Politik | Eiertreter*in

Spieglein, Spieglein an der Wand

Was der bösen Königin ihr Zauberspiegel, ist dem Politiker seine Meinungsumfrage: Wer ist der inkompetenteste, aber hübscheste im ganzen Land?
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Foto: Quino Al on Unsplash

Ich bin so beleidigt! Ich bin mindestens so beleidigt, wie der ehemalige Präsident des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Seis-Seiser Alm Umlaufbahn AG, weil er im Kasblatt, wieder nur auf Seite 19 vorgekommen ist und noch dazu ohne Foto - also nicht mal ein unvorteilhaftes. Und ich bin gekränkt! Ich bin mindestens so gekränkt, wie die Corona-Gekränkten, die Sascha Lobo auf Spiegel Online so treffend beschrieben hat.
Ich wurde nämlich angerufen. Von einem dieser Meinungsforschungsinstitute, die wegen dem 22. Oktober gerade Dauerstress haben. Also der Zusatz „Forschung“ ist ja oft Euphemismus. Meistens wird den Forschenden die Meinung vom Auftraggeber ja schon vorgegeben und sollen nur bitteschön aus ein paar Zahlen ihre Torten- und Balkendiagramme basteln und den Anstrich von Seriosität vortäuschen. So wie die Innschpruckkker, die für den Bauernbund wissen wollten, was die Südtiroler über den Wolf denken. Dazu hat das Instituts für Marktforschung und Datenanalysen IMAD dann wohl eher Bauernfamilien in der Pampa, anstatt Einpersonenhaushalte in der Stadt befragt. Dazu hätte man keine Umfragen machen müssen: Was die Tscheggl über Wolf und Bär denken, weiss man auch so. Würde mich nicht wundern, wenn die Telefonliste der Befragten direkt aus dem Adressbuch vom Darth Rinner gekommen ist. Ich wurde auf jeden Fall nicht gefragt. Zum Wolf habe ich auch offengestanden keine Position, aber dass der Bauernbund seit Jahr und Tag hetzt und wie ein verzogenes Kind plärrt und stroacht und für einmal keinen Millimeter weiterkommt und seinen Mitgliedern trotz geifernder, zähnefletschender Canis-Lupus-Plakate und Traktordemos nicht liefern kann, freut mich ungemein. Genau aus diesem Grund bin ich weiterhin für den höchsten Schutzstatus für Wolf und Bär. Nachdem man die Leitwölfe aus der Führungsriege des SBB entnommen hat und das Areal weitläufig mit Herdenschutzmaßnahmen umzäunt hat, darf man mich nochmal fragen. Bis dahin gebe ich nur zu Ungeziefer, äh Politikern Auskunft. Woher die freundliche Dame für diese Politikumfrage meine Telefonnummer hatte, bleibt mir allerdings ein Rätsel? Seitenweise musst du immer Privacy-Zettel lesen und unterschreiben, aber wenn Privacy mal angebracht wäre, wird darauf geschissen. Und dann wirst du auch noch brüskiert.

