Politik | SVP-Kandidaten
„Persönliche Angriffe dürfen nicht sein“
Foto: Privat
Salto.bz: Herr Aichner, Sie haben Ihr Interesse an einer Kandidatur für die Landtagswahlen bekundet, nachdem Sie von den vier Meraner SVP-Ortsausschüssen nominiert wurden. Was sind Ihre Beweggründe?
Thomas Aichner: Ich bin seit jeher am politischen Geschehen interessiert und habe bereits oft mit politischen Vertretern zu tun gehabt. Ich selbst war nie in einem politischen Gremium vertreten und bin sozusagen ein politischer Quereinsteiger. In den vergangenen Jahrzehnten habe ich sehr von den Errungenschaften, die in diesem Land erreicht worden sind, profitieren dürfen, sei es was die Schulbildung betrifft als auch die ehrenamtliche Betätigung als Bergretter oder Jäger. Ich möchte einfach etwas zurückgeben.
Die Initiative ist von Ihnen ausgegangen oder ist die SVP auf Sie zugetreten?
Der Wunsch ist von mir ausgegangen. Ich habe mich im Vorfeld mit verschiedenen Politikern ausgetauscht. Besonders eine Person, die ich sehr schätze und der ich sehr vertraue, hat mich motiviert, diesen Schritt zu tun.
Sie steigen in sehr turbulenten Zeiten in den politischen Ring. Sehen Sie diese Umbruchphase auch als Chance? Bzw. ist es für Sie genau der richtige Zeitpunkt?
Krisen sind fast immer ein Zeichen für Veränderung und bieten dementsprechend auch Chancen. In Bezug auf die SVP gibt es sicher manche Dinge, die nicht gut laufen. Ich habe das Buch „Freunde im Edelweiß“ gelesen und war – so wie viele andere auch – empört darüber, was hinter den Kulissen abgelaufen ist. Darüber wird allerdings oft vergessen, dass in der Politik auch viel Gutes geleistet wird, vor allem in der Lokalpolitik. Ich wohne in Hafling und ich sehe, wie unsere Bürgermeisterin Sonja Plank und der gesamte Gemeinderat viel tun und dabei wunderbare Arbeit leisten. In der öffentlichen Diskussion zum Thema Politik geht dieses Engagement aber leider oft unter.
Oft wird vergessen, dass in der Politik auch viel Gutes geleistet wird, vor allem in der Lokalpolitik.
Aus meiner Sicht ist es deshalb nicht korrekt, wenn Politik nur negativ gesehen wird. Ganz nüchtern und objektiv betrachtet, soll man sowohl jene Dinge benennen, die schief gelaufen sind, als auch jene, die gut gemacht werden. Deshalb stehe ich einer möglichen Kandidatur mit einer positiven Erwartungshaltung entgegen.
Es stimmt aber, dass wir in einer Zeit großer Veränderungen leben und vieles besser gemacht werden muss. Ich werde versuchen, meinen Beitrag dazu zu leisten.
Sie haben sich sicher bereits Gedanken darüber gemacht, was Sie verändern möchten. Welche Bereiche wären das?
Nachhaltigkeit muss für uns das zentrale Thema werden. Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Wenn wir jetzt nicht auf die Klimakrise und die großen Umweltfragen reagieren, wird irgendwann kein Wasser mehr aus dem Wasserhahn kommen. Dann wird es aber zu spät sein. Ich habe zwei kleine Kinder, ich muss an ihre Zukunft und an die Zukunft ihrer Kinder denken, deshalb ist Nachhaltigkeit für mich der oberste Parameter, und zwar nicht nur als Schlagwort und Green-Washing-Slogan oder etwas, das man so ganz nebenbei machen kann, sondern Nachhaltigkeit muss die Basis jeder Entscheidung sein.
Für viele Bürger und Bürgerinnen bedeutet das ein Verzicht auf den mittlerweile gewohnten Luxus. Verzichten ist etwas, das nur sehr schwer zu vermitteln ist …
Ja, stimmt. Dafür braucht es jeden einzelnen: mich, meinen Nachbarn und alle anderen. Für mich ist es auch nicht leicht, auf die Annehmlichkeiten des Autos zu verzichten und bestimmte Strecken mit dem Fahrrad zu fahren. Es geht aber genau darum: um die Aktionen jedes einzelnen und um das Verstehen, dass Weiterentwicklung gekoppelt an Nachhaltigkeit möglich sein kann. Ein Umdenken Richtung Nachhaltigkeit bedeutet ja nicht, dass wir in unserer Entwicklung stehen bleiben oder uns rückwärts bewegen müssen. Aber ich glaube, dass speziell im Bereich Innovation in Südtirol noch sehr viel Potential vorhanden ist, vor allem im Zusammenspiel von lokaler Kreislaufwirtschaft und Internationalisierung.
