Cutro
Foto: Il T quotidiano indipendente
Chronik | Flüchtlingsdrama

Polemiken nach Migrantendrama

Die Schiffskatastrophe vor der Küste Kalabrien löst politische Polemiken aus. Warum eilte niemand dem überfüllten Boot zu Hilfe?

Nach der Flüchtlingstragödie mit 68 Toten vor der Küste Kalabrien gehen Italiens Medien mit der Regierung hart ins Gericht. Die Tageszeitung La stampa spricht unverblümt von einer strage di stato und stellt entsprechende Fragen: "Quanti altri corpi dovrà restituire il mare di Crotone perché il governo italiano si decida a fornire ai morti, ai vivi e al paese intero una risposta vera, non ideologica ? Si tratta di un naufragio di stato."

Die Grenzschutzorganisation Frontex und die römische Regierung machen sich gegenseitig für die verspäteten Informationen verantwortlich. Während die Verwandten der Opfer im Palasport von Crotone die Leichen ihrer Angehörigen identifizieren, ringt der ins Kreuzfeuer der Kritik geratene Innenminister Matteo Piantedosi nach Argumenten: "C'è un indagine in corso alla quale non mi sottrarrò. Non credo ci sia stato nessun ritardo."

 

Nur in einem Punkt herrscht Einvernehmen: das Unglück von Cutro wird nicht das letzte seiner Art bleiben. Und auch der rimpallo delle responsabilità gehört zu den gewohnten Ritualen italienischer Politik. Drei der mutmasslichen Schlepper - zwei Türken und ein Pakistaner - wurden festgenommen. Das mit rund 150 Migranten hoffnungslos überladene Fischerboot war von von der Millionenstadt Smirne an der türkischen Küste gestartet - der unbestrittenen Hochburg der kriminellen Schleuserorganisationen. Schon seit einigen Jahren bevorzugen die Schleuser die Route von der türkischen Küste in Richtung Apulien oder Kalabrien.

Nur in einem Punkt herrscht Einvernehmen: das Unglück von Cutro wird nicht das letzte seiner Art bleiben.

Italiens Zeitungen üben indessen harsche Kritik an der Ineffizienz, die zur Katastrophe führte. La Repubblica: "Processo alla Guardia Costiera." Unklar bleibt, warum keine Rettungsaktion gestartet wurde, nachdem ein Flugzeug der Grenzschutzorganisation Frontex um 22.30 Uhr das Boot 40 Meilen vor der Küste Kalabriens geortet hatte. Das freilich ist nur eine der vielen unbeantworteten Fragen nach der jüngsten Flüchtlingstragödie.

Der langjährige Kommandant der Küstenwache, Admiral Vittorio Alessandro, weist der Politik die Schuld für die Tragödie zu: "Salvare vite era il nostro vanto. Poi la politica ha fermato tutto."