Politik | Vermögen

10 Jahre Verspätung

Waltraud Deeg hat in ihrer Vermögenserklärung zehn Jahre lang eine Aktienbeteiligung „vergessen“. Nach Recherchen von Salto.bz hat die SVP-Politikerin jetzt reagiert.
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Foto: Seehauserfoto
Für jeden Normalsterblichen wäre es eine Falscherklärung.
Doch in Südtirol laufen die Uhren anders, vor allem wenn man ganz an der Spitze der Landespolitik steht. Dann kann man sich einfach auf das „Nichtwissen“ berufen und so tun, als wäre nichts gewesen.
Waltraud Deeg, Landesrätin für Soziales, Familie und Wohnbau hat 10 Jahre lang in ihrer offiziellen Vermögenserklärung eine Gesellschaftsbeteiligung unterschlagen. Jetzt hat sie zum ersten Mal seit ihrer Wahl in den Landtag diese Beteiligung angegeben.
Wie es aber dazu gekommen ist, klingt wie ein schlechter Witz.
 

Die Beteiligung

 
Ende der 1960er Jahre und Anfang der 1970er Jahre wird direkt über Steinhaus im Ahrntal das Skigebiet Klausberg errichtet. Dazu werden mehrere Lifte und Pisten erbaut, die zu Weihnachten 1971 in Betrieb gehen.
Besitzer und Träger ist die „Klausberg Seilbahn AG“. Das Unternehmen, im Februar 1970 gegründet, hat aktuell ein Gesellschaftskapital von 3.346.272 Euro und insgesamt 153 Aktionäre.
Es sind vor allem Klein- und Kleinstaktionäre. Die Gemeinde Ahrntal ist mit 8 Prozent der größte Aktionär der Klausberg Seilbahnen.
In der offiziellen Liste der Gesellschafter der „Klausberg Seilbahn AG“, die am 31. Dezember 2021 bei der Handelskammer Bozen hinterlegt wurde, findet sich auch eine „Geebert Deeg Waltraud“. Sie hält 24 Aktien mit einem Nominalwert von 619,68 Euro. Aus der Steuernummer (Geburtsjahr 1928) geht hervor, dass es sich bei der Aktionärin um die Mutter der amtierenden Landesrätin handelt.
 
 
 
Waltraud Gebert Deeg ist im Jänner 1988 verstorben. Ihre einzige Tochter Waltraud, damals noch nicht volljährig, wird zur Alleinerbin.
Die amtierende Landeshauptmannstellvertreterin ist damit seit 35 Jahren Aktionärin der Ahrntaler Skischaukel.
Nur wusste das anscheinend niemand.
 

Tote als Aktionäre

 
Als Salto.bz-Redakteurin Elisa Brunelli Mitte Jänner 2022 eine Geschichte über die geplante Erweiterung des Skigebietes Klausberg recherchiert, stößt sie in der offiziellen, in der Handelskammer hinterlegten Aktionärsliste nicht nur auf den Namen der vor 35 Jahren verstorbenen Waltraud Gebert Deeg.
Denn in dieser Geschichte gibt es eine ganze Reihe von mutmaßlichen Nachlässigkeiten. Dass eine Aktionärin 34 Jahre nach ihrem Tod im Gesellschafterbuch aufscheint, ist eine klare Verletzung der geltenden Gesetze. Seit langem hätte die Beteiligung auf Waltraud Deeg Junior überschrieben werden müssen. Dabei scheint das nicht die einzige Unregelmäßigkeit im Ahrntaler Seilbahnunternehmen zu sein. So scheint auch Georg Graf Enzenberg immer noch in der Aktionärsliste auf; er ist 2016 verstorben.
 
 
 
 
Weder der offizielle geschäftliche Vertreter der „Klausberg Seilbahn AG“, Herbert Steger, noch der Aufsichtsrat wollten damals dazu gegenüber Salto.bz Auskunft geben.
Salto konfrontierte selbstverständlich auch Waltraud Deeg mit diesen Fakten. Aber die Landeshauptmannstellvertreterin gab im Jänner 2022 an, von der Beteiligung an der Lift- und Skigebietsgesellschaft nichts zu wissen.
Bis heute wusste ich nichts davon“, reagierte Waltraud Deeg damals überrascht und auch durchaus belustigt. Die Landesrätin bedankte sich sogar bei der Salto-Journalistin für die Information.
 

