Wirtschaft | Gastbeitrag

Das Maß ist voll

In diesem Land gibt man Hunderte Millionen für Prestigeprojekte aus, das große Problem aber ist, wenn die Beschäftigten mehr Geld verlangen. Gedanken zum 1. Mai.
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Foto: Giuseppe Pellizza da Volpedo
Dass es in Südtirol nie eine echte Arbeiterbewegung gab, zeigt sich schmerzhaft in diesen Tagen: Obwohl die Gewerkschaften manierlich um eine leichte Aufbesserung der schmalen Löhne und Gehälter anfragten, ließen sie die Arbeitgebervertreter erst einmal abblitzen.
In anderen Ländern hätten selbstbewusste Verhandler den Arbeitgebern den Marsch geblasen. Nicht so bei uns, es wird zwar geraunzt und geschimpft, um dann gleich zur Tagesordnung überzugehen.
Aber das Maß ist voll! Arbeiter:innen, Lehrer:innen, Sanitätspersonal und öffentliche Angestellte haben im reichsten Land weit und breit seit dem Jahr 2013 einen Reallohnverlust von 20 Prozent und mehr hinnehmen müssen. Eine interne ASTAT-Studie schätzt für manche Branchen sogar mehr als 30 Prozent. Ja, ist dieses Land noch zu retten? Hundert Millionen für die geplante Standseilbahn in Meran, kein Problem. Hundert Millionen für die Umfahrung von Percha, kein Problem. Hundert Millionen für Aufstiegsanlagen und Beschneiungsprojekte, auch kein Problem.
 
 
 
Großes Problem aber wenn die Beschäftigten mehr Geld verlangen, weil ihnen die Energie- und Lebenshaltungskosten davon galoppieren. Im Herbst 2022 hatte der öffentliche Dienst in Österreich mit rund sieben Prozent für das Jahr 2023 abgeschlossen. Und in Wien wird jährlich verhandelt, weil es eine lebendige Sozialpartnerschaft gibt. Vertreter:innen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite verhandeln auf Augenhöhe, seit dem Jahr 2013 haben die öffentlich Bediensteten insgesamt ein Lohnplus von knapp 25 Prozent erkämpft (siehe Abbildung). Bei uns waren es im gleichen Zeitraum magere sechs Prozent.
Wie man hört, verhandelt derzeit die öffentliche Delegation ein Lohnpaket mit der Landesregierung. Es soll für die vergangenen Jahre nachträglich eine Lohnaufbesserung geben, vorausgesetzt, die Lebenslohnkurven werden abgeändert. In jungen Jahren soll es zukünftig etwas mehr, in den späteren Jahren hingegen weniger Geld geben. Scheinbar optieren die Gewerkschaften für diesen schwachen Deal, weil Vogel friss oder stirb!
 
 
Dabei sitzen die Gewerkschaften doch am längeren Hebel, die Rahmenbedingungen waren selten so gut wie heute. Ver.di in Deutschland oder GÖD in Österreich bieten in den Verhandlungen die Stirn, der Erfolg gibt ihnen recht. Bei uns ist wenig von dieser Stärke zu spüren, die Sozialpartnerschaft ist zur Farce verkommen, Landesregierung und Arbeitgeber bestimmen das Geschehen.
Die Verhandlungen im öffentlichen Dienst hätten aus Sicht aller Arbeiter:innen und Angestellten einen Eisbrecher-Effekt: Ist das Eis der Landesregierung einmal gebrochen, dann lenkt auch die Privatwirtschaft ein. Es würde für alle ein wohlverdientes Lohnplus herausschauen. Aber in Südtirol dominiert das neoliberale Wirtschaftsmodell, viel Geld für die Unternehmen, wenig für die Angestellten, viel Geld für Straßen und Seilbahnen, wenig für Lehrer:innen, Pfleger:innen und alle anderen öffentlichen Angestellten.
Die Sozialpartnerschaft ist tot. Am Tag der Arbeit könnte sie wieder neu geboren werden, dafür braucht es aber Mut, Widerstandskraft und Weitsicht.
Diagnose: Die Sozialpartnerschaft ist tot. Am Tag der Arbeit könnte sie wieder neu geboren werden, dafür braucht es aber Mut, Widerstandskraft und Weitsicht. Die Voraussetzungen sind selten gut, mögen die Gewerkschaften diese Gelegenheit am 1. Mai, dem größten Feiertag der Arbeiterschaft nicht verpassen! Es ist auch der Tag der sozialen Gerechtigkeit.

