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Zu (selbst-)kritisch für den Vatikan

Das Katholische Forum ist über die Entscheidung aus Rom enttäuscht, Markus Lintner als neuen Dekan der PTH Brixen abzulehnen. Grund dafür sei seine Sexualmoral.
Vatikan
Foto: upi
Das Hochschulkollegium der Philosophisch-Theologischen Hochschule (PTH) Brixen hat Martin Lintner, Professor für Moraltheologie und Spirituelle Theologie, zum Dekan für die Amtsperiode vom 1. September 2023 bis 31. August 2025 gewählt. Nach den kirchlichen Vorschriften ist für die Übernahme dieses Amtes die Zustimmung des Heiligen Stuhls notwendig. Das hierfür zuständige Dikasterium für die Kultur und die Bildung (ehemals Bildungskongregation) hat dem Diözesanbischof Ivo Muser mitgeteilt, dass diese Zustimmung wegen Publikationen Lintners zu Fragen der katholischen Sexualmoral nicht erteilt wird.
Der Vorstand des Katholischen Forums spricht Prof. P. Martin Lintner seine volle Solidarität aus und ermutigt ihn, seinen Weg der kritischen theologischen Forschung und Lehre im Dienst der Kirche unerschrocken weiterzugehen.
Im Einvernehmen mit Lintner verzichtet Bischof Muser auf das Rechtsmittel eines Rekurses gegen diesen Entscheid. Das Hochschulkollegium muss somit einen neuen Dekan bzw. eine neue Dekanin wählen. Bis die neugewählte Person das Amt übernehmen kann, bestätigt Bischof Muser den derzeitigen Dekan Alexander Notdurfter in seinem Amt über das reguläre Ende seiner Amtszeit am 31. August 2023 hinaus. Von gegenständlicher Angelegenheit nicht betroffen ist die kirchliche Lehrbefugnis für Lintner.
 
 
Das Katholische Forum Südtirol zeigt sich über die Entscheidung des Vatikans enttäuscht: „Es ist kaum zu glauben“, teilt es in einer Aussendung mit. Die Ablehnung löse „Unverständnis und Befremden“ aus. „Da die Lehrbefugnis von P. Martin nicht davon betroffen ist, sehen wir die Vorgangsweise als einen kleinlichen Akt der Bestrafung für ‚unbotmäßiges Verhalten‘ und – was wohl gravierender ist – als Warnung und als einen Akt der Einschüchterung. Letztlich zuständig dafür werden wohl lokale Einflüsterer mit guten Kontakten nach Rom gewesen sein.“
 
 
Der Auseinandersetzung mit Fragen der Sexualmoral, die seit Jahrzehnten von der Kirche erwartet wird, mit Fragen, die sich viele Gläubige seit langem stellen, sei Lintner in seiner Forschung und Lehre nicht aus dem Weg gegangen. Er habe diese Fragen ernst genommen und mit großem Gespür, mit intellektueller und geistlicher Redlichkeit versucht, diese Fragen in einem heutigen Kontext zu bearbeiten und theologisch fundierte Antworten zu geben. „Die Vorsitzenden des Katholischen Forums, Sonja Reinstadler und Franz Tutzer, und der gesamte Vorstand sprechen Prof. P. Martin Lintner ihre volle Solidarität aus und ermutigen ihn, seinen Weg der kritischen theologischen Forschung und Lehre im Dienst der Kirche unerschrocken weiterzugehen.“
Auch der deutsche Katholisch-Theologische Fakultätentag hat die Entscheidung des Vatikans kritisiert: „Das weithin intransparente Nihil-Obstat-Verfahren widerspricht dem von Papst Franziskus beschworenen synodalen Geist. Es läuft dem Anliegen der Wissenschaftsfreiheit zuwider und untergräbt die Selbstverwaltung der katholischen Fakultäten und kirchlichen Hochschulen.“