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Salvinis Retter

SVP-Senator Meinhard Durnwalder hat entscheidend dazu beigetragen, dass der Verleumdungsprozess gegen Matteo Salvini im Fall Carola Rackete niedergeschlagen wird.
Durnwalder, Meinhard
Foto: Seehauserfoto
Es sind Nachrichten, die in Südtirol nicht per Pressemitteilungen verbreitet werden.
Dabei habe sie nicht nur nationale Bedeutung, sondern dürften auch international für einigen Wirbel sorgen
Der Immunitätsausschuss des Senates hat am Dienstag ein negatives Gutachten zum Ansuchen des Landesgerichts Mailand abgegeben, gegen den amtierenden Vizepremier Matteo Salvini gerichtlich vorzugehen. Die zuständige Kommission hat sich mit zehn Stimmen gegen eine Aufhebung der Immunität Salvinis ausgesprochen. Zwei Senatoren haben sich enthalten und drei haben dagegen gestimmt.
Formal zu Abstimmung gebracht wurde dabei ein Bericht des SVP-Senators Meinhard Durnwalder. Der Pusterer Jurist hat als offizieller Berichterstatter des Senatsausschusses damit jene entscheidende Vorarbeit geleistet, die es dem Senat ermöglichen soll, den hohen Lega-Politiker vor einer laufenden Strafverfolgung zu schützen.
Es geht dabei um einen Fall, der einer der Tiefpunkte der italienischen Parlamentsgeschichte sein dürfte und der international bis heute mit Ungläubigkeit und Entsetzen verfolgt wird.
 

„Deutsche Zecke“

 
Die Geschichte des Rettungsschiffes Sea Watch 3 und seiner deutschen Kapitänin Carola Rackete braucht nicht mehr erzählt zu werden. In diesem Fall handelt es sich um ein gerichtliches Nachspiel, in dessen Zentrum Matteo Salvini steht.
Matteo Salvini, 2019 noch Innenminister, hat unmittelbar nach dem Vorfall in den sozialen Medien mehrerer Posts veröffentlicht, die man ohne Übertreibung als Verleumdung einstufen kann.
So etwa beschuldigte Salvini Rackete offen „complice di scafisti e trafficanti“ zu sein und er beschrieb sie in mehreren Videoauftritten über Facebook als „sbruffoncella che fa politica sulla pelle di qualche decina di migranti“. Der Lega-Politiker gebrauchte sogar die Ausdrücke „zecca tedesca“, „criminale tedesca“, „delinquente“ „ricca tedesca fuorilegge“ oder „viziata comunista tedesca“.
 
 
 
Die heute 42jährige deutsche Aktivistin wurde im Dezember 2021 von der Voruntersuchungsrichterin Micaela Raimondo von der Anklage der Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Missachtung der Befehle eines Kriegsschiffes freigesprochen. „Sie hat nur aus Pflichterfüllung gehandelt, weil der Hafen von Tripolis nicht als sicherer Ort angesehen werden kann“, begründete das Gericht von Agrigento die Archivierung der Anklage. Der Freispruch wurde inzwischen vom Kassationsgericht bestätigt.
Bereits ein Jahr zuvor hatte Carola Rackete über ihren Bologneser Anwalt Alessandro Gamberini Anzeige gegen Matteo Salvini erstattet. Der Fall wird an die vierte Strafsektion des Landesgerichts Mailand verwiesen. Dort verlangt der Staatsanwalt die Einleitung des Hauptverfahrens gegen Matteo Salvini wegen schwerwiegender und fortlaufender Verleumdung (Art. 595 StgB). Als im Juni 2022 die erste Verhandlung stattfinden, wird von der Verteidigerin Salvinis, Claudia Eccher, die parlamentarische Immunität des Lega-Senators ins Feld geführt. Parlamentarier im Amt können nur dann gerichtlich belangt werden, wenn das Parlament zuvor ihre Immunität aufhebt.
Deshalb übermittelt die zuständige Mailänder Richterin Maria Burza am 1. Juli 2022 die Akten und den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Matteo Salvini an den Senat.
 

