Gesellschaft | Arbeitsbelastung

Was Erwerbstätige der Euregio belastet

Im Rahmen der EWCS-Studie der Euregio nehmen die Partnerinstitute sowohl körperliche als auch psychische Belastungen von Arbeitnehmenden unter die Lupe.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Adobe Stock Images

Wie ergeht es den Arbeitnehmer/innen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino im Hinblick auf körperliche und psychische Belastungen bei der Arbeit? Diese Frage stellten die Partnerinstitute der Euregio – das AFI | Arbeitsförderungsinstitut in Südtirol, die Arbeiterkammer Tirol sowie die Agenzia del Lavoro im Trentino – den rund 4.500 Teilnehmer/innen der EWCS-Studie, die nach europäischem Vorbild Daten bezüglich der Arbeitssituation in den drei Regionen sammelt und auswertet. Nach einem rund zweijährigen Erhebungszeitraum konnten die ersten Ergebnisse produziert werden. Zunächst fiel die Forscher/innen bei den körperlichen Belastungen ein klares Nord-Süd-Gefälle auf. Gebietsübergreifend und auf Sektorenebene betrachtet heißen die Problemkinder wenig überraschend Gesundheits- und Sozialwesen sowie Hotellerie und Gastronomie. Die Branche Unterricht und Erziehung ist davon ebenso betroffen, wenn auch in geringerem Ausmaß als die beiden vorhergenannten Wirtschaftsbereiche. Würde die kürzlich thematisierte Sommeröffnung der Kindergärten durchgesetzt werden, könnten sich die körperlichen und psychischen Belastungen für das pädagogische Fachpersonal und somit für die gesamte Branche noch zusätzlich verschlechtern.  

Körperliche Belastungen: ein Nord-Süd-Gefälle

Das Nord-Süd-Gefälle macht sich vor allem im Bereich der körperlichen Belastungen bemerkbar, allen voran im Bundesland Tirol, wo Beschäftigte im Euregio-Vergleich mit 26 von maximal 30 Punkten am stärksten über Belastungen wie dem Tragen von schweren Lasten oder dem Kontakt mit chemischen Stoffen klagen. Rund drei Punkte (23) dahinter liegt Südtirol, das Trentino weist hingegen mit nur 19 Punkten den besten Wert auf, was bedeutet, dass die dort Beschäftigten geringeren physischen Belastungen ausgesetzt sind. Diese können bis zu einem gewissen Grad mit spezifischen Arbeitssicherheitskursen verringert werden und körperlichen Beschwerden vorbeugen. Im Rahmen dieser Lehrangebote erlernen Beschäftigte beispielsweise das richtige Heben von schweren Lasten, die korrekte Sitzposition am Arbeitsplatz sowie die richtige Einstellung der Bildschirmhöhe, damit arbeitsbedingte körperliche Schäden auf ein Minimum reduziert werden. 

Psychische Belastungen: Südtirol an der Spitze

Ein anderes Bild bietet sich in Zusammenhang mit psychischen Belastungen: Diese stellen in allen drei Europaregionen ein zentrales Problem dar – und das nicht nur grenzen- sondern auch branchenübergreifend. Zu den psychisch belastenden Arbeitsbedingungen gehören Faktoren wie die Arbeitsverdichtung, zu der eine hohen Arbeitsgeschwindigkeit oder ein erhöhter Zeitdruck ebenso zählen wie emotionsbedingte Belastungen, die sich in Form von Sorgen in Zusammenhang mit der eigenen Arbeit äußern können, welche sich außerhalb des Büros manifestieren. Südtirol, das hinsichtlich des Faktors physische Belastungen noch im Mittelfeld lag, sticht hier besonders negativ hervor. Besonders essenziell ist hier die Tatsache, dass die Prävention psychischer Belastungen nicht nur im Interesse des oder der Arbeitnehmenden selbst, sondern auch im Interesse des oder der Arbeitgebenden liegt. Psychisch belastete Arbeitskräfte erledigen Forschungen zufolge ihre Aufgaben weniger effizient, da ihre geistige Kapazität aufgrund stetiger Sorgen eingeschränkt ist. Auch in diesem Zusammenhang können Weiterbildungsangebote helfen, das eigene Stresslevel zu reduzieren und den richtigen Umgang mit mental belastenden Situationen zu meistern. Ein Dialog mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin kann ebenso dazu beitragen, mögliche stressfördernde Situationen aus dem Weg zu räumen und auch potentielle Risiken frühzeitig zu identifizieren, ehe sie negativen Einfluss auf die Produktivität des Unternehmens nehmen. 

Die Menge macht das Gift

Getreu dem Motto „Die Mischung macht’s“, entwickeln sich Arbeitsbelastungen vor allem dann zum Problem, wenn mehrere Belastungsfaktoren gleichzeitig präsent sind. Dass einige Branchen für dieses Problem anfälliger sind als andere, ist bereits bekannt. Häufig thematisierte Branchen sind das Gesundheits- und Sozialwesen sowie die Hotellerie und Gastronomie. Auch der Bereich Erziehung und Unterricht ist davon teilweise betroffen. Diese Gegebenheiten sind primär auf die Tatsache zurückzuführen, dass in allen drei Branchen mit Menschen gearbeitet wird und interpersonelle Konflikte umso wahrscheinlicher sind. Wer verschiedenste Belastungen anhäuft, ohne sich um deren Verringerung zu bemühen, wählt den falschen Weg. Situationen wie diese gehören in genannten Wirtschaftszweigen zum Alltag und haben nicht nur zur Folge, dass Jobs in diesen Branchen unattraktiver werden, sondern auch, dass die Suche nach qualifiziertem Fachpersonal zunehmend schwieriger wird.  

Individuelle Toleranzniveaus

Ob es hier tatsächlich um unterschiedliche Ausprägungen der Qualität der Arbeitsbedingungen oder schlichtweg um ein anderes Problembewusstsein handelt, konnte mit Hilfe der Studienergebnisse nicht herausgefunden werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Arbeitsbelastungen immer von der individuellen Bewertung des oder der Arbeitnehmenden abhängig sind, da die Toleranzgrenzen bei verschiedenen Menschen unterschiedlich hoch sind. Während eine Arbeitskraft eine Belastung als gering einstuft, könnte der oder die Teamkollegin bereits ein hohes Belastungsniveau verspüren. Das Ziel der nächsten Forschungen wird unter anderem sein, jene Faktoren zu identifizieren, welche die individuelle Belastungsbewertung beeinflussen. 

Ein Artikel der freien AFI-Mitarbeiterin Karin Inama