Nicht nur der junge Meraner
Eiskunstläufer Grassl zählt dazu. Überraschend ist, wie viele die Nähe des russischen Kriegspräsidenten Putin oder zumindest seines Umfeldes suchten. Doch der Reihe nach.
Seit einem Jahr lässt Putin seine Armee Dörfer und Städte in der östlichen Ukraine in Schutt und Asche bomben. Heimat meist russischsprachiger Ukrainer, die er „befreien“ will. Vom – angeblichen - nazistischen Joch der Ukrainer. Nur so viel, Präsident und Ministerpräsident des überfallenen Landes sind jüdischstämmig und russischsprachig.
Seit einem Jahr vergewaltigen, foltern, morden und vertreiben russische Soldaten – im Bündnis mit den rechtsradikalen Wagner-Söldnern und den Kadyrow-Tschetschenen - im Auftrag des russischen Kriegsministers Shoigu Ukrainerinnen und Ukrainer.
Kriegsverbrechen, Völkermord. Und, kein Ende in Sicht. Die Anzahl der Freunde Russlands ist geschrumpft, aber immer noch beträchtlich. Die vielen rechten Parteien in West-Europa zählen dazu, der ungarische rechte Ministerpräsident Orban, ja und auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump.
Überraschend ist, wie viele die Nähe des russischen Kriegspräsidenten Putin oder zumindest seines Umfeldes suchten
Es noch gar nicht so lange her. Westeuropäer biederten sich dem russischen Präsidenten an, der sozialdemokratische Bundeskanzler Schröder genauso wie seine christdemokratische Nachfolgerin Merkel. Auch die ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi und Giuseppe Conte von den Cinque Stelle biederten sich dem Kreml-Autokraten regelrecht an. Gar nicht zu reden von den vielen westeuropäischen Rechtsradikalen, Le Pen, Salvini und Linksradikalen wie Wagenknecht, die vom Kreml publizistisch gesponsert werden. Weil System-Feinde des kapitalistischen Westens.
Österreich wurde samt und sonders zum
russischen Vorgarten der schwerreichen und deshalb kauflustigen Oligarchen. Diese besonders perfide Mischung aus Ex-KGBlern, phantasievollen einstigen Jung-Kommunisten und organisierten Kriminellen kaufte sich massiv im alpinen Donau-Land ein. Nicht von ungefähr forderte die globalisierungskritische NGO
Attac eine lückenlose Erhebung des vermuteten milliardenschweren Oligarchen-Reichtums in Österreich. Die oppositionelle SPÖ initiierte eine Petition für die
Enteignung von Oligarchenreichtum in Österreich.
Südtirol in Putins Netz
Bei diesem Polit-Schleimen durfte Südtirol nicht fehlen. Dafür sorgte anstoßend die russische Gemeinde und ihre Stiftung „
Borodina“ in Meran. 2007 fand die Jubiläumsfeier zum 110-jährigen Bestehen der Kirche des Heiligen Nikolaus statt. Zu den Teilnehmenden zählten Vertreter der russischen Stiftung des Apostel Andreas und das Zentrum Nationaler Ehre. Zwei russische Organisationen, die es in sich haben. Die Stiftung des Apostels Andreas zeichnete 2017 den russischen Außenminister Lawrow mit dem „
Internationalen Preis Glaube und Treue“. Eine Auszeichnung, weil sich Lawrow für
RussInnen außerhalb Russlands engagiert
Macher der nach dem Apostel benannte russisch-orthodoxe
St. Andreas-Stiftung ist
Wladimir Jakunin. Ziel der Stiftung ist der Kampf gegen individuelle Rechte, besonders im Visier dieser radikalen „Gläubigen“ die Homosexuellen. Jakunin war bis in die frühen 1990er Jahre hochrangiger KGB-Agent, in verdeckter Mission bei der UNO in New York, recherchierte Catherine Belton für ihr Buch „
Putins Netz – wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste“. Im KGB war Jakunin für die Bekämpfung von Dissidenten, Andersdenken, Gläubigen und Homosexuellen verantwortlich. Diesem Jakunin rollte Landeshauptmann Luis Durnwalder immer wieder den roten Empfangsteppich aus.
