Kultur | Salto Afternoon

Das Ineinander der Zeiten

Vor fast 200 Menschen stellte gestern Sabine Gruber in Lana ihren vielseitigen und vielstimmigen Roman „Die Dauer der Liebe“ vor. Ein poetischer und berührender Abend.
Gruber, Sabine
Foto: C.H.Beck

In wenigen Wochen feiert Sabine Gruber ihren 60. Geburtstag. Rechtzeitig zum nahenden runden Jubiläum stellte die Schriftstellerin in ihrer Herkunftsgemeinde Lana ein Geschenk vor, das an die Leserinnen und Leser geht: ein neuer Roman. Auf Einladung von Literatur Lana und dem Buchladen Lana war die Erstpräsentation von Die Dauer der Liebe ein gelungenes Heimspiel. Die Schriftstellerin war in Hochform und las viel und gerne, während sie weniger Freude mit dem Beantworten von Fragen hatte – so nur spärlich jene von Moderator Martin Hielscher beantwortete, gar keine aus dem Publikum. Sabine Gruber war es gestern vor allem ein Anliegen, möglichst rasch vorwärts zu machen, zumal im Glaskubus der Bibliothek am Hoffmannplatz durchaus hitzige Temperaturen vorherrschten. 
 

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Foto: Othmar Seehauser


Die Dauer der Liebe erzählt von den vielen Versuchen der Hauptprotagonistin Renata mit dem Tod ihrer großen Liebe Konrad umzugehen, wie Renata Gefühle sortiert, wie es um ihr Erbe steht, wie sie idealisiert, wie sie neu starten will und wie sie allmählich wieder ins Leben zurückfindet. Außerdem geht es im Buch um die Arbeit von Konrad, der Fotokünstler war und sich sehr für italienische Architektur interessiert hatte, besonders jene, die während der faschistischen Ära entstanden war. Im Verlauf des Buches fallen diesbezüglich scharfe Worte zum politischen Opportunismus von Architekten (einst und heute) oder auch das aussagekräftige Begriffspaar Dankbarkeitsfaschisten. Mehr dazu im Buch.
 

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Foto: Othmar Seehauser


Schöner ist es natürlich, wenn Sabine Gruber vom Himmelschwimmen schreibt, lustig wird es sogar, wenn Protagonistin Renata nach den Worten ihrer Freundin nach einem Überbrückungsliebhaber, einem fröhlichen Zwischenmann suchen soll und nachfolgend über üble Männer-Fotos und die dazugehörigen Beschreibungen einer Dating-App berichtet. In der Tat ähnelt viel von dem was Sabine Gruber schreibt einem Bericht, einem minutiösen Festhalten. Gruber fängt in ihrem Roman alle möglichen Stimmen und Töne ein, lässt bekannte Figuren (Bruno, Marianne) aus früheren Werken erneut auftreten, springt nach vorne und zurück, zeigt melancholische Seiten, schildert aber auch komische Aspekte.
 

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Foto: Othmar Seehauser


Vorangestellt hat Sabine Gruber ihrem neuen Roman die Sentenz „Penso che forse a forza di pensarti potrò dimenticarti, amore mio“, der im Juni 2022 verstorbenen Dichterin Patrizia Cavalli. Dazu wurde die in Wien lebende Schriftstellerin am gestrigen Abend auch von Martin Hielscher befragt, der von Gruber wissen wollte, ob es ihr beim Schreiben um das Vergessen oder Erinnern gehe? „Wahrscheinlich beides“, entgegnete die Autorin und wollte dann auch gleich wieder weiterlesen. Und von Renata erzählen, über die Gegenstände, die nach dem Tod ihres Partners anfangen zu leben: die Flip Flops, das Kästchen in der Küche, die Gabel, das Kissen, die Kerzenständer oder vom Motorradhelm, der den Kopf von Konrad vermisse. Renatas Schmerz beschreibt Gruber als Rauschen.
 

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Foto: Othmar Seehauser


Martin Hielscher sprach Sabine Gruber auch auf den Tod von Karl-Heinz Ströhle an, dem 2016 verstorbenen Partner von Sabine Gruber. In welchem Zusammenhang stehe er, oder stünden auch andere Vorkommnisse im Leben der Autorin, im Hinblick auf ihr literarisches Schaffen? Warum schreibe sie nicht autobiografisch, autofiktional? „Ich habe Literatur immer so verstanden, dass ich Erfahrungen die ich mache, mit Recherche vermische“, entgegnete Gruber und zitierte Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, da sie (wie Müller) das Schreiben „als Gratwanderung zwischen dem Preisgeben und Geheimhalten“ empfinde. Mehr preisgeben wollte Gruber nicht. Und weiter ging´s im Buch.
 

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Foto: Othmar Seehauser


Außerordentlich interessant erschien Moderator Martin Hielscher der fast beiläufige Zeitenwechsel im Roman, also wenn die Autorin nach vorne und dann wieder rückwärts erzählt. „Das ist eine hochgradig komplizierte Angelegenheit“, betonte Hielscher, „da es handwerklich schwierig ist, den Text in Bewegung zu halten“. Um die „evidente Präsenz des Toten“ noch klarer zu zeichnen, habe sie dort das „Plusquamperfekt gewählt“, wo „die meisten das Präteritum erwarten“ würden, verriet die Autorin. Wollte dann aber erneut nicht zu sehr ins Detail gehen und beendete die Erstpräsentation mit einem letzten Leseauszug.
Danach war aber noch lange nicht Schluss, denn vor Sabine Grubers Lesetisch bildete sich eine lange Menschenschlange. Sehr viele wollten nämlich ein von ihr signiertes Buch. Und sie bekamen es.
 

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Foto: Othmar Seehauser