, war Weihnachten nicht so meins.
Vermutlich habe ich deshalb dieses Jahr wieder kein einziges Geschenk von meinem Wunschzettel bekommen. Und dabei habe ich ihn redundant an beide Adressen geschickt. Wenn man als Tochter zweier Eltern aufwächst, die aus gänzlich verschiedenen Kulturkreisen stammen, schreibt man einmal an das Christkind und zur Sicherheit an den guten alten Santa Claus. Sie wissen schon, der, der mit Elfen und Rudolph, the Red-Nosed Reindeer am Nordpol eine Spielsachenfabrik betreibt. Und nein, weder der Weihnachtsmann selbst, noch sein roter Mantel samt weißem Fellkragen wurde von Coca-Cola erfunden. Mein Daddy hat mir das mit „Father Christmas“ genau auseinander klamüsert.
Hmmm? Jetzt wo ich das schreibe kommen mir doch Zweifel, ob man diesen, von Gott vergessenen Flecken Erde in den Bergen, überhaupt einem Kulturkreis zurechnen kann? Südtirol hat nämlich mit Kultur genauso viel zu tun, wie Speckknödel mit Molekularküche. Blasmusikkapellen, Schuhplattler, Goaslschnöller - da trifft es sich gut, dass der Kulturlandesrat ein Studienabbrecher ist, dem mehrere Jahre an bewusstseinserweiternden Studentenpartys abgehen, die sicherlich seinen Horizont erweitert hätten. Ich schweife ab.

Sternspritzer

Unerfüllbar wären meine Wünsche nicht gewesen: Da wäre zum einen die Abschaffung der Region. Als ich gelesen habe, dass sich der fleischgewordene Sarnerwitz, der Locher Franz, im Regionalrat bei der Verabschiedung des Haushalts mit den Worten: „Ich möchte keine schwache, sondern eine starke Region, denn diese ist für die Verhandlungen mit Rom wichtig“, zitieren ließ, wusste ich, etwas ist faul im Staate Dänemark … äh Südtirol. Zuerst dachte ich, es geht dem Franz um seinen Spezi aus dem schönen Gadertal, den Regionalassessor und Hochkönig für Mikrowohnbauzonen. Was für ein Jammer, wenn der keine fette Amtsentschädigung für ein völlig sinnloses Amt einstreichen würde. Von den 25.350,41 Euro die der Manni 2020 aus den landwirtschaftlichen ELER- und EGFL-Fonds erhalten hat, kann ja kein Erschwernispunkte-Bauer leben. Oder den 26.507,18 Euro die, laut den Gewährungsakten des Landes 2021 ausbezahlt wurden.
Bei aller Freundschaft - das Sarner U-Boot des Südtiroler Bauernbundes im Landtag ist ja kein dummes. Der „König unter den Blinden“ (so nennt man die Einäugigen bekanntlich) weiß, wo er seine Vorzugstimmen zu holen hat und für so ein warmes Plätzchen im Schlafsaal am Magnagoplatz braucht es bekanntlich eine ganze Menge. Es lag also die Vermutung nahe, dass die Region mit den Privilegienrittern und Subventionsabgreifern irgendwie zusammenhängt?