Am 7. Februar 2008, das berichtete die Südtiroler Wirtschaftszeitung, startete am Innsbrucker Flughafen der Privatjet des russischen Millionärs Andrei Bokarev. Der Besitzer des Bergbauunternehmens Kuzbassrazrezugol hatte gleich mehrere Südtiroler mit an Bord:
Landeshauptmann Luis Durnwalder, zwei seiner engsten Mitarbeiter, den Meraner Bürgermeister Günther Januth, Handelskammer- und EOS-Präsidenten Benedikt Gramm sowie 20 Wirtschaftsvertreter.
Am 7. Februar 2008 startete am Innsbrucker Flughafen der Privatjet des russischen Millionärs Andrei Bokarev. Der Besitzer des Bergbauunternehmens Kuzbassrazrezugol hatte gleich mehrere Südtiroler mit an Bord.
Im Juni 2009 wird in Meran das „
Zentrum zur Förderung der Beziehungen zwischen der Autonomen Provinz Bozen und Russland Nadezhda Ivanovna Borodina – Meran“ gegründet. Illuster sind die weiteren Südtiroler Gründungsmitglieder, die Gemeinde Meran, die Handelskammer, die Freie Universität Bozen. Auf russischer Seite neben den Jakunin-Stiftungen auch noch die Stiftung
Russkiy Mir (mehr darüber später). Standort Ensemble Zarentum, bestehend aus den historische Villen Borodina, Moskau und Lituania. „So konnte die Landesregierung unter Durnwalder mit dem Zuspruch namhafter diplomatischer Funktionäre davon überzeugt werden, eine großzügige Investition zugunsten von Zarenbrunn seitens der öffentlichen Hand zu tätigen,“ kommentierte die BAZ 2018. Großzügig gewährte das Land dem Russischen Zentrum in der Villa Borodina vertragliches Bleiberecht für die Ausübung ihrer kirchlich-kulturellen Traditionen und Veranstaltungen. Eine Initiative des damaligen Landeshauptmannes Luis Durnwalder und seines russischen Freundes Jakunin.
Jakunin wurde Präsident des neuen Borodina-Vereins. An der Gründungsfeier nahmen gewichtige Russen teil, wie der Sport- und Tourismusminister Vitali Mutko, der Präsident der russischen Handelskammer und Ex-Premier Yevgeny Primakov, der russische Botschafter in Rom, Alexey Meshkov und der Präsident des russischen Skiverbands, Andrey Bokarev. Dieses „Zentrum“ in Meran war nichts anderes als ein Lautsprecher von Putin.
Netzwerker Jakunin
Für Jakunin, damals schon Chef der staatlichen Eisenbahngesellschaft mit 1,3 Millionen Beschäftigten und mit einem Umsatz, der zwei Prozent des russischen BIPs ausmachte (siehe: C. Belton, „Putins Netz“), wurden in Meran und Bozen bei seinen Besuchen rote Teppiche ausgeholt.
Der Ex-KGBler Jakunin machte nach seiner Rückkehr aus New York nach Moskau in Absprache mit einem KGB-General mit Seltenen Erden das große Geschäft, gründete nach dem großen Inkasso die Bank Rossija. Eine Bank in den Händen der alten KGB-Garde, ein Finanzimperium mit weitreichender Kontrolle der russischen Wirtschaft und auch vieler Joint Ventures im Westen, analysierte die Finanz-Journalistin Belton. Die Rossija-Bank finanziert laut Belton die Politik des Kriegspräsidenten Putin, die Kriegskasse für den nachsowjetischen russischen Imperialismus.
