Kultur | Salto Afternoon
Acqua passata
Foto: Herwig Turk
Eisack, Etsch und Talfer werden im Wasserkraftwerk an der St. Antonbrücke in Bozen, welches derzeit als „Raum für Flüsse“ geöffnet ist (Donnerstag bis Samstag, 15-19 Uhr, bis 3. Juni) als Körper durchleuchtet. Aus der Sicht des Künstlers, der bei der Vernissage Freitag Abend zu gegen war, ist diese Vorgehensweise nichts neues und auch in seinen Worten zur Eröffnung ist eine gewisse Anthropomorphisierung zu spüren: Den Tagliamento im Friaul bezeichnet er als seinen „Lehrmeister“ und tatsächlich unterscheidet sich die Methodik mit welcher in Bozen operiert wird, wenig von einer älteren Arbeit „Anamnese einer Landschaft“, welche er 2021 in der Kunsthalle Wien dem oberitalienischen Vorzeigewildfluss auf europäischer Ebene gewidmet hat.
Unter ähnlichen Vorzeichen, sowie auf kompaktem Raum (im wesentlichen ist es tatsächlich ein Raum für Flüsse), werden gänzlich andere, urbane Flusssysteme behandelt. Während eine Tür weiter eine steile Wendeltreppe in den abgesperrten Turbinenraum hinunterführt, aus welchem uns eine Sound-Installation vorgaukelt, dass hier Betrieb herrscht, ist der Nebenraum, besonders bei der Eröffnung bis zum Überlaufen voll mit Kunstwerken und deren Betrachtern. Für Turk hat diese Arbeitsweise bereits Tradition, für andere Künstler kommt sie gerade in Mode, so dass in letzter Zeit von einem Trend der Recherche-Kunst die Rede war, wobei der Künstler dies anerkennt und eingangs thematisiert. Seine Kunst fördert kein neues Wissen zu Tage, sondern bereitet den Wissensstand der Forschung um die Komplexität von Flusssystemen auf, so dass sie auch außerhalb von Wissenschaftskreisen Wahrnehmung findet.
Wo könnte dies besser geschehen, als im ehemaligen Kraftwerk Rendelstein, auf der orographisch linken Seite der Talfer? Den Raum teilt man sich auch mit einem alten Transformator des Kraftwerks, welches bis in die 60er Jahre eine Baumwollfabrik mit Strohm versorgte, Ende des 19. Jahrhunderts eine der ersten elektrisch betriebenen Anlagen ihrer Art. Dieser Transformator sollte, so hieß es bei der Eröffnung, eigentlich nicht hier sein. Die Besitzer der Anlage wollten ihn spenden und in die Ukraine bringen lassen, um durch den russischen Angriffskrieg beschädigte Infrastruktur zu ersetzen, aber die Netzspannung sei die falsche gewesen.
Nun muss die Kunst im kleinen Raum diese Spannung aushalten, welche einem ästhetischen Rückblick nicht im Wege steht. Röntgenbildbetrachter fassen (Archiv-)Fotographien, Proben von Material und Flussinsekten, die als Bioindikatoren gelten, eine Reihe von drei Videoarbeiten (mit Untertiteln) lassen Expert:innen zu Wort kommen oder folgen dem Flussverlauf um zu zeigen, wie stark die Flussufer in unserem Land verbaut beziehungsweise besiedelt sind. Ohne anzuklagen, eine einfache Bestandsaufnahme ist es. Es soll damit Wahrnehmung geschaffen werden, für ein Verhältnis, das alt ist wie Menschengedenken: Vom Fluss als wertvollem Ökosystem und - sowohl aus wissenschaftlicher, wie auch aus esoterischer Sicht - Kraftort, den der Mensch zu nutzen versucht und somit verändert.
Ausschnitte aus der Prozesshaftigkeit dieser Veränderungen wurden als halbtransparente Stoffbahnen an die Flussseite des Raums gehängt, wo Licht einfällt und die Darstellungen von Bauskizzen und historischen Aufnahmen der verschiedenen Talsperren zur Nutzung als mechanische (in Form von Mühlen) und elektrische Wasserkraft zu nutzen versuchten. Die letzten der Arbeiten Turks, welche da wie dort den Anstrich der Wissenschaft haben - auch wenn der Künstler selbst betont, kein Wissenschaftler zu sein - sind denkbar archaisch: Flusssteine bilden am Boden ausgelegt eine Annäherung dessen, was einmal der Flussmäander der Talfer gewesen sein könnte. Ohne zu verklären verdeutlicht das Werk, auf denkbar unscharfe Weise, dass hier etwas unwiederbringlich verschwunden ist. Die Zeiten „naturnaher“ Flusssysteme sind hier, wie fast überall Europa längst „acqua passata“.
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Ho partecipato alla visita
Ho partecipato alla visita guidata, solo in tedesco, con "in parte traduzione improvvisata", con un gruppo di artisti di Trento, che ovviamente non conoscevano il tedesco Ho fatto presente molto chiaramente anche nel corso della visita guidata, che è giusto parlare di fiumi, ma che l'Isarco e l'Adige hanno una loro storia specifica, anche come antiche via navigabili fino a Verona. Questo aspetto importante non è stato evidenziato. Non tutti i fiumi sono uguali. La visita guidata di Bolzano che è seguita è stata un po'di parte nell'insistere sulla divisione tra città "fascista" e quella "tedesca" dall'altra parte del fiume, e forse il tema "fascismo" non era proprio centrale in questo contesto. Francamente mi è dispiaciuto dover puntualizzare da storica dell'arte alcune imprecisioni. Forse sarebbe stato più semplice che il Museion fornisse una guida in italiano per evitare fraintendimenti, che, sono certa, non erano intenzionali. Sarebbe bello che questi interessanti spazi espositivi, che so essere privati, per decenni li ho visti sempre chiusi, potessero essere messi a disposizione anche per artisti locali.