Gletscher Symbolbild
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Umwelt | Fritto Misto

Frostbiss

Warum ein königliches Pimperle uns näher geht als die Gletscherschmelze
Es gibt ja Dinge, die man lieber nicht gewusst hätte. Leider stellt man das meist erst fest, nachdem man sie erfahren hat. Dass sich Prince Harry bei einer Antarktis-Expedition Erfrierungen an seinem Gemächt zugezogen hat, gehört da zumindest für meinen Geschmack dazu - trotzdem hat der abtrünnige Royal beschlossen, diese Information der Welt nicht vorzuenthalten, sondern sie in seinen kürzlich erschienenen Memoiren "Spare" detailliert darzulegen. "My penis was oscillating between extremely sensitive and borderline traumatised", führt er aus, und traumatisiert dürften auch die Leser*innen sein, die weiters erfahren dürfen, dass das geplagte Körperteil von ihm mit ebenjener Kosmetikcreme behandelt wurde, welche seine Mutter, Lady Di, für ihre Lippen verwendete. Trotzdem schmerzte seine "Kröte", wie Harry das royale Glied liebevoll nennt, auch während der Märchenhochzeit seines Bruders William mit Herzogin Kate, und es ist dies ein Bild, das der Welt wohl erhalten bleiben wird: Da der ergriffene William in Uniform, dort die traumhaft elegante Braut, und in der zweiten Reihe, aber nun den Moment für immer überschattend, Harrys erfrorener, mit Elizabeth Arden-Creme eingeschmierter Penis.
 
 
Sagenhafte 1,44 Millionen Exemplare der Memoiren wurden am ersten Tag (!) ihres offiziellen Erscheinens in UK, Kanada und den USA verkauft. Kein anderes nicht-fiktionales Werk des Verlags Penguin Random House kann da mithalten. Zugegeben: Es wird nicht nur die Penis-Anekdote sein, die die Menschen die Buchläden stürmen lässt. Harry erzählt in "Spare" schließlich auch recht freimütig über sein erstes Mal mit einer älteren Frau, bei dem er sich wie ein "Zuchthengst" gefühlt habe. Und "sex sells" nunmal, auch wenn er unappetitlich und mit Frostbeulen bestückt daherkommt.
Und "sex sells" nunmal, auch wenn er unappetitlich und mit Frostbeulen bestückt daherkommt.
Etwa zur selben Zeit, als der pochende Penis munter die Gazetten weltweit bespielte, erschien die Meldung, dass wohl die Hälfte der Gletscher weltweit bis zum Ende des Jahrhunderts wegschmelzen würde. Zumindest gefühlt traf diese Nachricht auf weit weniger Interesse bei der Menschheit, obwohl ja beide Themen irgendwo mit Kälte zu tun haben. Verständlich, denn es fehlen halt sehr die „sexy bits“, wenn davon die Rede ist, dass die Gletscherschmelze, die bereits voll im Gange ist, einerseits zum Ansteigen des Meeresspiegels und damit zu Überschwemmungen, und andererseits zu Wasserknappheit in Trockenphasen und damit zu Problemen bei Trinkwasserversorgung, Bewässerung, Warentransport und so weiter führen wird. Jawohl, auch bei uns. Dagegen könnte die Aussicht auf bloß angefrorene Genitalien direkt reizvoll erscheinen, trotzdem scheint das Gletschersterben die Öffentlichkeit seltsam, ja, kalt zu lassen. Geschenkt, man hört es ja seit Jahren, es ist nichts Neues. Jetzt tritt halt ein, was schon lange prophezeit wurde; der Wow-Effekt fehlt, während den königlichen Frostpenis ja wirklich keiner kommen sah.
Dagegen könnte die Aussicht auf bloß angefrorene Genitalien direkt reizvoll erscheinen, trotzdem scheint das Gletschersterben die Öffentlichkeit seltsam, ja, kalt zu lassen.
Vielleicht müssen Nachrichten über die Klimakrise einfach erotisch garniert werden, damit sie die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen gebührt. Die drohende Gefahr für Leib und Leben von Millionen Menschen scheint ja keinen mehr hinter dem Ofen hervorzulocken. Vielleicht müssen wir auch den Klimaschutz krampfhaft sexy machen, wenn die bloße Sinnhaftigkeit fürs Fortbestehen unserer Zivilisation zu wenig Argument ist. Also, Radfahren ist sexy, weil es einen knackigen Hintern macht. Zugfahren ist sexy, weil es zu unerwarteten Begegnungen führt (die wiederum zu sexy Situationen führen können, naja). Weniger Klamotten kaufen ist sexy, weil man sich in den alten Hudern mehr anstrengen muss, das Gegenüber mit Charme zu bezirzen. Sich vegan zu ernähren ist sexy, weil tote Tiere essen einfach komplett unsexy ist. Und so weiter. Am unsexiesten von allem ist es übrigens, sich sein eigenes Grab zu schaufeln und so zu tun, als wäre es ein Swimmingpool. Aber das will ja auch niemand hören, also: Wie war das nochmal mit Harrys Penis?   
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Lollo Rosso Sa., 14.01.2023 - 07:38