Die Bank des späteren Durnwalder-Freundes Jakunin flutete den Westen mit Petro-Dollars aus der russischen Öl- und Gasförderung. Vom 1,6 Billionen Dollar umfassenden russischen Bruttoinlandsprodukt, analysierte Belton, parkten Putins KGB-Helfer mehr als die Hälfte in den weltweiten Offshore-Bankkonten. Dollars, um russische Wühlarbeit auch in Europa zu finanzieren. Offensichtlich auch in Südtirol.
Für das Putin-Regime, das seit 1999 Nachbarn wie Tschetschenien und Georgien mit Kriegen überzog, den östlichen Landesteil der Republik Moldau besetzte, ab 2015 in
Syrien seine ganze Feuerkraft zugunsten des Assad-Regimes einsetzt, engagierte sich in Meran Andrey Pruss von der Borodina. In der Sonntagszeitung „Z“ des Verlagshauses Athesia darf
Pruss 2014 unwidersprochen die Lage der
russischsprachigen Bevölkerung in der östlichen Ukraine und auf der Krim mit der Situation der Südtiroler unter dem Faschismus vergleichen. Peinlich.
2014, kurz nach dem Ende des Olympischen Winterspiele in Sotschi, ließ Putin die ukrainische Halbinsel Krim annektieren und russische Sonderkommandos in der östlichen Ukraine einen schmutzigen Krieg niederer Intensität anheizen. Der „
Westen“ schaute desinteressiert zu. 2014 war für Putin wohl der Probelauf für den Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Damals kaschierten die „großrussischen“ Milizen ihr Ziel des Anschlusses an Russland, sie warben für eine Dezentralisierung der Ukraine, für Autonomie.
Ganz nebenbei lässt der „Killer im Kreml“, ein Doppelreiher tragender Staatsmörder und langjähriger Geschäftspartner von ebenfalls Doppelreiher tragenden westlichen Konzernchefs und Politikern, im Juli 2014 einen
Boeing abschießen. Alle Passagiere und Besatzungsmitglieder, 298 Menschen, waren damals ums Leben gekommen.
Bei den angeblichen pro-russischen Milizionären im Donbass handelte es sich meist um russische Staatsbürger aus dem staatlichen Sicherheitsapparat. Einer der „Führer“ der angeblichen Volksrepubliken, Igor Strelkow, „Strelok“ oder Igor Girkin, war Sicherheitschef des großrussischen orthodoxen Oligarchen
Konstantin Malofejew. Strelkow war im serbischen Eroberungskrieg in Bosnien im Einsatz, genauso im zweiten Tschetschenienkrieg von Putin. Im Auftrag von Malofejews, schreibt Belton, organisierte Strelkow auf der Krim radikale russische Nationalisten für die geplante Annektion.
Malofejew-Rubel gingen auch an die „
Wagner-Gruppe“, die als rechtsradikale Killertruppe im Schatten russischer Soldaten in der Ost-Ukraine die Menschen terrorisierte. Gründer dieser
Söldner ist ein Putin-Vertrauter, Jewgeni Prigoschin. Der heutige Milliardär wurde 1981 wegen Diebstahl, Betrug und Prostitution Minderjähriger zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Lange dementierte Putin die Beziehungen seines Staates mit diesen Terroristen, inzwischen „kämpfen“ die Wagner-Söldner in der Ukraine.
Lange dementierte Putin die Beziehungen seines Staates mit diesen Terroristen, inzwischen „kämpfen“ die Wagner-Söldner in der Ukraine.
Schlagwort Autonomie für die Ost-Ukraine. Es ging diesen Kriminellen, so der russischschreibende Autor
Stanislaw Assjejew aus Donezk, nie um Autonomie. Ähnlich formulierte es der ebenfalls russischschreibende Andrij Kurkow in seinem „
Ukrainischen Tagebuch“. Auch
Sergej Gerassimow, Schriftsteller aus der russischsprachigen Donbass-Metropole Charkiw, wirft seinen angeblichen Verteidigern vor, nicht um Autonomie zu „kämpfen“, sondern die Ukraine zerstören zu wollen. Das ist das Ziel, nicht die Autonomie, folgert auch
Arkadi Babtschenko, russischer Journalist in seinem Tagebuch „Im Rausch“.
