Drei Affen
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Gesellschaft | Medien

Selbstlose Streichungen

Ich muss es öffentlich sagen: Der Alto Adige ist eine wirklich unabhängige, objektive und mutige Tageszeitung. Die Geschichte einer Meldung mit persönlichem Beigeschmack.
Manchmal muss man wirklich jedes Wort abwägen.
Dieser Artikel ist ein solcher Fall. Gleich im zweifachen Sinne.
Es geht um eine Meldung, die am heutigen Mittwoch auf der Homepage der größten italienischen Tageszeitung Südtirols erschienen ist. Es handelt sich um ein wahres Meisterwerk des objektiven und unbestechlichen Journalismus. Die Nachricht ist zwar nur elf Zeilen lang, aber dennoch der ultimative Beweis dafür, dass der „Alto Adige“ eine wirklich unabhängige und mutige Tageszeitung ist.
Gleichzeitig wird damit aber auch sonnenklar, welch Intrigant der Schreiber dieser Zeilen ist.
Damit wird aber auch sonnenklar, welch Intrigant der Schreiber dieser Zeilen ist.
Beginnen wir aber ganz am Anfang.
Am 18. März 2022 stellen Artur Oberhofer und der Autor dieser Zeilen ihr neues Buch „Freunde im Edelweiß“ vor. Es ist ein Buch, das einen medialen und politischen Sturm auslöst, der weit über Südtirol hinausgeht. Auffallend aber ist, dass eine Zeitung eine Woche lang keinen Satz über das Buch und seine Folgen verliert. Der Alto Adige. Als dann die Querelen innerhalb der SVP so groß werden, dass man den Auslöser nicht mehr verschweigen kann, schafft es die Redaktion  wochenlang das ganze wortreich zu umschreiben, um ja nicht den Buchtitel und die Autoren nennen zu müssen.
 
 
 
Dieser journalistische Veitstanz führt dazu, dass der Autor dieser Zeilen auf Salto.bz eine böse Kolumne mit dem durchaus provokanten Titel „Servi del padrone“ veröffentlicht. Der Text ist eine Abrechnung mit der Führungsspitze des „Alto Adige“, aber auch ein Fingerzeig, was passiert, wenn ein Konzern 80 Prozent des Medien- und Werbemarktes in einer Region hält.
Nach Anhörung des Verfassers hat der Disziplinarrat der Journalistenkammer beschlossen, eine Ermahnung gegen den Autor dieser Zeilen auszusprechen.
Diese Zeilen werden mir ein Verfahren vor der Journalistenkammer einbringen“ lautet der erste Satz der Kolumne.
Und genauso ist es auch. Die gesamte Redaktion des „Alto Adige“ unterschreibt zwei Wochen später eine Eingabe, die Anwalt Giancarlo Massari beim Disziplinarrat der regionalen Journalistenkammer einreicht. Man fordert darin Maßnahmen gegen den Verfasser dieser Zeilen, weil er gegen die Berufsordnung und den deontologischen Kodex der Journalistenkammer verstoßen habe.
Zu diesem Schluss kommt dann auch die Disziplinarkommission im August 2022. Nach Anhörung des Verfassers hat der Disziplinarrat beschlossen, eine Ermahnung gegen den Autor dieser Zeilen auszusprechen.
Die offizielle Begründung: „Weil er Artikel 1 des Einheitstextes über die Pflichten des Journalisten verletzt hat, der besagt, Journalisten und Herausgeber sind verpflichtet, den Geist der Zusammenarbeit zwischen Kolleginnen und Kollegen, die Kooperation zwischen Lesern und Herausgebern sowie das Vertrauen zwischen Presse und Lesern zu fördern. Im Besonderen hat er mit seinem Verhalten das persönliche Interesse mit einem Exkursus über journalistische Werte vermischt, und so wird der Kommentar, der auf Salto.bz veröffentlicht wurde, wenig glaubwürdig und beschädigt das Vertrauen zwischen Presse und Leserschaft.“
 
 
 
Die Ermahnung ist zwar die niedrigste Sanktion in der offiziellen Bestrafungsskala der Kammer und für den Autor dieser Zeilen die erste dieser Art, dennoch muss er sich spätestens zu diesem Zeitpunkt ernsthaft hinterfragen, was er alles falsch gemacht hat.
 
 
Die Antwort auf diese Frage liegt jetzt vor.
Die Tageszeitung hat am Mittwoch eine Exklusivmeldung gebracht: Landeshauptmann Arno Kompatscher hat Anfang Dezember am Landesgericht zwei Strafanzeigen gegen Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle hinterlegt. Es geht dabei um die Äußerungen der STF-Politiker zu den angeblichen Direktspenden an Arno Kompatscher im Wahlkampf 2018. Es ist eine Meldung, die bis hierher bereits bekannt ist.
Der eigentliche "Scoop" aber ist, dass Kompatschers Anwalt auch eine Strafanzeige gegen Toni Ebner hinterlegt hat. Der Landeshauptmann wehrt sich damit gegen eine Schlagzeile der Dolomiten vom 30. November 2022: „Direktspende an Kompatscher belegt“.
Arno Kompatscher sieht sich durch diesen Titel und den ungezeichneten Artikel verleumdet und hat den Direktor und Chefredakteur der Dolomiten, Toni Ebner, verklagt. Es ist ein historischer Tabubruch. Denn bisher hat sich noch kein Landeshauptmann in Südtirol getraut, so energisch gegen den Südtiroler Medienkoloss vorzugehen.
Fast alle Medien übernehmen die Meldung. So auch die Nachrichtenagentur ANSA. Das Bozner Büro lässt sich von Kompatschers Anwalt Alessandro Melchionda alle Einzelheiten nochmals bestätigen. Auch die Klage gegen Toni Ebner. Noch am Vormittag geht über die Agentur die Meldung wie folgt hinaus:
 