Wenn du mit dem Betreiber der lokalen Wellnessanlage mit angebautem Hotel sprichst, schimpft er zuerst über die Energiepreise, dann das fehlende Personal, dann die IRAP, die Bürokratie, die kostenlose Stornoregel auf Booking.com. (Offengestanden mault er auch, dass er im Winter in seinem Tesla nie die Heizung anmachen kann, weil es zwischen Brixen und seiner Garage keine Ladestation gibt und er unsicher ist, ob er mit Heizung noch nach Hause kommt. Konnte aber nicht einordnen, an welcher Stelle das kommt: Vor oder nach der IRAP).
Die Larmoyanz wurde tausendprozentig in Südtirol erfunden. So sicher wie das Amen in der Mette goscht der Hintertoler nämlich auch über die unlautere Konkurrenz durch den fast steuerbefreiten Urlaub-auf-dem-Bauernhof und - aufgepasst - dass wir den Bauern ihre Rente zahlen! Holla, habe ich mir gedacht, das wäre eine Spur.
Tatsächlich musst ich gar nicht lange suchen, um auf die Website mit dem schönen Titel: „Beitrag für den Aufbau einer Zusatzrente der Bauern, Halb- und Teilpächter und deren mithelfenden Familienangehörigen“ zu stoßen. Das Regionalgesetz vom 25. Juli 1992, Nr. 7 - Art. 6-ter, in geltender Fassung. Müssen Sie nicht lesen. Ist das übliche Vokabular mit „Erschwernispunkten“, „3 ha Obst- oder Weinbaufläche“, „Großvieheinheiten“, bla, bla, bla … Viel interessanter ist der Satz: „Einzahlung von mindestens 500 € in einen Zusatzrentenfond im Bezugsjahr“. Kapito! Die Zusatzrente der Surer und Monokulturisten, wird mit Umweg über die (ungeliebte) Region von Ihrem und meinem Obolus bestritten.
Habe bei einem Glas Guatn den Hintertoler gefragt, ob ihm die Region auch eine Zusatzrente zahlt? Die Antwort war die selbe wie beim Toni, meinem Haus- und Hof-Hydrauliker: Als freier Unternehmer würde man bei dem Wust an Beiträgen und Förderungen schnell mal den Überblick verlieren, aber wenn da Geld von der Region drunter wäre, wäre das früher oder später sicher aufgefallen. Daraufhin habe ich versucht mich durch die „Sondernummer Nr. 2 vom 19. Dezember 2022, zum Amtsblatt Nr. 50“ mit dem Haushalt der Autonomen Region Trentino-Südtirol zu wühlen, um herauszufinden, was uns die Bauern da schon wieder kosten. Leider bin ich erstens keine Buchhalterin und zweitens ist das alles so verklausuliert, dass man fast schon System dahinter vermuten kann, die Eiterbeulen des Systems Südtirol möglichst ausgefinkelt zu verstecken. Allerdings bin ich beim Durchforsten auf ein Gustostückerl gestoßen, das ich Ihnen keinesfalls vorenthalten möchte: Die Region hält in ihren Büchern nach wie vor eine Beteiligung von 1,88013 Prozent an Air Alps Aviation Alpenländisches Flugunternehmen Ges.m.b.H. Täusch ich mich oder wurde 2013 beschlossen die Gesellschaft zu liquidieren? Wieviel ist noch mal 1,88 Prozent von Null?
Schönes Stichwort. Denn Null ist genau der Betrag, den die Region und ihr Bauern-Rentenfonds wert ist! Von der Null von Regionalassessor ganz zu schweigen. Wir brauchen ein zweites „Los von Trient!“ Oder wie unsere Bauern immer fordern: „Südtirol muss regionfrei werden!“
Und auf Null sollten alle (das müssen Sie jetzt mit dem Duktus unseres Wirtschaftslandesrat Du, Philipp lesen) … „alle, ich sage es noch einmal, alle“, Subventionen, Beiträge, Zuschüsse, Rotationsfonds des Landes gesetzt werden. Null! Das war mein zweiter Wunsch an Santa Claus.
Wir leben ja in einer freien Marktwirtschaft. Gewinne sind der Lohn des unternehmerischen Risikos oder so. Die exorbitanten Managergehälter sind reziprok zur exorbitanten Verantwortung (aus der sie sich dann stehlen, nachdem sie den Betrieb an die Wand gefahren haben). Der fette SUV mit deutscher STA- oder RO-Targa wird rechtschaffen auf Kosten niedriger Löhne geleast (und damit man keine walschen Knöllchen zahlen muss). Warum sollte man in das Gefüge von Angebot und Nachfrage eingreifen und mit Steuergeld drogieren? „Der Markt regelt sich selber“, ist der Killer-Sager in den das neoliberale Geschwafel dann gipfelt.  
Ich habe mich ja weggeschmissen, als ich in der Nummer 50, vom 15. Dezember der Wochenzeitschrift FF gelesen habe, dass unser oberster Vorzeigeunternehmer und Handelskammerpräsident 2021 für seinen Konzern mit dem ReWOLFerblatt als Flaggschiff 13.655.744 Euro an öffentlichen Beiträgen erhalten hat, aber nur 4.114.473 Euro Steuern bezahlt hat.
Der unternehmerische Geist beschränkt sich hierzulande darauf, die Hand aufzuhalten und gleichzeitig zu jammern wie schlecht es der Wirtschaft geht; denn ginge es der Wirtschaft gut, ginge es ja allen gut: Dann wäre nicht am Ende des Geldes noch so viel vom Monat übrig. Die viel beschworene Innovation erschöpft sich in der Suche, die öffentliche Hand auf möglichst effiziente Weise zu melken. Melken - tolle Steilvorlage habe ich mir da geliefert, denn die schlimmste Sorte der Abkassierer ist die „Des-isch-mein-Grund“-Fraktion. Werden nicht sofort 300 Euro Energiebonus pro Milchkuh ausbezahlt, wird sofort mit „Nor bleib die Stolltir zua“, gedroht. 20 Millionen Euro für die Bekämpfung des Borkenkäfers, weil es den Waldbesitzern zu teuer war das Vaia-Holz aus dem Wald zu holen. Wie war das Sprichwort: Eigentum verpflichtet? Vielleicht sollten wir die Beitragsempfänger enteignen, statt diese Gratismentalität weiter zu fördern?
Ich sage: Schluß mit Geld für renovierte Marterlen und Schindeldächer! Wir sollten erst einmal dafür sorgen, dass das Dach denen gehört die darunter wohnen. Und damit meine ich die „rund 13.940 Wohnungen, Autoabstellplätze und Keller, Geschäfte, Magazine, Büros, Abstellräume, sowie zirka 500 Bettenplätze in Arbeiterwohnheimen und betreuten Wohngemeinschaften“, die das WOBI zu seinem Vermögen zählt. Schande über uns, dass wir Pflegekräfte, Schwestern und Ärzte nicht attraktiv bezahlen. Und anstatt in einem PPP-Projekt mit den üblichen Geldsäcken Kavernengaragen zu bauen, sollte man in ein ordentliches Kältezentrum investieren. Eins? Zwei, drei … Da war doch was mit Herbergsuche und so. Irgend ein Tischler mit einer Gitsch. Sie mit ihrem Ledigen wompet auf der Suche nach Unterschlupf? Once upon a time in a galaxy far, far away...