Autonomie für den Donbass?
Tatsächlich gelang es dem Putin-Russland ein Bild zu malen von unterdrückten Russen in der Ukraine, die für Autonomie kämpfen. Ein Bild, das sich in westlichen Köpfen verfing. Da lag es gar nicht fern, einen Südtiroler Politiker in die Ost-Ukraine zu holen. Die "Volksrepublik" Donezk, laut Assjejw ein kriminelles Gebilde, lud 2015 den ehemaligen Landeshauptmann Durnwalder ein. Er sollte die Südtiroler Autonomie vorstellen.
Organisiert wurde das obskure Treffen von
Jean-Luc Schaffhauser, Europaparlamentarier des rechtsradikalen Front National. Durnwalder sollte auf dem Internationalen Forum "
Donbass: Gestern, heute morgen" über die Lösung von Minderheiten-Problemen sprechen. Neben Durnwalder waren weitere schräge Gäste mit dabei, Alessandro Bertoldi von Forza Italia, Alessandro Musolino, auch er von Forza Italia, ein ausgewiesener Putin-Propagandist in einem rechten Netzwerk und zwei griechische Parlamentsabgeordnete von Nea Dimokratia und der linksradikalen Syriza.
Durnwalder reiste über Moskau in die "Volksrepublik" Donezk ein, die ukrainische Regierung erklärte den ehemaligen Südtiroler Landeshauptmann zur unerwünschten Person.
Durnwalder reiste über Moskau in die "Volksrepublik" Donezk ein, die ukrainische Regierung erklärte – wen verwundert es - den ehemaligen Südtiroler Landeshauptmann zur unerwünschten Person. Durnwalder ließ sich von einem pro-russischen Netzwerk für ein fragwürdiges Projekt einspannen. Die Stoßrichtung in der Ukraine ist nämlich klar definiert. So tönte der Finanzier der anti-ukrainischen Umtriebe im Donbass und auf der Krim, der bereits erwähnte
Malofejew, auf
Bloomberg ganz großrussisch-imperialistisch, dass die Ukraine Teil Russlands ist. Sie wurde auf den Ruinen des russischen Imperiums erschaffen. Deshalb wird die Ukraine derzeit zusammengeschossen. Befreiung auf Russisch.
Honorarkonsul Kiem
Putins Netz wirkte in Südtirol mehrfach, nicht nur über die „Borodina“ in Meran. Das Putin-Russland ließ in Südtirol auch einen Honorarkonsul wirken,
Bernhard Kiem. Er drängte auf weitere Partnerschaften zwischen Russland und Südtirol, Vorbild die Zusammenarbeit Südtirols mit Kamtschatka. Dort lässt das Moskauer Regime Land und Leute ausplündern. Die Zusammenarbeit brachte für Südtiroler Unternehmen einige Aufträge aus Russland. Während der damaligen angeblichen "Krim-Krise" – Teil der
Ukraine - warb der
Honorar-Konsul für eine "objektive Betrachtung" der Annektion.
Das verbindende Element zwischen der Borodina und Kiem war Eisenbahn-Boss Jakunin mit seiner Stiftung Apostel Andreas und dem Zentrum Nationaler Ehre. Zwei reaktionäre ideologische Vorfeldorganisationen für Putins-Außenpolitik, gerichtet gegen die westlichen Demokratien. Schwerreiche Oligarchen in Russland und die nicht weniger finanzstarken Nachkommen ehemaliger russischer Exilanten in West-Europa fördern die „
Rus“-Ideologie, die „Russkij Mir“ – russische Welt – Bewegung. Das orthodoxe Christentum als Antwort auf den liberalen Westen. Die Stiftungen als Antwort auf US-finanzierte NGO wie National Endowment for Democracy, Freedom House und George Soro`s Open Society.