Berichterstatter Durnwalder

 
Sowohl in der Kammer als auch im Senat gibt es einen eigenen Ausschuss, der für solche Fälle zuständig ist. Die sogenannte „Giunta delle elezioni e delle immunita' parlamentari“. Der 20köpfige Ausschuss ist für die formelle Genehmigung der Wahlergebnisse etwa bei den Landtags- oder Regionalwahlen zuständig und muss auch über mögliche Unvereinbarkeiten von Senatoren entscheiden. Zudem ist das Gremium auch für die gerichtlichen Anträge zur Aufhebung der Immunität von Senatoren zuständig. Dazu wird jeder Fall einem Ausschussmitglied zugeteilt, der die Gerichtsakten studiert und dann einen Abschlussbericht vorlegt, der eine klaren Empfehlung enthält, zur Aufhebung oder Nichtaufhebung der Immunität. Über diesen Bericht wird zuerst im Ausschuss abgestimmt und dann noch einmal in der Aula des Senates. Wobei sich das Plenum traditionell an die Ausschussentscheidung hält.
 
 
 
Meinhard Durnwalder sitzt bereits in der zweiten Legislatur in diesem Ausschuss. Der SVP-Politiker, der vom Beruf Anwalt ist, scheint dabei in seinem Element zu sein. Denn Durnwalder war bereits in der vergangenen Legislatur Berichterstatter in zwei solcher Fälle. Etwa beim Antrag zur Aufhebung der Immunität des Landesgerichts Verona der Lega-Senatorin Anna Cinzia Bonfrisco wegen Korruption und dem Antrag des Landesgerichts Modena gegen den ehemaligen Minister und PDL-Senator Carlo Giovanardi wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Es ist der dritte Fall in dem Meinhard Durnwalder als Berichterstatter empfiehlt, den gerichtlichen Antrag auf Aufhebung der Immunität eines Mitte-Rechts-Politikers abzulehnen.
In beiden Abschlussberichten kommt der SVP-Jurist zum Schluss, dass die Aufhebung der Immunität nicht gerechtfertigt sei. Sowohl der Ausschuss als auch das Senatsplenum sind dieser Empfehlung gefolgt und haben in beiden Fällen gegen die Anträge des Gerichts und gegen die Aufhebung der Immunität gestimmt.
 

Guter Strafverteidiger

 
Genauso wird jetzt auch der Gerichtsfall Matteo Salvini enden. Meinhard Durnwalder wurde auch hier zum Berichterstatter ernannt. Der SVP-Politiker stellt in der Ausschusssitzung am 31. Jänner 2023 seinen Abschlussbericht vor. Es ist die Sachverhaltsdarstellung eines guten Strafverteidigers. Durnwalder kommt zum Schluss, dass die Immunität eines Senators nicht nur für die Äußerungen gelten, die dieser im Parlament oder in Ausübung seine Amtes macht, sondern auch „extra moenia“, das heißt in Interviews, Pressemitteilungen und eben auch auf Facebook.
 
 
 
Durnwalder bietet dazu nicht nur Präzedenzfälle des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, sondern auch Urteile des italienisches Verfassungsgerichtshofes auf. Laut offiziellem Sitzungsprotokoll des Senatsausschusses sagt der SVP-Senator:
 
"Il parametro sul quale la Corte costituzionale valuta la sussistenza o meno del nesso funzionale è appunto la sostanziale corrispondenza di contenuto fra la dichiarazione espressa all'esterno delle aule parlamentari e quella pronunciata all'interno, con la precisazione che non è necessaria una puntuale coincidenza terminologica tra i due atti (extra moenia e intra moenia), essendo invece sufficiente una corrispondenza contenutistica sostanziale."
 
Meinhard Durnwalder kommt in seinem Bericht zum Schluss, dass genau das im Fall Salvini gegeben sei und schlägt vor, den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Matteo Salvini abzulehnen.
Am Dienstag dieser Woche kommen die Senatoren der Regierungsmehrheit und Berichterstatter Meinhard Durnwalder dieser Empfehlung nach. Ivan Scalfarotto (Italia Viva) e Ilaria Cucchi (Alleanza verdi sinistra) enthalten sich der Stimme. Nur drei Senatoren des PD und der M5S stimmen für die Aufhebung der Immunität.
È inaccettabile che si utilizzi lo strumento della insindacabilità per proteggere e impedire che vada a giudizio un ministro che si è permesso per un mese e mezzo consecutivo da qualunque canale social e mezzo televisivo di insultare una persona“, erklärte hingegen PD-Senator Alfredo Bazoli nach der Entscheidung.
Meinhard Durnwalder hat jetzt den Auftrag den Abschlussbericht auch in der Aula des Senates vorzustellen.
Dann wird Salvinis Verteidiger seine Arbeit erfolgreich beendet haben.
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Hartmuth Staffler Mi., 01.03.2023 - 14:19

Ich verabscheue den Begriff "fremdschämen". Ich habe keinerlei Absicht, mich für diesen M. Durnwalder zu schämen, weil ich nicht für sein Verhalten verantwortlich bin. Ich ärgere mich nur. Schämen sollte er sich, und das ganz gewaltig. Am Schlimmsten finde ich, dass diese Person irgendwie für Südtirol steht und damit das Ansehen unseres Landes enorm beschädigt. Es sollten sich auch alle jene Personen schämen, die diesen Meinhard Durnwalder gewählt haben. Das war übel.

