Gesellschaft | Eiertreter*in

Muttertag

„Die beste Erziehungsmethode für ein Kind ist, ihm eine gute Mutter zu verschaffen.“ - Christian Morgenstern
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Foto: Pixabay

Mama geht meistens am Montag und Freitag nachmittags ins Pflegeheim. Ich war schon ewig nicht mehr da. Ich kann das total schlecht aushalten. Mama versteht das. Sie war selbst mal an dem Punkt, wo sie es einfach nicht mehr drpackt hat. Sie hat mit den Schwestern geredet und dann eine Pause gemacht. Ich glaube es waren drei Monate oder so, wo sie mit allem gehadert hat: Mit sich, mit uns; Gott; dem Fortschritt in der Notfallmedizin, die irgendwann die Reha abgehängt hat; dem Typ - vor allem mit dem Typ. 1,73 Promille im Blut, aber nicht den Mumm, auch nur ein Mal vorbei zu schauen. „Die Versicherung zahlt ja“, hat sein Anwalt gesagt. Cazzo! Ich versteh das nicht. Ich versteh das wirklich nicht: Ich meine, wie kannst du voll besoffen eine Neunjährige auf dem Zebrastreifen umbrettern und … an einem Dienstagmorgen … und dich dann nicht erkundigen? Nicht mal einen Brief schreiben? Die Emma wäre jetzt … fünfzehn ... sechzehn? Merda, ich habe tatsächlich vergessen, an welchem Tag sie Geburtstag hat. 27. April, 29. April? Egal … es wird einem doch in all den Jahren mal in den Sinn kommen der Fami…
Haben Sie's bemerkt? Ich habe „wäre“ geschrieben. Dabei lebt die Letze ja noch … ich meine, was man so „Leben“ nennt. Die Mama hat ja immer noch Hoffnung, obwohl Emmas total verkrampfte Hände etwas anderes erzählen: So nach innen gebogen; wie Klauen. Wenn Mamas keine Hoffnung haben, wer dann? „Sie isch so a liaba Gitsch“, sagt die Mama oft. Ich muss dann immer schnell gehen, weil es mich sonst zerreißt. Aber am Sonntag ist Muttertag und ich habe dem Tate versprochen, dass ich dieses mal mitkomme. Wegen dem Muttertag und weil man der Mama da ein… Ich habe mich noch nie vor etwas so gefürchtet, wie vor diesem Sonntag.

Hermine

Was wird am Muttertag eigentlich gefeiert? Die Figur der Mutter an sich? Also Gaia, der Ursprung allen Lebens, Eizelle und Embryo und alles was mit Biologie zusammenhängt? Oder geht es mehr um die Mutterliebe, die juristische Person, die dir die Schuhe zubindet oder ein Aua weg pustet; noch hinter dir her putzt obwohl du 25 bist?
Bei meiner Mutter hätte es da nicht viel abzufeiern gegeben, weil ihre Kunden und der Laden als Quell für nie versiegenden Dorftratsch, viel wichtiger waren als wir - als ich. Es interessierte sie viel mehr, ob der Egglaner Toni mit der Uschi ein Gspusi hatte, als meine Noten in Walsch - was bis zu einem gewissen Grad verständlich ist, weil ich über einen Tschess selten hinausgekommen bin. Lassen Sie es mich so sagen: Die wichtigste Person für meine Mutter war sie selbst. Die Menschen um sie herum allenfalls Spender für ein unstillbares Bedürfnis nach Lob und Aufmerksamkeit. Das Lallwort „Mama“ - im Deutschen, Italienischen, Englischen, Französischen, Arabischen … gemeinhin das erste Wort das Kleinkinder erlernen bzw. sprechen, hat sich meine Mutter nie verdient - und ich habe sie auch nie so genannt. Es hat mich sehr viel gekostet, mir selbst einzugestehen, dass es okay ist, seine Mutter nicht zu mögen. Klar, spätestens in der Pubertät findet man seine Eltern nur peinlich, altmodisch, ungebildet und man hört auf, am Muttertag den Frühstückstisch mit einem Sträußchen Löwenzahn zu schmücken. Bei mir war Grad und Reaktion ein Mü heftiger - mehr möchte ich darauf nicht eingehen. Der Spruch vom Kalenderblatt: „Gut gemacht Mama. Ich bin toll geworden!“, trifft nicht zu. Ich habe mich mit mir und ihr versöhnt, als ich mich durchgesetzt habe, im Kasblatt keine Todesanzeige über ihr Ableben zu schalten. Die Todesanzeigen waren nämlich das erste und einzige, was sie morgens gelesen hat, bevor sie das Rinnsteinblattl dann verkauft hat.

