Strand
Foto: Pixabay
Politik | Italien

Al mare, al mare...

Der EU-Gerichtshof in Luxemburg hat jetzt im jahrelangen Tauziehen um Italiens Strandbäder entschieden: sie müssen durch öffentliche Vergabe zugeteilt werden.
In Italiens fast 8.000 Strandbädern kennt man sich teilweise seit Generationen. Der bagnino duzt viele seiner Gäste, von denen er oft bereits die Eltern kannte. Die privaten Betreiber vieler stabilimenti balneari sind häufig seit Jahrzehnten dieselben und kassieren für Sonnenschirme, Liegestühle, Umkleidekabinen, Duschen und Bootsverleih und bieten in ihrer locanda häufig auch spaghetti alle vongole oder calamari fritti an. 
Seit Jahren besteht die EU darauf, dass die Strandbetriebe nicht willkürlich, sondern nach den Bolkestein-Richtlinien der EU durch öffentliche Wettbewerbe vergeben werden müssen. Es war Silvio Berlusconi, der im Mai 2011 den Pächtern der Strandbetriebe ein Nutzungsrecht für 90 Jahre ausstellen wollte - damit wären diese de facto zu einem Lehen der aktuellen Pächter geworden. 
Um diesen besonderen Kosmos wird seit 15 Jahren eine Art Kulturkampf ausgetragen, dessen Ende nun absehbar scheint.
Um diesen besonderen Kosmos wird seit 15 Jahren eine Art Kulturkampf ausgetragen, dessen Ende nun absehbar scheint. Es sind vor allem zwei Parteien, die sich hartnäckig gegen eine gesetzliche Regelung stemmen: Forza Italia und die Lega, deren Parteichef Matteo Salvini bekanntlich den gesamten Sommer im Strandbad seines Freundes in Milano Marittima verbrachte, eine Unsitte, die er letzthin nach zahlreichen ironischen Kommentaren offenbar reduziert hat.
 
 
 
Eher widerwillig verabschiedete der Senat vor einigen Wochen eine verwaschene Neuregelung, die Staatspräsident Sergio Mattarella  prompt nicht unterzeichnete und an den Palazzo Madama zurückschickte - mit dem Vermerk, dass der Text geltendes EU-Recht ignoriere.  Das veranlasste etwa Senator Riccardo Zucconi von den Fratelli d´Italia zu einem regelrechten Wutausbruch: "Sulle concessioni balneari  ci siamo fatti male da soli. Come Italia siamo stati autolesionisti. E´una vergogna. Da Bruxelles abbiamo  subito pressioni indebite ed ineleganti."
Doch nach anfänglichem Widerstand hat schliesslich auch Premierministerin Giorgia Meloni eingesehen, dass eine öffentliche Ausschreibung der Strandbäder nunmehr unvermeidbar sei. Die Tageszeitung La Stampa schilderte den Widerstand gegen Brüssel als eine Art Kulturkampf: "Ultima spiaggia. Alta tensione sulle concessioni balneari. Lega e Forza Italia premono per sfidare l´UE."  Der für den EU-Binnenmarkt zuständige Kommissar Thierry Breton hatte EU-Minister Raffaele Fitto dezidiert davor gewarnt, "die Richtlinien der Europäschen Union weiterhin zu missachten.
Vor allem die Umweltschützer sehen nun Anlass zum Jubel. "Andare in spiaggia ora non è più un lusso", freut sich der grüne Abgeordnete Angelo Bonelli. "Das Geschäftemachen mit diesem kollektiven Gut hat einem kleinen Kreis enorme Profitte gebracht und das Ökossystem der Küsten geschwächt", so WWF-Direktor Gaetano Bendetto
In den Reihen der Lega dagegen scheint der Widerstand noch nicht gebrochen. Matteo Salvini: "Occorre garantire agli imprenditori che vogliono andare avanti di poterlo fare."
Die Tourismus-Ministerin und Berlusconi-Freundin Daniela Santanchè, die selbst ein Strandbad betreibt, stellt bereits eine erste Bedingung: "No alle località a numero chiuso."
Wie sehr das Thema Italiens Öffentlichkeit bewegt, zeigt die Tatsache, dass Corriere della Sera, La Stampa und  Il Messaggero ihm jeweils nach der Entscheidung des EU-Gerichts die ersten drei Seiten widmen.
Bild
Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Sa., 22.04.2023 - 05:53

Bis Alles verräumt ist was der Berlusconi zur Freude seiner Bewunderer und zum Schaden des Italienischen Staates, sowie seiner Bürger angerichtet hat, wird noch einige Zeit vergehen.

Sa., 22.04.2023 - 05:53 Permalink