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Die wollte nicht mit dem Herrn Goggel Totsch sprechen, sondern mit dem „Mann zwischen 59 und 69 Jahren“ in unserem Haushalt. Also meinem Haushalt, weil es gib ja nur mich. Meine Ex lebt ja bei diesem anderen. Mann zwischen 59 und 69 Jahren. Bah! Wenn sie nach dem Veganer gefragt hätte, mit einem Body-Mass-Index von 19 und einem Körperfettanteil von neun Prozent. Nach dem Bergläufer, der die Strecke Garner Wetterkreuz-Radlseehütte in einer Zeit von 59:32 läuft. Von mir aus nach dem Bartlosen - damit man den Unterschied zwischen weißer Gesichtsbehaarung und gefärbtem Haupthaar nicht sieht. Als würde ich wie 67 aussehen!? Das Geburtsdatum in meiner Identitätskarte ist 1000prozentig ein Irrtum der Anagrafica. Wenn das kein Grund ist, eingeschnappt zu sein?
Und dann die Fragen selbst! Angefangen hat es ja ganz harmlos: „Was sind für Sie zur Zeit die drei wichtigsten Themen?“ Wie aus der Pistole geschossen habe ich geantwortet: „Dass Südtirol wolfs- und bärfrei wird“; „Dass die Landesregierung dem Borkenkäfer zu Leibe rückt“ und „Dass die Bauern mehr Förderungen und Erleichterungen bei UaB, Bauen im Grünen, Bauen von Almwegen, mehr Strombonus, usw. bekommen.“
Jetzt habe ich Sie verarscht! Sorry. Sie kennen mich ja und was ich über die steuerbefreiten Subventionsschmarotzer so denke. Natürlich habe ich gesagt, dass Privilegien und Hagelnetze abgebaut werden müssen. Dass wir Ankünfte und Nächtigungszahlen unserer lieben Gäste auf Null bringen müssen. Und last but not least, dass auch hinter der SBB-HGV-Partei - nach 75 Jahren Filz und Geklüngel - als Wahlergebnis eine Null, das einzige ist, was uns retten kann. Was? Unrealistisch? Das weiss ich auch. Das kommt halt reflexartig über mich. „Null“ im Sinne von „Nullen“ ist die einzige Zahl, die meine Ganglien kreuzt, wenn ich an den Haufen in der Bozner Brennerstraße denke.

Dann wollte die freundliche Stimme wissen, wie ich gewisse Themen gewichten würde. An viel kann ich mich nicht mehr erinnern, aber bei einer Frage habe ich mich so geärgert, dass ... Es ist ja hinlänglich bekannt, dass unsere Gedächtnisleistung vornehmlich von Emotionen getriggert wird:  Wie wichtig mir eine Aufwertung des Virgl wäre? Liebe Apollis, es ist doch hinlänglich bekannt, dass die Fragestellung in einer Umfrage der Dreh- und Angelpunkt für Manipulation ist. (Der zweite Faktor „Wer wird gefragt“, wurde bereits oben geklärt). Also: Wenn ich gefragt werde, ob der Virgl bei den Naweisch unten in Bozen aufgewertet werden soll, ist mir das so was von egal; aber wenn ihr mich fragt, ob man die Leich vom Ötzi aus den Klauen der Bozner Laubenkönige retten muss und ihm auf dem Virgl ein Mausoleum samt Seilbahn bauen soll, habe ich eine Meinung. Laubenkönige. Kopfschüttel! Also ob einer von denen sich noch den lieben langen Tag hinter der Theke den Rücken krumm stehen würde. Deren kaufmännisches Geschick beschränkt sich mittlerweile darauf, zu kontrollieren, ob der internationale Huderladen am Monatsende die Miete überwiesen hat. Dezidiert ausnehmen möchte ich den Kurzwarenladen Gasser, Laubengasse 53, wo ich immer Knöpfe und Nähzeug kaufe - der geilste Laden der Stadt. Ohne müsste ich bei den Huderläden eine neue Hose kaufen, anstatt die Alte zu flicken.