Verena

Wir haben es jetzt so gemacht, dass wir die 230 Euro für den Ausflug - nennen wir es Vorschuss - zahlen und die Lisa kommt dafür zwei, drei mal Abends vorbei, wenn wir mal ins Kino oder fein Essen gehen wollen. Die Letzen sind da schon im Bett und wir machen das an Freitagen oder Samstagen, wenn am nächsten Tag keine Schule ist. Obwohl Verena gesagt hat, dass die Lisa eh immer bis in die Puppen liest - auch wenn Schule ist.
Wir hätten ihr die drei Tage Maiausflug nach Innsbruck auch ohne Gegenleistung finanziert. Ich meine: Hallo! Fünfzehn, erste große Reise mit deiner Klasse nach Covid, Fun bis zum Abwinken - da kannst du einfach nicht „nicht“ dabei sein. Aber die Verena hat darauf bestanden, dass die Lisa als Gegenleistung babysittet. Ich habe überhaupt nicht verstanden, dass die Schule keinen Solidarfonds für soziale Härtefälle hat oder die anderen Eltern zusammenlegen? Gut, unsere sind noch nicht in der Schule und ich weiß auch gar nicht, wie solche Fälle gehändelt werden. Sicher wollte die Verena nicht, dass das groß an die Glocke …
Sie tut mir schon leid die Verena. Arme Haut. Vor allem was jetzt mit dem Bua war. Ich wollte sie  auch nicht direkt fragen, ob er sich wieder aus dem Haus traut. Die Monika, die gleich nebenan wohnt, hat gemeint, dass es schon vor Corona Anzeichen gab und dass dann mit dem Lockdown und so … und die ganze Zeit zu Hause … weil die Tischler ja keine Ausnahmegenehmigung … und die Panikmache im Netz. Als Lehrling verdienst du ja nicht die Welt, aber das fehlt jetzt halt auch in der Kasse. Damit sie einigermaßen über die Runden kommen, geht ihre Mama jetzt am Wochenende zum Hintertoler kellnern, hat mir die Lisa erzählt, als wir das mit dem Babysitten besprochen haben. Ich weiß auch nicht. Irgendwas läuft falsch im Heiligen Land Tirol: Ein Liter Vollmilch, 500 gr. Mascarpone, zwei Packungen Savoiardi, sechs Goggelen, ein Kübel Naturjogurt, eine 4er Schachtel Magnum - 24 Euro, 48.000 Lire.
Die Älteste hat ihre Träume von einem Studium endgültig begraben, hat die Lisa gesagt. Beim Papa ist zur Zeit totale Panik. Wegen der Zinserhöhung vom Haus mit der neuen Frau. Und dick in der Brieftasche hatte der es sowieso nie. Aber immer einen SUV. Dabei wäre die Gitsch das totale Mathegenie, wusste die Monika. Irgendetwas mit Physik wollte die machen. Die Lisa wusste wie das heißt, aber ich hab's vergessen. Ich frag sie nochmal, wenn sie heute Nachmittag kommt. Sie möchte für Muttertag gerne Tiramisù machen und hat mich gefragt, ob ich ihr helfen kann.

Martha

Am 3. Maisonntag des Jahres 1934 wurde der Muttertag von den Nazis offiziell als Feiertag eingeführt. Und vier Jahre später setzte der Adolf mit dem Ehrenkreuz der Deutschen Mutter, kurz Mutterkreuz, als Auszeichnung für die Verdienste (gebärfreudiger) deutscher Mütter um das Deutsche Volk noch eines drauf. Zum ersten mal vom „Mutterkreuz“ gehört habe ich übrigens im Lied „Die Omama“ von Ludwig Hirsch, in der er eine ganz und gar nicht liebenswerte Frau besingt. Soll man solche Hausdrachen am Muttertag wirklich beim Go-Cart-Fahrn im Wiener Prater abfeiern? Ich meine, da hat jemand Schuld auf sich geladen. Wo kommen sonst die ganzen Narzisten, Blender und Soziopathen her, deren ganz persönlicher Wahnsinn auf uns losgelassen wird? Es würde mich brennend interessieren, was da in der Erziehung so alles schief gelaufen ist? Es ist ja heute wissenschaftlicher Konsens, dass positive oder negative Prägung in den ersten Lebensjahren stattfindet, deren Ergebnisse kaum oder nur teilweise reversibel sind und auch nicht nachgeholt werden können. Wer die Adolfs und Kims, die Wladimirs und Donalds verhunzt hat, scheint somit klar: Die Mama.
Leider kann man diese Mütter nicht mehr fragen. Aber die Martha lebt noch! Ich glaube, die ist mittlerweile über hundert. Die könnte uns sicher sagen, was in der Erziehung ihrer zwei Buabn alles schief gelaufen ist? Woher dieser nimmersatte Machtanspruch, ihre Raffgier, herkommt? Warum sie ständig das elfte Gebot missachten: Du sollst keine Kampagnen fahren.
Meine Vermutung ist, dass es da sichtlich an der christlichen Erziehung gehapert hat. Gut, das Gebot des neuen Testaments laut ja: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Setzt voraus, dass man sich zuallererst selbst liebt und die beiden Laggl sind dann dort stehen geblieben. Da wurde eindeutig das Gleichnis mit dem Kamel, dem Nadelöhr und Himmelreich zu wenig kommuniziert. Apropos, als Agnostiker habe ich mich lange mit Himmel und Hölle und Fegefeuer auseinandergesetzt. Hat man ja keine Gewissheiten wie ein Kathole. Ich glaube Fegefeuer oder Hölle ist der Punkt, wo du auf deinem Sterbebett liegst und die Erkenntnis über dich kommt, dass du zwar der Reichste auf dem Friedhof sein wirst, es aber wesentlich mehr Menschen gibt, die dich abgrundtief hassen, als die Zahl derer, die dich lieben und letztlich alle erleichtert sind, dass du von der Bühne des Lebens abtrittst. - Und die ganz Eingebildeten lügen sich da noch in die Tasche: Viel Feind, viel Ehr! Ich schweife ab.