 
Fondi Svp: Kompatscher querela Knoll, Atz Tammerle e Dolomiten 
BOLZANO 
(ANSA) - BOLZANO, 08 FEB - Il governatore altoatesino Arno Kompatscher ha presentato querela per diffamazione contro i due consigliere provinciali della Sued-Tiroler Freiheit Sven Knoll e Myriam Atz Tammerle e contro il direttore responsabile del quotidiano Dolomiten Toni Ebner. La notizia della Tageszeitung è stata confermata all'ANSA dal legale del presidente della Provincia, l'avv. Alessandro Melchionda. Le querele riguardano affermazioni fatte dai due politici sui fondi della Svp per la campagna elettorale del 2018 e il titolo di un articolo non firmato del Dolomiten sulla stessa vicenda. (ANSA).
 
Wenig später erscheint der Agentur-Artikel auch auf der Homepage des Alto Adige. Dabei fehlen zufällig zwei Halbsätze.
 
 
Dass man beim Alto Adige die Klage gegen den eigenen Mitbesitzer Toni Ebner nicht veröffentlicht, dürfte ganz dem Artikel 1 des Einheitstextes über die Pflichten des Journalisten entsprechen. Denn solche Meldungen würden auf jeden Fall „das Vertrauen zwischen Presse und Leserschaft beschädigen“.
 
Die regionale Journalistenkammer sollte Direktor Alberto Faustini und den Alto Adige mit dem nächsten Pressepreis auszeichnen. Als Vorbild, wie guter Südtiroler Journalismus auszuschauen hat.
 
Diese Vorgangsweise macht endgültig deutlich, was für eine bodenlose Gemeinheit und welch deontologisches Verbrechen der Autor dieser Zeilen mit dem Titel seiner Kolumne im vergangenen März begangen hat. Er hat völlig unbegründete Unterstellungen lanciert, wie etwa die Verleumdung, dass man beim Alto Adige mit der "Schere im Kopf" arbeite, anstatt die steten Bemühungen anzuerkennen, durch solche selbstlosen Streichungen „den Geist der Zusammenarbeit zwischen Kolleginnen und Kollegen zu fördern“.
Die regionale Journalistenkammer sollte Direktor Alberto Faustini und den Alto Adige mit dem nächsten Pressepreis auszeichnen.
Als Vorbild, wie guter Südtiroler Journalismus auszuschauen hat.
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Hartmuth Staffler Mi., 08.02.2023 - 21:24

Kollege Franceschini hat diesen Beitrag so gekonnt ironisch verfasst, dass manche Leser die wahre Bedeutung möglicherweise gar nicht erfassen werden, ein Manko, mit dem gute Ironie immer zu kämpfen hat. Ich gratuliere dem Christoph jedenfalls und bin gespannt, was die so elegante verarschte, übrigens völlig überflüssige Journalistenkammer dazu zu sagen hat. Von den Medien des hier erwähnten Medienkonzerns bzw. von deren Mehrheitseigentümern und Führungskräften braucht man sich eine Reaktion wohl nicht zu erwarten.

Mi., 08.02.2023 - 21:24 Permalink
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Gerhard Mumelter Do., 09.02.2023 - 08:23

Antwort auf von Martin Mayr

Die Antwort darauf ist relativ einfach: Faustini zieht es vor, nie in den Spiegel zu schauen. Zeitlebens ein Wasserträger und Sohn eines Wasserträgers - Leute mit dem Kreuz der DC als Rückgrat, wie sie der Vorstand der regionalen Journalistenkammer durch Jahrzehnte gewollt und tatkräftig gestützt hat...

Do., 09.02.2023 - 08:23 Permalink
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Manfred Klotz Fr., 10.02.2023 - 07:27

Antwort auf von Christian I

Wenigstens im deutschen Sprachraum gibt es meines Wissens keine Berufskammer. Dort regelt das individuelle Können und das herkömmliche Rechtssystem das Wirken der Journalisten. Die italienische Berufskammer ist tatsächlich vollkommen für die Fische, denn die wichtigste Aufgabe, die ihr noch zukommt, nämlich über die Einhaltung der ethischen Pflichten der Journalisten zu wachen, nimmt sie sowieso kaum wahr. Da gibt es in Italien unzählige Fälle von Journalisten (Sallusti, Vittorio Feltri, Belpietro, Borgonovo), die in jedem anderen Land den Schreibtisch räumen und sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten müssten.

Fr., 10.02.2023 - 07:27 Permalink