 

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Am Pere Mo., 01.05.2023 - 12:36

Die Arbeitnehmer sind selbst schuld. Wer sein Schicksal einer Magdalena Amhof anvertraut, darf sich nach Jahrzehnten nicht wundern, dass die Brieftasche leer bleibt.

Mo., 01.05.2023 - 12:36 Permalink
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Stereo Typ Mo., 01.05.2023 - 13:15

In Südtirol fehlt komplett eine sozialdemokratische Politik. Gibt es einfach nicht. Das heißt, Arbeitnehmer müssen sich von SVP-Politiker*innen vertreten lassen, einer Partei, die tendenziell die Unternehmer und Bauern unterstützt. Wie wünschte ich mir eine*n Politiker*in vom Format eines Otto Saurer. Nach ihm ist das sozialdemokratische Blümlein leider verblüht.

Mo., 01.05.2023 - 13:15 Permalink
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Manfred Gasser Mo., 01.05.2023 - 17:36

Antwort auf von Am Pere

Lafontaine ist in Rente, aber er war ein konsequenter Linker, weshalb er auch die SPD verließ.
Wagenknecht geht die Sozialdemokratie am Arsch vorbei, solange sie sich medial präsentieren(um nicht zu sagen "prostituieren") kann, egal zu welchem Thema.
Thomas Ehrhorn, AfD? Meinen Sie den?
Günther Hopfgartner noch an ehesten, obwohl ich kein Freund des Kommunismus bin.
Und Schlein braucht erst die Partei an ihrer Seite, um sozialdemokratische Politik zu machen, und nicht nur darüber zu reden.

Mo., 01.05.2023 - 17:36 Permalink
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Sepp.Bacher Mo., 01.05.2023 - 14:32

Antwort auf von Stereo Typ

Nicht nur die SVP-Politiker haben sich in den vergangenen Jahren wenig bis nicht um die Lohnabhängigen und Pensionist/inn/en gekümmert, sondern auch die Oppositionsparteien - inklusive die Grünen und speziell Herr Staffler - haben andere Prioritäten. Auf jeden Fall nicht die Interessen der Lohnabhängigen und Rentner/innen zu vertreten, geschweige denn, gezielt Stimmung unter den Betroffenen zu machen. Herr Staffler war ja selbst Direktor der Landesverwaltung. In seiner Zeit sind die Löhne der Landesbesdiensteten ja auch kaum gestiegen.
Warum rühren sich die Gewerkschaften nicht mehr und sind nicht kämpferisch? Ich vermute, LH Kompatscher ist es gelungen die Spitzenexponeneten "einzulullen". Mir hat einmal einer gesagt, sie träfen sich rgelmäßig zu Gesprächen mit Kompatscher. Er höre zu und nehme die Probleme sehr ernst. Vielleicht ist ihnen nicht aufgefallen, dass nur zuhören nicht genug ist und dass sie mit der Landesverwaltung einen anderen Tonfall anschlagen müssen, Forderungen stellen und - wie Staffler schreibt - sitzen die Gewerkschaften doch am längeren Hebel. Sie müssen die Situation nur nutzen. Nur für die SVP kandidieren (Dieter Mayr) und nichts fordern, reicht nicht! Das ist kontraproduktiv!

Mo., 01.05.2023 - 14:32 Permalink
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Ingo Dejaco Mo., 01.05.2023 - 15:12

Braucht es noch einen Beweis dass die Grünen Populisten sind? Staffler kritisiert ein Projekt das sie jahrelang selbst gefordert haben (Standseilbahn) und er verwendet dafür auch noch falsche Zahlen! Ach, es ist ja Whalkampf ...

Mo., 01.05.2023 - 15:12 Permalink
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Corinna Lorenzi Mo., 01.05.2023 - 16:13

Nicht glaubwürdig sind die derzeitige Regierungen, sei es die in Südtirol als auch jene in Rom. Deren Versprechen, die "Underdogs" zu repräsentieren bzw. die Menschen in Sanität & Bildung "wertzuschätzen" sind (leider) leere Worte. Da kann die Opposition wohl zetern, sie entscheidet nicht.
Streik wäre dringend angesagt (siehe Deutschland), und ein Kreuzchen an einer anderen Stelle (als bisher) im Oktober. :)

Mo., 01.05.2023 - 16:13 Permalink
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Johann Georg B… Mo., 01.05.2023 - 17:15

Der Kommentar von Herrn Bacher sagt alles.
Die Gewerkschaften, sind alles Lohnentfänger vom Land, KVW, ASGB, alles die selben, alle sind Freunde der Regierungspartei, die Sorgen des Mittelstandes und Rentner werden unter den Tisch gekehrt, keiner vonden Gerwekschaften vertritt seine Mitglieder ordentlich, so siehts aus, schöne Reden und schlau Sprüche bringen der Bevölkerung nichts.Taten müssen folgen.