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Dann ging's ans Eingemachte. Wenn du an einer Marktstudie der Werbefuzzies teilnimmst, sind 99 Prozent der Fragen Blendwerk, denn der Succus ist meistens in der allerletzten Frage: „Würden Sie unser Produkt weiterempfehlen?“ Tausche „weiterempfehlen“ mit „wiederwählen“ und du hast das Pedant der Meinungsumfrage. Im Telefoninterview das, Pi mal Schnauze, keine fünf Minuten gedauert hat, wurden dann einige Landespolitiker in Amt und Würden abgefragt und auch solche in spe. Wie „sehr gut“, „gut“, „so lala“, „schlecht“,  ich beispielsweise die Maria Elisabeth Rieder oder den Riccardo von den Grünen finden würde? Und genau da, lieber Hermann Atz, fängt dein Problem an. Anders als in der Schule, wo der Landtag jetzt die Noten unter 4 abgeschafft hat, braucht es für Politiker feinste Abstufungen im negativen Bereich - vornehmlich bei den Edelwaisen: dürftig, schwach, unzureichend, mies, lausig, mangelhaft, unzulänglich, miserabel, dilettantisch, armselig, beschissen, stümperhaft, grottenschlecht, unter aller Sau, zum in die Tonne treten …
Ich könnte jetzt nicht mal sagen, mit welchen Adjektiven ich die Mitglieder der Landesregierung bedacht habe. Dunkel kann ich mich erinnern, es wie bei „Der Quiz-Champion“ mit Johnnes B. Kerner im ZDF gemacht zu haben. Wenn du in der Einstiegsrunde eine Antwort nicht weisst, sagst du einfach: „Weiter.“ „Wie bewerten Sie die Arbeit von Landeshauptmann Arno Kompatscher?“ „Weiter.“ „Waltraud Deeg?“ „Weiter.“ „Fillip Achhammr?“ „Weiter.“ ...
Was für ein Jammer, dass der, dessen Name ich niemals nenne aus der Regierungsmannschaft hinaus komplimentiert wurde. Dazu hätte ich was sagen können. Hätte ihn als „ungeil“ bewertet, weil er ja tatsächlich glaubt, so ein schicker Hipster zu sein.
Komischerweise wurde der überhaupt nicht abgefragt? Tja, scheinen sogar die Umfragler den politischen Exitus dieses Mannes erkannt zu haben - da „machert“ nix mehr. Der Lachkrampf hat mich fast umgebracht, als er beim Antrag für das kleine Edelscheiß schrieb, er sei von zahlreichen Menschen dazu gedrängt worden, erneut für den Landtag zu kandidieren. Jetzt wird klar, warum dieser Mann nicht mit Steuergeld umgehen kann. Diagnose: Null Verständnis für Zahlen. Die Zahl „Zwei“ kann man nicht mit „zahlreich“ in Verbindung setzen. Sein gekränktes Ego wurde nämlich nur von zwei Menschen gedrängt: Dem Michl und dem Toni vom Weinbergweg. Apropos. Der ganze Haufen scheint insgesamt ein Problem mit Mathematik und insbesondere mit der Mengenlehre zu haben. Auf die Frage, ob er Kampagnenjournalismus betreibe, antwortet der Chefredakteur dieses Partezettel mit Werbung stets mit einem Standardsatz: „Wir sind auf der Seite der Leser.“ Da im Kasblatt nur steht, was die christlichen Brüder interessiert, kann man im Umkehrschluss davon ausgehen, dass es nur zwei Leser hat. Ich schweife ab.

Gefragt wurde auch nach der Pamer aus Psair und meinem Bürgermeister. „Nie gehört“ habe ich geantwortet: „Kenn i nit.“ Die Chancen tatsächlich ein warmes Plätzchen zu ergattern, werden ja mit jedem SVP-Skandal geringer - da wollte ich keine falschen Hoffnungen schüren. Und vom Peter bin ich, wie von seinem Duzfreund Arno, moralisch enttäuscht. Zuerst sagt er der 10er-Liste ab, weil er bei uns in Brixen noch einiges zu ruinieren hat, aber nachdem das Verfassungsgericht sein No-Go für eine weitere Legislatur ausgegeben hat, will er jetzt doch in den Landtag. Derlei Standfestigkeit hat - wie beim Arno mit seinem Zwei-Legislaturen-Limit - Tiroler Handschlagqualität.
Da lobe ich mir den Franz. Da weiss man, dass man es mit dem unsinkbaren U-Boot des Bauernbund zu tun hat. Das ist kein Blattl in Wind. Was ihm in der Kanonikus-Michael-Gamper-Straße aufgetragen wird, zieht der Mann durch - auch wenn er keinen blassen Schimmer hat, worum es geht. Das ist fast immer der Fall. Habe ich mit „Sehr gut“ bewertet. Leider wollte die Damen am Telefon nicht wissen, dass ich den Locher gerne als Landwirtschaftslandesrat sehen würde. Gut, überhört hat die gute Frau auch meine Frage nach ihrer Handynummer und ob sie mal mit mir Essen gehen würde? Solche Abfuhren kassier' ich immer wieder. Würde einem Landwirtschaftslandesrat nicht passieren. Macht macht nämlich sexy. Sogar einen wie den Franz. Total sexy, wenn der an seinem ersten Arbeitstag vor einem Rudel Hochzeitsfilmer die Endlösung der Wolfsfrage unterschreibt und am zweiten Tag wegen Amtsmissbrauch einen Avviso di garanzia zugestellt bekommt. Meistens sind die Herrn Politiker dann not amused, dass schon wieder die Journaille samt Fotografen vor ihrem Landhaus herumlungert. Ja, ja, Beleidigte allerorts - aus mir wäre sicher auch ein hervorragender Politiker geworden. Und endlich sexy.
Warte! Wenn im TV das Politbarometer mit der Sonntagsfrage kommt, haben die doch immer die Formulierung: „Möchte ich in einer wichtigeren Position sehen oder so?“ Wir schauen ja immer so neidvoll nach Norden. Warum hat man bei der Forschungsgruppe Wahlen nicht abgekupfert? Ich wüsste noch einen, den „ich in einer wichtigeren Rolle sehen“ möchte: Den sexiest Manni aus dem schönen Gadertal: Superlandesrat für Urbanistik und Wohnbau und Finanzen und Umwelt. So geschickt, wie der mit den ganzen Wohnbaugesetzen umzugehen weiss, findet er sicher einen Weg, dass wir alle zu einem Haus im Grünen kommen - mit 100 Prozent Wohnbauförderung.