Schlechte Ausrede

 
Doch die Erklärung von Waltraud Deeg - sie habe bis zum Anruf von Salto.bz nichts von dieser Beteiligung gewusst - dürfte auf tönernen Füßen stehen. Denn sämtliche Aktieninhaber müssen alljährlich zur Bilanzgenehmigung schriftlich eingeladen werden. Damit stellt sich die Frage, wohin die Einladungen und die amtlichen Schreiben für Waltraud Deeg in den vergangenen drei Jahrzehnten gegangen sind.
Dazu gab es in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Neuwahlen des Verwaltungs- und Aufsichtsrates. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird man die Aktionäre anschreiben und einladen müssen. Die amtierende Landeshauptmannstellvertreterin hier einfach außen vor zu lassen und ihr die gesetzlich vorgesehenen Informationen nicht zuzuschicken, das dürften sich selbst die unerschrockenen „Tölderer“ nicht getrauen.
 
 
 
Der Verwaltungsrat der Klausberg AG scheint von den geltenden Gesetzen aber nicht viel zu halten. Nur so ist es zu erklären, dass die Unternehmensführung selbst nach den Salto-Recherchen so tut, als sei nicht passiert. Am 16. September 2022 hinterlegt die Aktiengesellschaft im Handelsregister das ajournierte Gesellschafterverzeichnis. Drei Aktionäre scheiden dabei aus und 12 neue Gesellschafter werden eingetragen.
Im Fall Deeg aber scheinen weder die Unternehmensführung noch der Aufsichtsrat Anstalten zu machen, die Besitzerverhältnisse der Landeshauptmannstellvertreterin richtig zu stellen. Denn auch 8 Monate nach dem Salto-Artikel wird 
Waltraud Gebert Deeg im offiziellen Gesellschafterverzeichnis noch als Aktionärin angeführt. Keine Spur vom Besitz ihrer Tochter und Landesrätin. Und das ist bis heute so.
Dabei gibt es in diesem Fall noch ein zweites Minenfeld. Mitglieder der Landesregierung können nicht Gelder an Unternehmen verteilen oder Entscheidungen über Projekte treffen, an denen sie beteiligt sind. Mehrmals aber hat sich die Landesregierung direkt oder indirekt in den vergangenen 10 Jahren mit der „Klausberg Seilbahn AG“ beschäftigt. Etwa bei der Verteilung von 90 Millionen Euro an Covid-19-Notstandshilfen an die Südtiroler Seilbahnen. Dabei hat Waltraud Deeg so mitgestimmt, als würde sie das Unternehmen nichts angehen. Als Aktionärin der „Klausberg Seilbahn AG“ hätte sich die Landesrätin aber bei der Beschlussfassung enthalten müssen. Oder zumindest ihre Beteiligung offenlegen müssen.
 

Die Korrektur

 
Landtagsabgeordnete müssen alljährlich ihre Vermögensverhältnisse offenlegen. Dazu gehört auch die Beteiligung an Gesellschaften und Unternehmen.
Seit ihrer Wahl in den Landtag 2013 hat Waltraud Deeg aber keinerlei Gesellschaftsbeteiligung angegeben. Die Beteiligung an der „Klausberg Seilbahn AG“ scheint nirgends auf.
 
 
 
 
Auch wenn es sich um eine Kleinstbeteiligung handelt, formal hat die SVP-Politikern damit acht Jahre lang falsche Angaben gemacht.
Nach der Salto-Geschichte hat Waltraud Deeg jetzt aber diese Veröffentlichung nachgeholt. Ende Februar hat der Südtiroler Landtag, so wie gesetzlich vorgesehen, die „Veröffentlichung der Änderungen der Vermögenslage der Abgeordneten der Autonomen Provinz Bozen“ vorgenommen.
Dabei scheint bei Waltraud Deeg in der Rubrik „Beteiligungen an Gesellschaften“ jetzt die Klausberg-Beteiligung aus.
Davor steht die Standardformel: „Bei meiner Ehre bestätige ich, dass diese Erklärung der Wahrheit entspricht.“
Genau das hieß es aber auch in den zehn Jahren zuvor.

Per un importo di questo livello preferisco che un Assessore regionale si dedichi al suo lavoro e non perda tempo con minuscoli dettagli. Nella peggiore delle ipotesi lo chiamerei "peccato veniale". Se ci fossero un danno erariale o privilegi verso la SpA sarebbe un conto, ma qui non e' il caso. Quindi - dov'e' il problema?

Mo., 17.04.2023 - 13:52 Permalink

Für ein Versäumnis in der Größenordnung eines mittleren Monatsgehalts unter einem ganzen Jahr, sagen wir, etwa 2000 EUR, würde ich keine grosse Geschichte machen. Sonst muss man (frau) auch bei 5 EUR alles "der Wahrheit entsprechend" erklären, der Aufwand mag zu groß werden.
Ja, vor 20 Jahren musste eine schwedische Ministerin wegen einer Toblerone-Packung im Wert von 9 EUR den Platz räumen. Sie hatte für diese mit der Regierungskreditkarte und nicht mit der eigenen bezahlt. Diese Ministerin war aber aus anderen Gründen bereits unter Beschuss. Für die Opposition kam diese Affäre sehr gelegen.