Ein Umdenken Richtung Nachhaltigkeit bedeutet ja nicht, dass wir in unserer Entwicklung stehen bleiben oder uns rückwärts bewegen müssen.
Können Sie ein konkretes Beispiel dafür nennen?
Ich bin davon überzeugt, dass wir die Diversifizierung der Landwirtschaft stärker fördern müssen, um den Bauern die Möglichkeit zu geben, ihre Produkte zu einem fairen Preis verkaufen zu können. Auch die heimische Holzproduktion ist hier zu nennen. Vor vier Jahren habe ich in Hafling ein Holzhaus gebaut. Der Rohstoff dafür stammt aus dem Passeiertal. Das Umdenken, auf einheimische Produkte, Waren und Rohstoffe zurückzugreifen, geschieht nicht von heute auf morgen, ich bin aber vollkommen davon überzeugt, dass wir unsere Produkte, von der Schafwolle über Holz bis zu den handwerklichen Waren, in Südtirol besser vermarkten können. Gleichzeitig müssen wir uns aber stärker öffnen, womit wir beim Thema „Südtiroler Talente zurückholen“ sind. Wenn wir vor Problemen wie dem Borkenkäfer oder dem Feuerbrand stehen, brauchen wir kluge Köpfe, die kluge Strategien dagegen entwickeln können. Deshalb muss sich unser Land stärker internationalisieren, wir müssen Sprachbarrieren abbauen und gleichzeitig auch leistbaren Wohnraum für junge Leute schaffen, damit Südtirol ein attraktiver Ort für Südtiroler und für Fachkräfte aus dem Ausland bleibt. Ich bin mir bewusst, dass diese Öffnung auch Ängste weckt, ich bin aber überzeugt, dass, wenn man tief verwurzelt ist und patriotisch gesinnt – im positiven Sinne –, dann besteht kein Grund, Angst zu haben. Angst muss man nur haben, wenn man sich auf dünnem Eis bewegt. Wir müssen im eigenen Land viel mehr in die Tiefe gehen und uns gleichzeitig international viel mehr vernetzen.
Als Marketing Direktor bei der Firma Oberalp, die tief in Südtirol verwurzelt ist, die Produkte mittlerweile weltweit verkauft und dabei extrem viel Wert auf Nachhaltigkeit legt, habe ich gelernt, wo die Grenzen liegen, aber auch was alles möglich ist. Es geht um die Weiterentwicklung von Südtirol im Kontext der Europäischen Rahmenbedingungen.
Ihrem Lebenslauf zufolge haben Sie auch einige Kurse in den Bereichen Führungsmanagement und Kommunikationsstrategien absolviert. Sehr nützlich in politischen Debatten.
Ich muss vorausschicken, dass ich wirklich über keinerlei politische Erfahrung verfüge. Ich habe aber sehr viel Erfahrung in der Kommunikation bzw. die Fähigkeit für etwas einzustehen und trotzdem auf Kompromisse eingehen zu können. Ich glaube, dass es in der Politik sehr wichtig ist, seinen Plan zu verfolgen und zu verteidigen, sich aber auch auf Kompromisse einlassen zu können. Was nützt die brillanteste Idee, wenn man es nicht schafft, sie gemeinsam umzusetzen?
Sie empfehlen sich auch mit Ihrer Team-Fähigkeit …
In der Politik muss jeder seine Kompetenzen einbringen. Es gibt Momente, wo man zurückstecken muss und es gibt Momente, wo man etwas einsetzen muss. Extrem wichtig, sowohl in der Politik wie auch im Privat- und Berufsleben, ist der gegenseitige Respekt. Persönliche Angriffe dürfen nicht sein: Wenn man nicht mehr imstande ist, miteinander zu sprechen, dann kann Politik nicht funktionieren. Man muss sich auf einer sachlichen, vor allem aber auch auf einer respektvollen Ebene begegnen.