Lametta

Weihnachten, das Fest des Friedens. Bah! „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ Mit diesem Schlachtruf der französischen Revolutionsarmee von 1792 beginnt 1834 Georg Büchners revolutionäres Manifest „Der Hessische Landbote“. Wir bräuchten auch eine Revolution. Wir bräuchten eine Mutterpartei um die 15 Prozent. Volkspartei wollte ich nicht schreiben, weil dieser Lobbyverein hat mit dem Volk nichts mehr gemein. Wir bräuchten mal was anderes, nach 70 Jahren Filz und Geschacher. Ich wollte jetzt nicht schreiben: Wir bräuchten wieder einmal eine Guillotine - aber gedacht habe ich es. Cazzo! In einem Inzucht-Land, wo jeder mit jedem über drei Ecken verwandt oder verschwägert ist, wird Nepotismus unerträglich.
Übrigens. Büchner mag ich: „Ich hab's gesehen, Woyzeck! Er hat auf die Straße gepisst, an die Wand gepisst, wie ein Hund!“, war mein Lieblingssatz. Entspricht genau der Fäkalsprache die beim Gedanken an dieses Scheiß-Weihnachten in diesem Scheiß-Land über mich kommt.

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Josef Fulterer Mi., 28.12.2022 - 06:54

Der / wohl eher die GOGGEL TOTSCH sollte sich die Seiten 197 bis 212 vom Hans Heiss-Buch "Die Blüten der Macht" genauer durchlesen, damit er / sie versteht, dass seine / ihre Wünsche in diesem vom Beziehungs-Filz verseuchtem Land nicht erfüllbar waren.

Mi., 28.12.2022 - 06:54 Permalink
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Ceterum Censeo Mi., 28.12.2022 - 08:54

recht miserables Durcheinander, komplett überdreht. Ist das lustig gemeint?

Eine Passage möchte ich rauspicken:

"das Sarner U-Boot des Südtiroler Bauernbundes im Landtag ist ja kein dummes. Der „König unter den Blinden“ (so nennt man die Einäugigen bekanntlich) ..."

Diese Verarschung eines Menschen aufgrund einer Beeinträchtigung, ja, das ist KACKE.

Mi., 28.12.2022 - 08:54 Permalink