Umwelt | Berge

Die Klapfe hinunter

Die Südtiroler Schutzhütten erleben im Sommer einen Gäste-Ansturm. Nicht nur die Wasserversorgung ist dann mancherorts ein Problem, sondern auch die Abwasser-Entsorgung.
Dreizinnenhütte
Foto: Seehauserfoto
„Ich beschäftige mich mittlerweile seit fast zwei Jahren mit diesem Problem“, erzählt Martin Rienzner, Bürgermeister der Gemeinde Toblach. Von diesem „Problem“ sind seit dem touristischen Run auf die Dolomiten viele Südtiroler Schutzhütten betroffen, in besonderem Maße jedoch die Dreizinnenhütte. Diese befindet sich im Naturpark Drei Zinnen am Fuße des Paternkofels und liegt sowohl auf dem Gemeindegebiet von Toblach als auch von Sexten. Seit ihrer Enteignung Jahr 1923 befindet sie sich im Besitz des CAI Sektion Padova, ihr italienischer Name lautet „Rifugio Antonio Locatelli – S. Innerkofler“.
 
 
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Dreizinnenhütte: In der Hochsaison kehren zwischen 2.000 und 4.000 Gäste in die beliebte Hütte ein. (Foto: Seehauserfoto)
 
In dieser Höhenlage – die Dreizinnenhütte liegt auf 2.405 Meter Seehöhe – zählt sie zu den meistbesuchtesten Schutzhütten Südtirols. Das wird nicht nur aus den Aussagen des Toblacher Bürgermeisters deutlich, sondern auch auf der Webseite der Betreiber selbst, die mit über 10.000 Email-Anfragen im Jahr überfordert waren und ein Buchungssystem einrichten mussten. Schätzungsweise besuchen zwischen 2.000 und 4.000 Personen in der Saison täglich die Hütte. Sie konsumieren nicht nur Speisen und Getränke, sondern benutzen auch die Toiletten und waschen sich anschließend die Hände; die Hygienebereiche müssen entsprechend regelmäßig mit Putz- und Desinfektionsmittel sauber gehalten werden. Wie Rienzner erklärt, verfügt die Dreizinnenhütte zwar über eine Kläranlage, die vor rund 15 Jahren errichtet wurde, auf diese Abwassermengen ist sie jedoch nicht ausgelegt. Zu Stoßzeiten tritt aus der Versickerungsanlage, die sich in einer Senke befindet, Überwasser aus, das in den Abendstunden, wenn es wieder ruhiger wird, langsam wieder versickert.
 
 
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Martin Rienzner, Bürgermeister der Gemeinde Toblach: „Es hat bereits Überlegungen gegeben, die Schutzhütte für einige Tage zu sperren, um die Reißleine zu ziehen und ein Signal zu setzen.“ (Foto: Privat)
 
 
Nachdem sich der Bürgermeister im vergangenen Jahr selbst ein Bild von diesem „Klär-Wasser-See“ machen konnte, ist er überzeugt, „dass es so sicherlich nicht mehr weitergehen kann – erst recht nicht in einem Naturpark.“ Es habe bereits Überlegungen gegeben, die Schutzhütte für einige Tage zu sperren, „um die Reißleine zu ziehen und ein Signal zu setzen“, wie Rienzner betont und auf Gespräche mit den zuständigen Landesräten Arnold Schuler und Maria Hochgruber Kuenzer sowie den Vertretern des CAI Padova verweist, die im vergangenen März stattgefunden haben. Als betroffene Gemeinden könne man den Bau der Abwasserleitung finanziell nämlich nicht alleine stemmen, betont Rienzner, der auf eine vom Land Südtirol in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie verweist. Das Projekt sieht den Bau der Kanalisierung über das Fischleintal Richtung Sexten vor, was aufgrund der Länge der Strecke nicht nur einen hohen Aufwand bedeutet, sondern auch mit hohen Kosten verbunden ist, die auf rund 2,5 Millionen Euro geschätzt werden. Zwar könnte ein Teilbereich, der sogenannten Sammler, über das Amt für Gewässerschutz finanziert werden, wie Elmar Stimpfl, stellvertretender Direktor des Amtes für Gewässerschutz, auf Nachfrage mitteilt, allerdings sieht das Projekt auch die gleichzeitige Verlegung der Mittelspannungsleitung und des Glasfaserkabels vor – Maßnahmen, die ebenfalls dringend notwendig sind und gebraucht werden. Dass der CAI Padova die Kosten nicht alleine tragen könne, sehe man ein, man erwarte sich jedoch eine finanzielle Beteiligung, so Rienzner, dessen größter Wunsch es wäre, dass die Schutzhütte an Südtirol zurückgegeben wird. Ob der CAI Padova eine der prestigeträchtigsten und lukrativsten Schutzhütten abtreten wird, ist allerdings fraglich. Bisher habe es diesbezüglich nur ein „vorsichtiges Herantasten“ gegeben.
 