Diese neuen russischen Stiftungen finanzieren seit 2005 pro-russische Milizen in der Ost-Ukraine, mit dem Ziel, Unruhe zu stiften, zu destabilisieren, antiukrainischen Hass zu schüren.
Größte Geldgeber dieser Wühlarbeit ist – neben Jakunin - der milliardenschwere Investor, bekennende Monarchist, radikale Slawist und ein Anhänger des russischen Imperiums, Malofejew. Er mischt mit seiner Stiftung „St. Blasius der Große“ kräftig – also nachhaltig - in der russischen Politik mit, finanziert Kontakte und die Vernetzung zwischen christlichen Fundamentalisten in Europa und in Nordamerika, europäischen Rechten und EU-Feinden mit dem größten Mafia-Staat der Welt, Russland. Für den britischen Journalisten John Sweeney vom
Jewish Chronicle ist Russland in der Hand einer gewalttätigen Mafia, Ex-KGBlern und radikalen Slawisten. Sweeney kommt wie Belton und der US-amerikanische Journalist
Craig Unger zum Schluss, dass Putin verantwortlich ist für Intrigen, Mord und Krieg, „
der Killer im Kreml“.
„Familienkongress“ 2014
Malofejew finanzierte nicht nur terroristische Umtriebe in der Ukraine, sondern sponserte gemeinsam mit Jakunin auch
reaktionäre Familienpolitik. So ging es auf der „Familienkonferenz“ 2014 in Moskau vehement gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und gegen die Abtreibung. Der Kongress warb für die Aberkennung der Menschenrechte für Schwule und Lesben. Im Hintergrund tobte damals schon der russische Krieg gegen die Ukraine.
Der
Alto Adige betitelte die damalige Stadträtin Bacher als Botschafterin an Putins Hof. Sie und acht weitere Personen aus der Region kamen über das russische Zentrum Borodina in Meran nach Moskau. Für die Einladung gesorgt hatte Andrej Pruss, Putins Mann in Meran. Das Forum Mehrkindfamilien wurde von Präsident Putin, vom „Killer im Kreml“, eröffnet.
UN, USA und EU führen Krieg gegen die Familie
Paula Bacher und die übrigen acht Delegierten fanden sich auf einer äußerst abenteuerlichen Veranstaltung ein, die im Staatspalast im Kreml und in der Christus-Erlöser-Kirche stattfand. Zur Einstimmung. Gabriela Kuby zitierte auf
kath.net, den katholischen Nachrichten, aus der Kongress-Resolution: „Die Zerschlagung der Familie, die Massentötung ungeborener Kinder, der globale Krieg für die Deregulierung der sexuellen Normen, wie er von den UN, der EU und den USA betrieben wird, schafft entwurzelte, manipulierbare Massen ohne Zukunftsperspektive.“
Landesrätin Waltraud Deeg stellte „Südtirols Teilnahme am internationalen Familienkongress“ in Moskau vor.
Das Abschlussdokument bezeichnete Kuby als einen Appell an die Weltgemeinschaft, die Weichen in Richtung Familie zu stellen. Zur Einordnung: Kuby ist Autorin des Buches „
Die globale sexuelle Revolution. Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit.“
Ja, Paula Bacher war als SVP-Stadträtin 2014 auf dieser Familienkonferenz, auf dem „
Forum Mehrkindfamilien und die Zukunft der Menschheit“. Auf dieser Veranstaltung warnte u.a der damalige FPÖ-Vize Johann Gudenus in der Moskauer Erlöserkirche vor einer „Homo-Lobby“, die Europa bedroht. Zur Erinnerung, Gudenus war der Typ, der mit seinem Parteichef Strache auf Ibiza einer angeblichen russischen Oligarchin Österreich verkaufen wollte.