Wenn man nicht mehr imstande ist, miteinander zu sprechen, dann kann Politik nicht funktionieren.
Manche politischen Neueinsteiger zeigen sich enttäuscht darüber, dass in der Politik – im Gegensatz zur freien Wirtschaft – alles viel langsamer geht. Bringen Sie die nötige Geduld für dieses Geschäft auf?
Wenn Sie mich vor 20 oder 30 Jahren gefragt hätten, hätte ich genau aus diesem Grund ein politisches Amt abgelehnt. Ich bin nämlich jemand, der gerne „vorwärts macht“. Durch meine Berufs- und Lebenserfahrung habe ich gelernt, dass bestimmte Dinge ihre Zeit brauchen und dass Durchhaltevermögen eine sehr wertvolle Fähigkeit ist. Zu bestimmten großen Themen einen Konsens zu finden, braucht nun einmal seine Zeit. Wenn man gemeinsam mit vielen anderen in einem Boot sitzt, dann muss man den Leuten einfach die Zeit geben, mit einem Thema „mitzuwachsen“. Um auf das Beispiel Holzhaus zurückzukommen: Es wird nicht von heute auf morgen gehen, dass jeder Südtiroler sich sein Holzhaus leisten und auch bauen kann. Aber wenn man Holz immer wieder zum Thema macht wie beispielsweise bei den öffentlichen Bauten, dann tritt ein Wandel ein. Ich bin vom Typ her ein Macher, aber ich bin mir vollkommen bewusst, dass eine gesellschaftliche Entwicklung einfach ihre Zeit braucht.
Ich bin vom Typ her ein Macher, aber ich bin mir vollkommen bewusst, dass eine gesellschaftliche Entwicklung einfach ihre Zeit braucht.
Marketing Direktor, Bergretter, Jäger und Verfechter der Nachhaltigkeit – Sie denken bereichsübergreifend und lassen sich nur schwer in eine Schublade stecken.
Das ist meiner Meinung nach auch notwendig. Natürlich habe ich meine Erfahrungen im Bereich Wirtschaft gesammelt und verfüge deshalb über ein zielorientiertes Work-Flow-Denken, „Gesellschaft“ ist aber mehr als das. Der Mensch wirtschaftet seit Anbeginn seiner Existenz, aber wird dürfen nicht zum Selbstzweck wirtschaften, sondern müssen uns überlegen, welche Mehrwerte wir für uns und die nächste Generation schaffen müssen. Der Mehrwert kann nicht sein, dass sich einige wenige stark bereichern. Ein Mehrwert muss darin liegen, dass sich unsere Gesellschaft ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem leisten kann, die Bürger und Bürgerinnen in einem bestimmten Wohlstand und vor allem in einer gesunden und sauberen Umwelt leben können. In diesem Kontext spielt die Wirtschaft natürlich eine Rolle, aber genauso alle anderen Bereiche. Politik hat die Aufgabe, bereichsübergreifend zu denken und zu handeln.
Abschließend zu den positiven Dingen. Was schätzen Sie an Südtirol besonders?
Die Solidarität. Vor zwei Wochen ist in Marling ein großes Feuer ausgebrochen. Wir von der Bergrettung haben dabei die Feuerwehrmänner bei den anstrengenden Löscharbeiten unterstützt. Nach einiger Zeit hat eine Konditorei aus dem Dorf eine Unmenge von Kuchen und Pralinen gebracht, eine Bäckerei hat für belegte Brote gesorgt, auch jede Menge Joghurt und Äpfel wurden uns zur Verfügung gestellt, ein Imker schenkte uns sogar an die 50 Gläser Honig. Die Feuerwehrhalle war gefüllt mit Lebensmitteln, die niemand bestellt hat und die wir dankbar angenommen haben, weil wir wirklich hungrig waren. Das ist an Südtirol genial. Niemand hat irgendjemanden beauftragt, irgendetwas zu besorgen und trotzdem kümmert sich jeder um den anderen. Wenn es darauf ankommt, können wir extrem gut zusammenhalten.
Wenn es darauf ankommt, können wir extrem gut zusammenhalten.