 

Plumps-Klo, Kläranlage und Abwasserkanal

 
„Fast alle Südtiroler Schutzhütten verfügen mittlerweile über eine eigene Kläranlage oder sind am Schmutzwasserkanal angeschlossen“, erklärt Elmar Stimpfl. Von einem generellen Abwasserproblem zu sprechen, sei deshalb nicht korrekt.
Detaillierte Informationen gibt es vor allem zu den 26 Schutzhütten, die sich in Landesbesitz befinden. Nur zwei, Grohmannhütte in Ratschings und die Berglhütte in Trafoi bei Stilfs, verfügen dabei noch nicht über ein angemessenes Abwassersystem, wie das Büro des zuständigen Landesrates für Hochbau und Vermögen, Massimo Bessone, mitteilt. In den kommenden Jahren werden aber auch diese beiden Schutzhütten saniert. „Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind für mich eine Herzensangelegenheit. Wir bauen und sanieren öffentliche Gebäude, darunter auch die Schutzhütten im Besitz des Landes, nach Umweltstandards mit nachhaltigen, recycelten und wiederverwertbaren Materialien. Die Schutzhütten sind die Visitenkarte Südtirols, sie sind die Anlaufstelle für Wanderer, Bergsteiger und Touristen, aber auch ein Anhaltspunkt für die Bergrettung. Besonderes Augenmerk legen wir auf die Entsorgung des Abwassers. Auch bei der Belieferung und Bewirtschaftung der landeseigenen Schutzhütten suchen wir stets nach Lösungen, die die Umwelt möglichst wenig belasten“, erklärt dazu Landesrat Bessone.
 
 

Besonderes Augenmerk legen wir auf die Entsorgung des Abwassers.

 
 
Von Amts wegen mussten die Betriebe bereits vor einigen Jahren entsprechende Anlagen errichten, wobei man auf gute technische Lösungen gesetzt habe. Vorwiegend seien mechanische Kläranlagen errichtet worden, in manchen Fällen auch eine biologische Anlage samt entsprechender Belüftung. „Grundsätzlich haben wir eine recht gute Ausgangssituation“, erklärt Stimpfl, auch wenn in einigen Fällen Anpassungen vorgenommen werden mussten, da die betreffenden Anlagen für heutige Verhältnisse zu klein dimensioniert waren. Wo die Errichtung einer Kläranlage nicht möglich ist, sehen die gesetzlichen Bestimmungen die Errichtung eines vereinfachten Entsorgungssystems wie beispielsweise einer Senkgrube oder eines „Plumps-Klo“ vor – falls sich die Schutzhütte in einem schwer zugänglichen Gebieten befindet. Davon gibt es allerdings nur wenige Fälle, wie der Vize-Amtsdirektor erklärt. Auch würden in gewissen zeitlichen Abständen Kontrollen seitens des Amtes durchgeführt.
Grundsätzlich sei ein optimaler Betrieb einer Kläranlage in großen Höhenlagen schwierig zu gewährleisten, da die Bakterien unter diesen Bedingungen die organischen Stoffe langsamer abbauen. Deshalb wurden je nach Ausgangssituation unterschiedliche technische Lösungen umgesetzt, wobei auch eine entsprechende Unterweisung des Hüttenbetreibers erfolgte. Über den AVS wurden im Amt für Gewässerschutz eigene Fortbildungskurse dazu angeboten.
 
 
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Über die Klapfe hinunter: Unschwer zu erkennen, welchen Weg das offenbar sehr Nitrat haltige Sickerwasser unterhalb der Dreizinnenhütte nimmt. (Foto: Amt für Gewässerschutz)
 
