Chronik | SEL-Skandal

Fall Laimer-Rainer: Sind drei Stunden Sozialdienst pro Woche genug?

Ist es wirklich ausreichend, Straftaten wie Amtsmissbrauch und Betrug mit wenigen Stunden in einer Bibliothek oder dem Haus der Solidarität abzubüßen? Der haftersetzende Sozialdienst in den Fällen Michl Laimer und Maximilian Rainer sorgt für Diskussion.

Zwei Jahre lang drei Stunden Sozialdienst pro Woche im Brixner Haus der Solidarität: Diese Umwandlung der Haftstrafe von zweieinhalb Jahren in eine so genannte haftersetzende Maßnahme soll für Ex-SEL-Generaldirektor Maximilian Rainer am Überwachungsgericht in Bozen voraussichtlich noch in dieser Woche dingfest gemacht werden. Ein Schritt, der seit Dienstag vielerorts auf Unverständnis stößt. „Ich finde, der Fall Rainer/Laimer wird langsam aber sicher zur Gerichtsposse“, wird der alternative Strafvollzug auch auf salto.bz kommentiert. „Ähnlich lustige G'schichten sind ist uns vom 'Bayerischen Landgericht' her bekannt.“

Posse oder nicht – Italiens Rechtsordnung sieht einen solch alternativen Strafvollzug unter bestimmten Voraussetzungen seit bald 40 Jahren für Haftstrafen unter vier Jahren vor, versichert der Präsident des Überwachsungsgerichts Christian Meyer. Und wie die Neue Südtiroler Tageszeitung in ihrer Mittwoch-Ausgabe berichtet, dürften die prominenten Straftäter Maximilian Rainer und Michl Laimer ohnehin mehr oder weniger von Generalstaatsanwalt Alois Klammer zum Sozialdienst in öffentlichen Einrichtungen verdonnert worden sein. Denn ursprünglich hatten die Verteidiger der beiden wegen Amtsmissbrauch, Betrug und Wettbewerbsbeeinflussung Verurteilten vorgeschlagen, die soziale Wiedereingliederung ihrer Mandanten ausschließlich in deren jeweiligen Familienbetrieben zu vollziehen. Das war dem  Generalstaatsanwalt dem Vernehmen nach dann aber tatsächlich zu wenig.

Gleiche Regeln für  "Herren mit weißer Weste" und  soziale Randschichten

Wie der Präsident des Überwachnungsgericht Christian Meyer auf RAI Südtirol erklärte, sind es nicht nur BürgerInnen, die auch wenige Stunden Arbeit für die Allgemeinheit kaum als ausreichenden Ersatz für eine zweieinhalbjährige Haftstrafe sehen. Selbst einzelne Überwachsungsgerichte in Italien hätten in der Vergangenheit die Meinung vertreten, dass der alternative Strafvollzug vor allem im Fall von „Herren mit weißer Weste“ nicht anwendbar sei, wie Meyer prominente Straftäter in Anlehnung ans Italienische nennt. „Denn haftersetzende Maßnahmen sind eigentlich für Straftäter gedacht, die aus Randschichten stammen und gesellschaftlich ausgegrenzt sind“, erklärt er. Wer dagegen familiär und sozial integriert sei, bräuchte vielfach andere Maßnahmen, um das „Unrechtsbewusstsein zu stärken“.

Doch solche Differenzierungen werden weder vom Verfassungsgericht noch vom Obersten Gerichtshof gutgeheißen. „Das Gesetz muss für alle BürgerInnen gleich sein“, lautet dort die oberste Devise. Deshalb wird Ex-Landesrat Michl Laimer in den kommenden beiden Jahren wohl öfters bei der Bücherausgabe der Bibliothek des Klosters Neustift und Maximilian Rainer im Haus der Solidarität anzutreffen sein. Zumindest sofern beide Vorschläge nun wie geplant durchgehen.

Ganz so unbeschwert wie er klingen mag, ist aber auch der alternative Strafvollzug nicht, erinnert der Präsident des Überwachsungsgerichts. Neben dem medial begleiteten sozialen Abstieg, der damit  verbunden ist, werden der Ex-Landesrat und der Ex-Generaldirektor auch überwacht und müssen sich regelmäßig bei ihren SozialbetreuerInnen melden. Meldepflichtig ist auch ein etwaiger Wohnsitzwechsel, gar genehmigungspflichtig sind Auslandsreisen. Für letztere hat der Verteidiger von Ex-SEL-Generaldiektor Maximiilian Rainer bereits am Dienstag vorausschauend ein Ansuchen gestellt – da Rainer öfter aus geschäftlichen Gründen ins benachbarte Ausland müsse. Ob ihm dies gewährt wird, ist noch zu sehen. Zumindest mit der Stärkung des Unrechtsbewusstseins ist eine solche Genehmigung wohl kaum zu rechtfertigen.

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Salto User
Sepp.Bacher Mi., 07.05.2014 - 17:37

1. Wie kann der Dienst an einer (nicht öffentlichen) historischen Klosterbibliothek sozial sein?
2. Unter Sozialdienst stelle ich mir so etwas, wie ein Vollzeit-Zivildienst in einer sozialen Struktur vor.

Mi., 07.05.2014 - 17:37 Permalink
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Alfonse Zanardi Mi., 07.05.2014 - 20:17

Wo soll da die abschreckende Wirkung bleiben? 3 Wochenstunden Bibliotheksarbeit sind wirklich ein Witz für Beamte und Staatsangestellte die den Steuerzahler belogen und betrogen haben.

Mi., 07.05.2014 - 20:17 Permalink
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Josef Ruffa Mi., 07.05.2014 - 22:57

hätten die Betroffenen das Gefängnis vorgezogen, hätten sie dann auch z.B. nur 3/4 Stunden in der Wochen dorthin gehen müssen?
Irgendwie passt da der Termin Sozialdienst alternativ zu Gefängnis nicht, so scheint es halt.

Mi., 07.05.2014 - 22:57 Permalink
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Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. Mi., 07.05.2014 - 23:07

"soziale Wiedereingliederung ihrer Mandanten". Klingt alles ein wenig surreal bzw. paradox. Außerhalb der staatlichen Maßnahmen sind die Herren m.M. nach lebenslang "gesellschaftlich ausgegrenzt".

Mi., 07.05.2014 - 23:07 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Daniel
Martin Daniel Fr., 09.05.2014 - 15:04

... das die beiden Herren wohl am Ende mit drei Verurteilungen (wenn auch teils in Form der "Anwendung der Strafe auf Antrag der Parteien"=Vergleich) rechnen müssen, deren Summe insgesamt die Höchstgrenze für die Gewährung von Haftersatz überschreiten dürfte. Durch das berlusconische Hinauszögern der Prozesse über Jahre bei gleichzeitigem Abbüßen dieses lächerlichen Sozialdienstes, könnte es ihren findigen Verteidigern gelingen, eine Kumulierung der Haftjahre, die über die Obergrenze hinausgeht, durch geschicktes Timing zu verhindern. In diesen Genuss kommen nur jene, die sich solch einen Prozessaufwand leisten können. Ergo:
"L'APPLICAZIONE DELLE LEGGA NON È UGUALE PER TUTTI",(Nicolò Ghedini, Vertrauensanwalt von Silvio B.)

Fr., 09.05.2014 - 15:04 Permalink