Mehr glaube ich, war dann nicht mehr. Der Sven (Sven ist kein Südtiroler Name) hat seinen Platz als unbeliebtester Politiker eh sicher, muss man nicht fragen und der Rest der Opposition ist - wie im Landtag - nicht existent. Interessant wäre allenfalls noch der politische Sottobosco von Messe Bozen, über STA, die Luschen von Pensplan Centrum mit ihrem 5-Millionen-Loch, bis zu den Innovators.Developers.Marketers gewesen - also was man von deren Performance so hält. Ist Ihnen klar, dass der IDM-Erwin bei 200 Mitarbeitern und - laut Gewährungsakten des Landes - einem Budget von etwas mehr als 40 Millionen Euro, 2021 ein besteuerbares Einkommen von 219.318,21 Euro hatte? Auf der anderen Seite weist die Webseite „Transparente Verwaltung“ von Sabes.it, für den Sanitäts-Florian 2021 einen Bruttolohn von 212.562,79 Euro aus. Allerdings verwaltet der laut Wikipedia einen Geldtopf von 1,484 Mrd. Euro bei rund 10.000 Angestellten. Meine Note zur Arbeit der beiden will ich hier nicht schreiben, sonst ist wieder jemand beleidigt und wir haben sowieso schon - angefangen beim obersten Chef im Palais Widman - zu viele Seelenverwundete in diesem Land. Ihr müsst einfach insgesamt mit uns zartbesaiteten Männern kluager umgehen. Besonders mit denen zwischen 59 und 69 Jahren.

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rotaderga Do., 15.06.2023 - 13:32

Politiker*, die sich von Meinungsumfragen zu stark beeinflussen lassen, leiden an repräsentativer Querschnittslähmung. Und Frauen sind grundsätzlich sauberer Meinungen, weil sie diese öfter wechseln.

Do., 15.06.2023 - 13:32 Permalink
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Josef Fulterer Sa., 17.06.2023 - 07:58

Antwort auf von rotaderga

An den Marionetten-Fäden der Verbände zappelnden Politiker, von PRODUZIERTEN Meinungs-Umfragen gesteuert, müssen vor Allem für eine reichliche Fütterung ihrer ... Auftraggeber + deren Exponenten sorgen, sie reden und beschließen ... DINGE, die von einem gesunden Hausverstand + einer seriösen Verwaltung sehr weit entfernt sind.

Sa., 17.06.2023 - 07:58 Permalink
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Martin Daniel Sa., 17.06.2023 - 08:19

Schon kurios, ich wurde bei all den politischen Meinungsumfragen in über 30 Jahren Volljährigkeit noch kein einziges Mal kontaktiert. Statistisch gesehen hätte das bei +/- tausend Interviewten pro Aktion längst passieren müssen. Was läuft da eigentlich ab?
Einzige Anregung an Herrn Totsch: der kindlich-deutschere Ausdruck "... ist kein deutscher NameN" wäre noch eine Spur kerniger.

Sa., 17.06.2023 - 08:19 Permalink