 
Angesprochen auf die Situation bei der Dreizinnenhütte erklärt Stimpfl, dass an und für sich die betreffende Kläranlage sehr gut konzipiert worden sei und in den Bau sehr viel Geld investiert wurde. Es handelt sich dabei um eine biologische Kläranlage, bei welcher das Abwasser gereinigt wird. Während der Klärschlamm regelmäßig entsorgt wird, versickert das vorbehandelte und geklärte Wasser im Untergrund. Allerdings handelt es sich um ein schwieriges Gelände, in welchem die Versickerung nicht optimal funktioniert. Zudem war die Kläranlage seinerzeit auf 390 Einwohnerwerte berechnet worden – ein Vergleichswert, mit welchem die in den Abwässern enthaltenen Schmutzfrachten angegeben werden. „Die Anlage ist auf die Entsorgung eines kleinen Dorfes ausgelegt“, so Stimpfl, allerdings gebe es zu bestimmten Zeiten eine gewisse Restwassermenge, die nicht mehr versickern könne. Man wisse bereits seit Längerem von diesem Problem, das in diesem Ausmaß allerdings nur  im Falle der Dreizinnenhütte bekannt sei. Wie Stimpfl betont, sei die einzig technisch sinnvolle Lösung der Anschluss an die Kanalisierung Richtung Sexten. „Leider geht hier seit einiger Zeit nicht viel weiter“, so Stimpfl, der in diesem Zusammenhang von einem Stillstand spricht.
 
 
Leider geht hier seit einiger Zeit nicht viel weiter.
 
 

Lösung Kontingentierung?

 
Nicht nur der Bau einer Abwasserleitung müsse in Angriff genommen werden, sondern man müsse das Problem an der Wurzel angehen und über das Thema „Kontingentierung“ sprechen, ist Rienzner überzeugt. Hier stehe man jedoch vor dem gleichen Problem wie bei den Besitzverhältnissen. Die meisten Besucher gelangen über die  Straße, die direkt zur Auronzo-Hütte führt, zur Dreizinnenhütte – diese liegt jedoch auf Belluneser Gebiet.
 
 
 
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Dreizinnenhütte: Muss über eine Kontingentierung nachgedacht werden? (Foto: Seehauserfoto)
 
 
 
„Es wäre sehr hilfreich, wenn die Gemeinde Auronzo konstruktiv mit uns zusammen an einer Lösung arbeiten würde“, so der Toblacher Bürgermeister. Mittlerweile sei auch jenseits der Provinz-Grenzen die Sensibilität gewachsen ist und man habe durchaus Interesse an einem gemeinsamen Vorgehen bzw. an Tourismus-Managament-Projekten wie jenes in Prags gezeigt.
 
 
Die Gäste, die zu den Drei Zinnen möchten, nehmen in Kauf, eineinhalb Stunden lang im Stau zu stehen. Ich frage mich, wo da das Erlebnis ist.
 
 
Rienzner ist davon überzeugt, dass man um eine Kontingentierung – in welchem Ausmaß und Rahmen müsse erst geklärt werden – nicht herumkommen werde, denn mittlerweile „leiden“ auch jene Gäste unter dem sogenannten „Overtourism“, die in den Dolomiten-Tälern ihren Urlaub verbringen. Dieses Phänomen manifestiert sich weniger in einem massiven Zuwachs an Gästebetten – in der Region „Drei Zinnen“, die von Sexten bis Prags reicht, seien in den vergangenen Jahrzehnten nicht wesentlich mehr Betten zusätzlich errichtet worden – sondern das Problem seien die Tagestouristen. In den Hotspots wie am Pragser Wildsee oder in den Drei Zinnen habe der Tagestourismus massiv zugenommen, sodass „man beinahe erdrückt wird“, wie Rienzner erklärt. „Die Gäste, die zu den Drei Zinnen möchten, nehmen in Kauf, eineinhalb Stunden lang im Stau zu stehen. Ich frage mich, wo da das Erlebnis ist“, so Rienzner. Einziges Ziel scheint es nämlich zu sein, schnell ein Foto zu schießen, um es in den sozialen Medien zu posten – was für noch mehr unerwünschte Werbung sorgt.
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Josef Fulterer Fr., 30.06.2023 - 06:02

... und die IDM wird weiterhin von der Landesregierung mit viel Steuer-Geld zu-gestopft, "um noch mehr S C H N E L L-T O U R I S T EN an-zu-locken, für die vom Widmann erfundene FILM-FÖRDERUNG, ein SELBST - G E K L I C K T E S - F O T O und die Warte-Schlange zur LEICHEN-SCHAU vom ÖTZI!"
... für die armseligen 12 % die PINZGER & CO. zu Wirtschafts-Leistung von Südtirol erbringen.

Fr., 30.06.2023 - 06:02 Permalink
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Klemens Riegler Di., 04.07.2023 - 22:26

"... was für noch mehr unerwünschte Werbung sorgt."
Seit wann ist Werbung (neudeutsch: Destinations-Marketing / Management) "unerwünscht" ? Weil sie in diesem Fall dem Bürger (Steuergeld) nichts kostet?

Di., 04.07.2023 - 22:26 Permalink