Auf dieser Veranstaltung warnte u.a der damalige FPÖ-Vize Johann Gudenus in der Moskauer Erlöserkirche vor einer „Homo-Lobby“, die Europa bedroht.
Aus allen russischen Provinzen kamen Vertreter zu dieser angeblichen Familienkonferenz. Aus den USA, Kanada, Österreich, Italien, Großbritannien, Polen, Mexiko, Venezuela, Australien, der Ukraine, Georgien, Kasachstan, Serbien, Lettland oder den Philippinen. Aus insgesamt 45 Staaten fanden sich 1.000 Teilnehmer zur Konferenz ein.
Zu den bekannteren Teilnehmern gehörten neben dem Wiener FPÖ-Klubchef Gudenus der Front-National-Europaabgeordneter Aymeric Chauprade, der stellvertretende ungarische Staatssekretär für bilaterale EU-Beziehungen, Gergely Pröhle und das
Trio aus Südtirol. Mit dem Segen von Landesrätin Deeg.
Gegen Lesben, Schwule und „Andere“
Es mag zwar formell um Mehrkindfamilien gegangen sein,
Ziel der Konferenz war aber grundsätzlich anderes. So heißt es in der gemeinsamen Abschlusserklärung, dass eine Stärkung der Rechte von Lesben und Schwulen ein Ende der menschlichen Zivilisation bedeutet. Zitat: „Wir drücken unsere ernsthaften Sorgen aus, weil gewisse Staaten hartnäckig eine noch nie dagewesene Propaganda-Kampagne forcieren, die zur ultimativen Zerstörung der natürlichen Familie führt – eine Institution, die in einer zivilisierten Gesellschaft die Basis von Ordnung, staatlichem Wohlergehen und sozialem Frieden ist“.
Das Fortbestehen der menschlichen Zivilisation garantiert nur die Ehe zwischen Mann und Frau, kommen die Teilnehmer zum Schluss, „alle anderen sexuellen Beziehungen oder absichtlichen Verbindungen, die die Geburt von Kindern ausschließen, sind nutzlos, weil sie der Definition des Wortes Familie in keiner Weise entsprechen“.
Die Kongressteilnehmer forderten die Regierung auf, die Rechte von Lesben, Schwulen und Transgendern zu beschneiden, um eine „Entmenschlichung der Gesellschaft“ zu verhindern. Die Familienkämpfer machten einen Weg der ideologiegeführten und staatlich unterstützten Einmischung in das Privatleben der BürgerInnen aus. Mit dabei, die damalige Brixner Stadträtin und heutige SVP-Landtagsabgeordnete Bacher.
Das Forum Mehrkindfamilien und die Zukunft der Menschheit wehrte sich „gegen den zynischen Gebrauch von Frauen als Leihmütter im Interesse von gleichgeschlechtlichen Verbindungen. Frauen sollen gefördert werden, als Mutter möglichst vieler Kinder innerhalb der eigenen Familie.“
Die Familienkämpfer machten einen Weg der ideologiegeführten und staatlich unterstützten Einmischung in das Privatleben der BürgerInnen aus. Mit dabei, die damalige Brixner Stadträtin und heutige SVP-Landtagsabgeordnete Bacher.
Für den Kongress war Russland das herausragende Beispiel, weil es „gesetzliche Verbote aller Arten von Propaganda, die homosexuelle Beziehungen im Umfeld von Kindern und Minderjährigen fördert.“
Familien und Neu-Russland
Die liberal-konservative
Frankfurter Allgemeine Zeitung zeigte sich in ihrer Berichterstattung schockiert über diese Moskauer „Wertediskussion“. Denn es ging neben der angeblichen traditionellen Familie auch um „Neu-Russland“, um die „Volksrepubliken“ im ukrainischen Donbass und um die annektierte Krim. Die katholische Autorin Kuby wies damals die westliche Kritik an der russischen Ukrainepolitik als haltlos und falsch zurück.