Ja, leider können wir nur wenig gegen den Klimawandel tun. Die Politik muss hier den Weg weisen, damit der CO2 Ausstoß signifikant verringert wird. Aber wie man sieht ist Papier geduldig. Nachhaltigkeit wird versprochen, aber gleichzeitig werden Verbote, die die Natur schützen sollen, wieder ausgehebelt. Siehe Bettenstop, Landschaftsschutzplan.

Sa., 14.01.2023 - 07:38 Permalink
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Hartmuth Staffler So., 15.01.2023 - 17:15

Leider wird dieser geistreiche Artikel kaum zu einer Änderung der Weltpolitik führen, aber mindestens ist er informativ und unterhaltsam zugleich für alle, die - so fürchte ich - innerlich schon längst resigniert haben, aber dennoch nicht aufgeben wollen.

So., 15.01.2023 - 17:15 Permalink
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Ida Heller Mo., 16.01.2023 - 11:12

Sorry, aber lest doch einfach dieses k**k Buch nicht. Ich hätte von diesem verdammten Penis nie nichts gehört!! Und möchte es in Zukunft bitte auch nie mehr hören!
Und mich sorgt die Umwelt echt!! Verdammt, ich bin sogar eine, die seit 5 Jahren immer noch denselben Pulli trägt...und wenn er hält noch weitere 5!! Ich will, das die Gletscher bleiben!!!
Pensis....pah!!! So eine doofe Nachricht!!

Mo., 16.01.2023 - 11:12 Permalink
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Josef Fulterer Fr., 20.01.2023 - 06:37

Antwort auf von Elisabeth Garber

Wir leben in einem Land in dem Alles den Hang hinunter rinnt, aber bei den sich häufenden puntuellen Starkregen, leider auch aus dem überlasteten Abwasser-Leitungen hervor quillt, weil die verteilenden Höhenwinde wegen den Klima-Störungen schwächeln.
"Unsere viel-gelobte Stromproduktion" wird auch im Sommer aus den kleiner-werdenden Gletschern abnehmen, wo die Klima-Anlagen mehr Energie fressen wie für die Heizung im Winter, weil die Architkten "Gebäude ver-planen" in denen der Mensch schwitzen muss, aber derzeit noch nicht will!
Die seit rund 40 Jahren versäumte Abwendung von der fossilen Energie, "wird ohne sofortige radikale Änderungen weite Teile der Erde überschwemmen / zu einer Wüste machen," in der die landwirtschaftliche Produktion und auch das Wohnen nicht mehr möglich ist.

Fr., 20.01.2023 - 06:37 Permalink