Mi., 01.03.2023 - 14:19 Permalink
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Christoph Fran… Mi., 01.03.2023 - 15:17

Der Tiefpunkt der italienischen Parlamentsgeschichte ist keinesfalls der Bericht des SVP-Senators Durnwalder. Dieses Urteil würde ich mir nicht anmaßen. Sondern die Ausdrücke und Worte, mit denen der italienische Innenminister Carola Rackete bedacht hat. Aber wer lesen kann, ist eben im Vorteil.

Mi., 01.03.2023 - 15:17 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 01.03.2023 - 15:46

Juristische Begründungen werden vor Gericht vorgebracht. Journalisten stützen sich normalerweise auf moralische Begründungen, und da zählt es eigentlich wenig, ob die hier beanstandete Aussage von Matteo Salvini oder von Meinhard Durnwalder getägtigt wurde. Moralisch verwerflich sind beide.

Mi., 01.03.2023 - 15:46 Permalink
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Alexander Wallnöfer Mi., 01.03.2023 - 19:57

Wer noch Zweifel daran hatte, dass sich die Juristerei nicht schon längst sich selbst und nicht mehr der Gesellschaft dient, wird hiermit eines besseren belehrt: Politiker besitzen offenbar einen Freibrief engagierte BürgerInnen zu diffamieren. Danke Meinhard Durnwalder!

Mi., 01.03.2023 - 19:57 Permalink
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Manfred Klotz Do., 02.03.2023 - 07:25

Antwort auf von Ceterum Censeo

Meinhard Durnwalder hat mit der SVP im Grunde nichts zu tun. Der hat nur dort angeheuert, weil die Aussichten auf ein politisches Mandat größer sind. Wie die Realität beweist. Von der Einstellung her müsste er bei der Lega oder FdI sein. Wenn man dann noch seine Verflechtung mit der Geschichte um die Freunde unterm Edelweiß ansieht, muss man sich fragen, wo seine Wähler hinschauen.
Beschämend an der Geschichte um Salvini ist die Tatsache, dass Politiker praktisch sein Auftreten verteidigen und damit teilen. Die Immunität - so der eigentliche Hintergedanke - gilt für Meinungen und Haltungen, die in Ausübung eines politischen Mandats ausgedrückt oder eingenommen werden. Davon sind vom Strafrecht erfasste Tatbestände eigentlich ausgenommen. Salvinis Aussagen waren nicht Ausdruck seiner politischen Meinung, sondern ad personam. Die Frage ist nun, ob es Durnwalder weiß und wohlwissend dazu geschwiegen hat oder ob er es nicht weiß. In beiden Fällen ist er eigentlich für das Amt, das er bekleidet untragbar.

Do., 02.03.2023 - 07:25 Permalink
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Ceterum Censeo Do., 02.03.2023 - 10:21

Antwort auf von Manfred Klotz

Dass er zur Lega gehören würde, trifft sicher zu, aber die SVP hat immer schon einen sehr stark rechten Flügel gehabt.
Dass jetzt aber ein SVP-Parlamentarier faschistische Parolen verteidigt ("deutsche Zecke"), ist doch neu.
Solange die Partei nichts unternimmt, ist sie damit einverstanden.

Do., 02.03.2023 - 10:21 Permalink
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Karl Trojer Do., 02.03.2023 - 10:06

Wenn Politiker, die Vorbilder im fairen demokratischen Verhalten sein sollten, Mist bauen, müssen sie dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn andere Politiker diese rechtliche Klärung verhindern, sind sie vom gleichen Holz wie erstere, "Falotten"...

Do., 02.03.2023 - 10:06 Permalink
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Josef Ruffa Do., 02.03.2023 - 11:22

Gar einige Sachen aus der Vergangenheit kommen in Mode.
Es wäre schön wenn Ethik, Scham, Intelligenz und Ehrlichkeit wieder kämen.

Do., 02.03.2023 - 11:22 Permalink