Die angesprochenen Fäden verknoten sich. Das in den USA starke
Netzwerk ultra-konservativer Christen, die Christian Right-Bewegung, steht in enger Verbindung mit dem russischen Staatsapparat und der Putin-Partei. Dreh- und Angelpunkt im Netzwerk ist wiederum der World Congress of Families von
Allan Carlson. Der ehemalige Trump-Vize Mike Pence wurde in diesem rechts-religiösen Sumpf politisch groß.
1995 fand in Moskau der erste Familienkongress statt. Seitdem wurde die Zusammenarbeit zwischen der religiösen US-Rechten und dem Putin-Staat immer enger. Der staatliche Rückhalt machte die russischen Familienkämpfer zum Rückgrat des World Congress of Families, dessen Positionen weit über die gemeinsam angedachte reaktionäre bis faschistoide Familienpolitik reichen.
Der Mitgründer Allan Carlson äußert im Deutschlandfunk Verständnis für die Außenpolitik des Kremls: „Russland hat ein besonderes Interesse an der Ukraine. Das müssen wir anerkennen. Wenn ich den ukrainischen Politikern etwas raten sollte, dann wäre das, den russischen Bären nicht zu reizen.“ Diese Front lehnt die liberale Demokratie und säkulare Regierungen ab, die sie als „liberale Diktatur“ beschimpft, ist gegen Abtreibung, Schwulen- und Lesbenrechte. Frontfrauen und -männer werben für Homeschooling, sprechen dem Staat das Recht ab, Kinder und Jugendliche in Schulen zu „zwingen“.
In den letzten Jahren tagte der Familienkongress in verschiedenen europäischen Ländern, in denen prorussische und rechtspopulistische Kräfte stark sind: in Ungarn, in der Republik Moldau, 2019 in
Verona. In
Italien wurden mehrere Grußworte von offiziellen Stellen aus Moskau verlesen: eines von der russischen Staatsduma, eines vom Föderationsrat, eines vom Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, der eng mit dem russischen Präsidenten verbunden ist.
Die ehemalige Brixner Stadträtin Bacher blieb sich ideologisch treu. Nach ihrem Nachrücken in den Landtag gesellte sie sich zu den Freunden im Edelweiß. Das sind auch jene Kräfte in der SVP, die nach den Landtagswahlen 2018 Landeshauptmann Kompatscher in eine Koalition mit der Lega drängten, eigentlich zwangen. Die Lega, ihr Frontmann Salvini, zählen zu den begeisterten Fans des russischen Kriegspräsidenten Putin. Die Leghisti sind Putins Lieblinge in der Landesregierung, erinnerte Simon Constantini von der Brennerbasisdemokratie an die unerträgliche Paktelei zwischen
SVP und Lega.
Die geistigen Brüder der Lega, die russischen Schirmherren für eine „traditionelle Familienpolitik“, führen seit einem Jahr einen Eroberungskrieg in der Ukraine, mit Beschießungen von Wohnvierteln samt Kindergärten, Schulen, Theater und Krankenhäusern, Supermärkten und AKWs. Mit der Vertreibung von Familien, mit der Ermordung von Familienvätern, mit der Vergewaltigung von Mädchen und Frauen, mit Zerstörung von Familien, mit der Deporation von UkrainerInnen nach Russland.
Dugin nach Bozen?
Zu den „Vor-Denkern“ dieser „Politik der Befreiung“ zählt der rechtsradikale
Alexander Dugin. Er wirbt für die russische Wiedergeburt, meint damit die Wiederherstellung der Sowjetunion ohne Kommunismus. Groß-Russland, zu dem das Baltikum, Belarus, die Ukraine, Transnistrien in Moldawien und die übrigen ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken gehören. Dugin wird immer wieder als der Ideologe des russischen Kriegspräsidenten zitiert.