Mo., 17.04.2023 - 16:03 Permalink

Dann sollten Formulare in Zukunft so aussehen?
"Bitte geben Sie alle Ihre Einkommen an, außer jene unter 2.000 Euro" oder wollen wir gleich einen Freibetrag in dieser Höhe für alle einführen?

Übrigens, was ich mich schon immer frage: was hat "man" mit (frau) zu tun? ;-)

Mo., 17.04.2023 - 16:27 Permalink

Das ist ein Aspekt des neuen Sprachgebrauchs. Ich finde es holprig, die Rede ist aber von einer Frau. Daher habe ich es so geschrieben.
Ich meine nicht, dass man (!) alle Einkommen unter 2k EUR nicht erklären sollte, sondern, dass wenn eine Geschichte rauskommt, sie auch in den richtigen Rahmen gesetzt wird. Franceschinis Talent mag viel Höheres erreichen, 619 EUR sind kaum die Rede wert.

Mo., 17.04.2023 - 16:47 Permalink
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Hier neige ich auch zur Auffassung, dass es sich um eine vernachlässigbare Nachlässigkeit handelt, niemand ist perfekt. Man sollte gegebenfalls eine in Relation stehende Strafzahlung verhängen und gut.

Mo., 17.04.2023 - 19:57 Permalink

Herr Franceschini ist ein sehr guter Reporter und als solcher unabkömmlich und Frau Deeg eine durchaus überforderte Politikerin, die weit jenseits ihrer tatsächlichen Kompetenz operiert – aber wegen der paar Seilbahn-Aktien würde ich jetzt nicht allzuviel Aufhebens machen.

Di., 18.04.2023 - 18:32 Permalink

Zu diesem Fall kommen mir einige Aspekte in den Sinn:
1) Wenn im Aktionärsregister Waltraud Gebert Deeg steht, dann ist das die Mutter der Landesrätin und nicht die Landesrätin selbst. Somit hat diese, rein praktisch, nichts damit zu tun.
2) Wenn die Eigentumsverhältnisse in dieser Liftgesellschaft schon so lala gehandhabt werden, kann es durchaus sein, dass immer noch Waltraud Gebert Deeg die gesetzlich vorgeschriebenen Einladungen zu den Aktionärsversammlungen bekommen hat, und nicht ihre Tochter. Weiß Gott wie, wo und wann, aber ausschließen kann man das nicht.
3) Berichte von Frau Brunelli zu Skigebieten sind selten von Pressemitteilungen irgendwelcher Naturschutzvereinen zu unterscheiden - da gehen oft die Pferde mit ihr durch, wenn es darum geht, überkritisch zu diesem Thema zu schreiben. Deshalb auch der Mega Scoop für 600 Euro Nominalbeteiligung.
4) Wenn man etwas finden will, findet man immer etwas. Die Frage ist nur, ob dies immer und ohne Ausnahmen auch einen Sinn macht. Ich bin ein Verfechter des Hausverstandes, der aber leider immer weniger Leuten zur Verfügung steht. Auch Journalisten.
5) Wollen wir bitte Landesrätin Deeg und alle anderen Politiker an ihren politischen (Groß-)Taten messen, ohne alle möglichen Sachen zu bemühen, nur um ihnen eins auszuwischen?

Sa., 22.04.2023 - 11:56 Permalink

Zu Punkt 5)
Es gibt die da oben und wir da unten - machtlos.
Siehe Inflationsanpassung, siehe Kubatur Verlegung siehe Wohnbau usw.
Gesetze werden nicht von den Wählern, von uns da unten gemacht.
Es würde nicht die Verhältnislosigkeit bei den Diäten bestehen wäre wir da unten am Gesetzgebungshebel.
Wer wischt da in Wahrheit wem eins (in vielen Dingen) aus???

So., 23.04.2023 - 13:09 Permalink
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Elisabeth Garber

Antwort auf von rotaderga

Mich überzeugen auch die Punkte 1-4 nicht, dafür aber der Franceschini.
Man höre den letzten Podcast zu den Klagen von Frau Deeg im Gleichklang mit jenen von Meinrad Durnwalder. Durch X Prozesse und absurde Schadensersatz-Forderungen versucht man auf Ch. Franceschini Druck auszuüben und ihm wertvolle Zeit zu stehlen.

So., 23.04.2023 - 19:46 Permalink