Mo., 01.05.2023 - 17:15 Permalink
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Martin Aufderklamm Mo., 01.05.2023 - 17:48

Strategie der Landespolitik: alle öffentlichen Angestellten in einen Bereichsübergreifenden Kollektivvertrag zwängen und dann komplett darüber herrschen, abgekoppelt von jedweiger staatlicher Norm.
So hält man das Wahlvolk am Futtertrog.
(zuzüglich einer Arbeitnehmerbewegung die von den Lobbys längst schon geschluckt worden ist).
Martin Aufderklamm
Landessekretär UILPA Südtirol

Mo., 01.05.2023 - 17:48 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Mo., 01.05.2023 - 20:03

Herr Staffler hat in seiner Analyse vollkommen recht. Allerdings haben sich unsere Grünen bis jetzt nie um den sogenannten Mittelstand gekümmert. In Deutschland bekommen die Streikenden weiterbezahlt, zahlen dafür höhere Beiträge (oder auch nicht, weiß ich nicht, jedenfalls ist das bei uns schlechter geregelt). Jedenfalls machen unsere Gewerkschaften ihre Arbeit einfach nur grottenschlecht. Und die Arbeitnehmer sind auch selbst schuld, denn wenn tagelang geschlossen gesreikt würde, würden die Lohnverhandlungen schon in die Gänge kommen. Dies gilt vor v.a. für die öffentlichen Bediensteten. Es wird immer so getan, als zahlten die Privaten schlechter, das ist absolut falsch. Der Staat zahlt am schlechtesten.

Mo., 01.05.2023 - 20:03 Permalink
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Josef Fulterer Di., 02.05.2023 - 06:27

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Bereits unter Magnago "durften die Arbeitnehmer unter der warmen Decke der SVP mit-regieren, wenn sie brav und artig waren."
Wer zu dreiste Forderungen gestellt hat, wurde in die politische Bedeutungslosigkeit abgeschoben.
Um mit mehr Vorzugsstimmen zu glänzen wie der Magnago erreichen konnte, hat der große Luis noch zusätzlich die Verbände rechlich gefüttert und mit tollen Residenzen ausgestattet, die jetzt mit ihren Marionetten-Kreuzen die Wahlen und die politischen Entscheidungen der geschrumpften SVP steuern.

Di., 02.05.2023 - 06:27 Permalink
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Albert P Di., 02.05.2023 - 09:51

Herr Staffler ist offensichtlich im Wahlkampf, denn er verschweigt, genau wie Herr Bacher bereits geschrieben hat, dass er als zuständiger Amtsdirektor bei den Verhandlungen damals, genau in die andere Richtung geblasen hat ….
Zu den Beiträgen bezüglich Gewerkschaften, die sind nur so stark wie ihre Mitglieder sind. Diese sind leider beim Jammern stark und wenn es zum Streik kommt ist die Beteiligung meistens recht niedrig. Die Verhandlungsposition ist dann eben die , die sie ist.

Di., 02.05.2023 - 09:51 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer So., 07.05.2023 - 06:55

Antwort auf von Albert P

Wo war die Stimme vom Herrn Staffler, als sich der Landtag "wegen der hohen Inflation die eigenen Bezüge, auch noch mit allerhand Steuer-befreiten Zuschlägen aufgebessert hat" und "die bereits mit Luxus-Renten, sowie den nicht zurück-erstatteten Renten-Vorschüssen der Marke Thaler, armselig-vegetierende Pahl & CO-Truppe der Alt-Mandatare NICHT VERGESSEN hat?"
Eine "nach eigener Auffassung sozial eingestellte Landes-Regierung," sollte sich ZUERST um JENE kümmern, die für ihre harte Arbeit zum allgemeinen Wohl-Befinden so schäbig entlohnt werden, dass sie davon nicht LEBEN KÖNNEN!

So., 07.05.2023 - 06:55 Permalink