Diesen Dugin lud die Freie Universität Bozen 2019 in Zusammenarbeit mit dem Bozner Rosmini-Institut für Europäische Studien nach Bozen ein. Titel der geplanten Veranstaltung: „Die Idee Europas in nicht-vorherrschenden politischen Kulturen: Vorschläge, Projekte, Probleme“. Könnte direkt aus dem Kreml stammen. Der
Blog brennerbasisdemokratie brandmarkte die Einladung von Dugin. Die Veranstaltung fand dann nicht statt, die Uni zog sich – offensichtlich spät erkennend wer Dugin ist – von der Tagung zurück. Zum Schämen.
„Nichts gewusst“ gilt nicht. Seit Beginn seiner politischen Karriere 1991 als Vize-Bürgermeister von St. Petersburg recherchieren russischen JournalistInnnen, MenschenrechtlerInnen und Oppositionelle hinter der Blutspur von Putin her. Manche dieser Engagierten –
Anna Politowskaja,
Natalja Estemirowa,
Boris Nemzow – leben nicht mehr, wurden ermordet. Die Liste ist überraschend lang. Der britische Journalist Sweeney wirft westlichen Politikern und Unternehmern vor, bei all den Verbrechen des Putin-Regimes weggeschaut zu haben. Solange der Rubel gewaltig rollte, war den Doppelreiher tragenden Westlern völlig egal, wie
kriminell Putin ist, wie mafiös sein Staat.
So lange der Rubel rollt. Noch im Juli 2021 besuchte Dmitry Shtodin, der russische Generalkonsul in Mailand, die Bozner Handelskammer. Es ging, wie kann es auch anders sein, um die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Südtirol und Russland. Beide Institutionen zählen zu den Gründern der Borodina in Meran.
Noch im Juli 2021 besuchte Dmitry Shtodin, der russische Generalkonsul in Mailand, die Bozner Handelskammer. Es ging, wie kann es auch anders sein, um die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Südtirol und Russland.
Im November 2021 unterzeichneten die Führungsspitzen der Handelskammern von Moskau und Bozen ein Memorandum über eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Stadt Moskau und Südtirol.
Die Zusammenarbeit zwischen Handelskammer und Borodina ist, war, sehr eng. Der Mitarbeiter der Handelskammer,
Lukas Pichler, ist Direktor der Borodina. Genauso die
Zusammenarbeit zwischen dem Land, immerhin Mitgründer, und der Borodina. Vize-Präsident ist Landeshauptmann
Arno Kompatscher, der nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 die Zusammenarbeit mit den russischen Partnern aussetzte.
Schließt die Borodina!
Seit 2014, damals besetzte Russland die Krim und zettelte in der östlichen Ukraine einen Krieg mit mehr als 13.000 Toten an, gehört Zarenbrunn dem Land. Ergebnis einer Männer-Kumpanei zwischen dem ehemaligen Landeshauptmann Durnwalder und dem ehemaligen Chef der russischen Bahnen, Jakunin. Inzwischen wegen seiner tragenden Rolle im Regime mit EU-Sanktionen belegt. Eigentlich sollte das Land weitreichende Konsequenzen ziehen, das noble Zarenbrunn ukrainischen Flüchtlingen zur Verfügung stellen, eine Art der Wiedergutmachung und die russischen Partner fristlos feuern.
Eigentlich sollte das Land weitreichende Konsequenzen ziehen, das noble Zarenbrunn ukrainischen Flüchtlingen zur Verfügung stellen, eine Art der Wiedergutmachung und die russischen Partner fristlos feuern.
Verwunderlich ist, wie spendabel das Land Südtirol mit der angeblichen russischen Diaspora in Meran war. Davon kann die kleine
jüdische Gemeinde von Nachfahren von Shoah-Überlebenden, von 1943 bis 1945 von Südtiroler Nazis mörderisch verfolgt, nur träumen.
Update: Lukas Pichler legt wert auf die Feststellung, dass er seit Frühjahr 2022 NICHT mehr als Direktor der Borodina tätig ist.
Die Redaktion