Astrid

Habe mir heute die Webcam von der Bergstation Puflatsch angeschaut. Wenn noch etwas Schnee dazukommt, machen wir am Sonntag eine Schneeschuhwanderung. Wird die übliche Runde sein: Rungger Dille, Arnikahütte, Hexenbänke und über die Messnerschwaige zurück. Ganz chillig, bevor wir dann nächste Woche aufmachen. Nix, was im entferntesten an Muttertag erinnern könnte.
Im Jahr wo der Flo gesto… Also ich hatte der Astrid vorgeschlagen, dass wir am Muttertag das Grab besuchen. Also irgendwie mit der Sache abschließen. Natürlich war das ein Fehler. Ich hielt es damals für eine gute … nachher ist man immer schlauer.
Was soll ich sagen. Der Zusammenbruch war ein totaler. Irgendwie die Krönung. Nach der ersten Fehlgeburt machst du dir ja noch keinen Kopf: Die Übernahme; der Umbau; der Senior, der hoch und heilig versprochen hat, dass er dir nicht dreinreden wird, dass er (mit beleidigtem Unterton) nicht einmal einen Fuß über die Schwelle setzen wird, weil wir die Rezeption verlegen. Und dann hat er uns wegen jeder Kleinigkeit die Eier drhängt. Altbauergehabe. Einfach zuviel Stress hat die Astrid gemeint und dann prompt das Zweite verloren. Wie lange ist sie beim Dritten gelegen? Drei Monate, vier? Ist auch nicht wichtig. Irgendwann lösen die zwei Striche auf dem Schwangerschaftstest nicht mehr Freude, sondern Panik aus. Mutter von drei Kindern - Sternenkinder. „Im engeren und ursprünglichen Sinn bezeichnet der Begriff Kinder, die aufgrund von zusätzlichen Anforderungen der Personenstandsgesetzgebung (in Deutschland mindestens 500 Gramm Körpergewicht oder bei weniger als 500 Gramm mindestens die 24. Schwangerschaftswoche erreicht) keinen Eintrag als Person im Geburtsregister/Sterberegister bekommen“, habe ich auf Wikipedia nachgelesen. Sternenkind, Schmetterlingskind, Engelskind - klingt echt lyrisch. Wenn die dann theoretisch Namen kriegen, wie Rabea, Simon oder Julia ist's vorbei mit der „poetischen Wortschöpfung“. In der Familie meines Nen waren sie zu zehnt. Die drei, die im Kindsbett oder im ersten Jahr gestorben sind, nicht eingerechnet. Irgendwie gehörte der Kindstod zum Leben dazu. Deshalb gibt es auch die „Witwe“ oder den „Witwer“, aber keinen Begriff, wenn Kinder vor ihren Eltern sterben. In Zeiten von Ein-Kind-Familien und rückläufiger Geburtenrate wird alles anders. Wie nennst du da einen wie mich? „Nicht-Vater“?
Zehn Kinder! Wenn ich nach den drei Fehlgeburten jetzt noch Tata von zehn Kindern werden würde, würde ich sofort unterschreiben. Nudel kaufen wir fürs Hotel eh immer im 5 kg Sack.
Wir hatten uns schon mit dem Gedanken an eine Leihmutter getragen oder Adoption. Und dann kam der Flo. Das schönste Baby der Welt! Wir haben uns gar nicht mehr eingekriegt. Und der Florian war so ein Kämpfer. Und die Ärzte haben gesagt, dass sie das mit dem Herz … und dass wir einfach vertrauen sollen … und dann ist … Wir wollten doch nur ein Kind ha… also eines hätte … Gott! Muttertag ist so eine Scheiße!

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Simonetta Lucchi Mo., 15.05.2023 - 09:33

Ma chi è il walsche Aquino? Aquino è un comune in provincia di Frosinone. Forse intende Tommaso frate domenicano e principale esponente della Scolastica, definito Doctor Angelicus

Mo., 15.05.2023 - 09:33 Permalink