Die Politik muss oft schnelle Entscheidungen treffen, und dass rückwirkend betrachtet manchmal falsche Entscheidungen getroffen werden, wird sicher immer wieder passieren. Hinterher kritisieren, ist natürlich leicht, womit wir beim Negativen wären: Unser Land ist sehr klein und jeder Quadratmeter ist hart umkämpft. Nehmen wir das Beispiel einer Almwiese: Der Bauer sagt, dass keiner sie betreten darf, weil er die Wiese mähen oder sein Vieh darauf weiden lassen will. Der Mountainbiker ist davon überzeugt, dass er das Recht hat, mit seinem Bike durch die Wiese zu fahren. Der Wanderer wiederum glaubt, dass er hier spazieren gehen darf und Mountain-Biker nichts zu suchen hätten. Mir als Jäger wäre es am liebsten, wenn überhaupt niemand seinen Fuß auf die Almwiese setzen würde. Alle haben aber Recht. Was ich damit sagen will, ist: Wir Südtiroler tendieren dazu, uns gerade in diesen Belangen sehr oft in die Haare zu geraten. Das Streiten bringt uns aber nicht weiter. Natürlich ist die Herausforderung groß, weil wir nur ein kleines Land sind und sozusagen aufeinander hocken. Der eine mag es nicht, wenn der Bauer nebenan seine Äpfel spritzt, aber im Supermarkt müssen die Äpfel dann picobello aussehen. Auf so engem Raum sich zu vertragen, ist nicht einfach. Wie im normalen Leben geraten dann auch die Politiker oft schnell in Streit, dann wird es persönlich und das ist nicht gut für unser Land. Da müssen wir alle besser werden.
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"In den vergangenen
"In den vergangenen Jahrzehnten habe ich sehr von den Errungenschaften, die in diesem Land erreicht worden sind, profitieren dürfen, sei es was die Schulbildung betrifft als auch die ehrenamtliche Betätigung als Bergretter oder Jäger. Ich möchte einfach etwas zurückgeben."
Klingt so, als ob Herr Aichner ehrenamtlich im Landtag sitzen würde, sofern er gewählt wird. Oder wie ist das sonst zu verstehen ...?
Bekommt jetzt jeder
Bekommt jetzt jeder potentielle SVP-Kandidat die Gelegenheit, sich auf Salto zu profilieren oder nur bestimmte?
Nichts gegen den Kandidaten,
Nichts gegen den Kandidaten, dessen Einstellungen ich ohne weiteres teilen kann, aber Nachhaltigkeit im Marketing ist wohl eher Schein und die Firma Oberalp hat die Nachhaltigkeit erst sehr spät entdeckt. Als eine Bergsportzeitschrift vor noch nicht so vielen Jahren verschiedene Firmen in der Bergsportsparte um Auskunft über die Nachhaltigkeit in ihrem Betrieb gefragt haben, kam von Oberalp jahrelang die Auskunft, man sei dabei, sich darum zu kümmern. Zu einem Zeitpunkt als vergleichbare Firmen in Familienbesitz (Vaude, Patagonia) schon viel, viel weiter waren; selbst börsenquotierte Firmen waren schon weiter.
Was mich aber von, vor allem SVP-Kandidaten, interessieren würde, ist wie sie sich die Umsetzung ihrer Vorstellungen (die ja manchmal ehrenwert sind) in der Partei vorstellen. Ich weiss nicht, ob diesen quereinsteigenden Kandidaten bewusst ist, dass sie nur als Stimmenfänger gedacht sind und selbst wenn sie gewählt werden, als Hinterbänkler nichts zu sagen haben.
Antwort auf Nichts gegen den Kandidaten, von Robert Hölzl
genau den gleichen Gedanken
genau den gleichen Gedanken hatte ich auch ;-)
Es gibt da ein vorzügliches
Es gibt da ein vorzügliches Parteistatut, an dem nicht einmal 1 Beistrich geändert werden muss. Es könnte also wirklich jede/r dieses umsetzen, wenn sie/er nur wollte.
Noch ist der Herr Thomas
Noch ist der Herr Thomas Aichner nicht gewählt und offiziell auch noch nicht Kandidat.
Wenn Leute mit solchen Ideen wie jenen von Thomas Aichner kandidieren oder sogar gewählt werden, dann wäre das für eine Partei wie die SVP wohl eher ein Vorteil. Und ein Gewinn für die Gesellschaft.
Jedenfalls wären mir Leute wie ein Thomas Aichner im Landtag lieber als einige andere ... auf den SVP-Bänken ebenso wie auf jenen anderer Parteien.