Politik | Landtagswahl

„Eier? Wir brauchen Leute mit Hirn!“

David Frank tritt als Kandidat der JG für die SVP bei den Landtagswahlen an. Ein Gespräch über brennende Themen, Jugend und Politik sowie den Trend zum Polemisieren.
Salto.bz: Herr Frank, Sie kommen aus dem Vinschgau, einem der kleinen Bezirke, denen traditionell weniger Bedeutung beigemessen wird als vergleichsweise dem Pustertal.
 
David Frank: Leider Fakt.
 
 
Ist es als SVP-Kandidat  bei all der Konkurrenz  in einem kleinen Bezirk noch um einiges schwieriger, genügend Stimmen auf sich zu vereinen, um in den Landtag einzuziehen?
 
Ich glaube, dass der Vinschgau das Potential hat, politisch vertreten zu sein – wenn die Vinschgerinnen und Vinschger das wollen. Josef Noggler, Verena Tröger und ich kandidieren für die SVP im Bezirk Vinschgau, wir sind allerdings vollkommen unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichen Zielgruppen – und ich rechne mir durchaus Chancen aus. Die größte Herausforderung für mich ist allerdings, in kurzer Zeit die nötige Bekanntheit zu erlangen. Viele kennen mich bereits als Musiker – ich spiele Ziehharmonika und habe 2019 mein Debüt-Album „Amazia“ veröffentlicht – als Politiker bin ich jedoch noch ein unbeschriebenes Blatt.
 
 
Ich glaube, dass der Vinschgau das Potential hat, politisch vertreten zu sein – wenn die Vinschgerinnen und Vinschger das wollen.
 
 
Wir haben rund 27.000 Wahlberechtigte in unserem Bezirk, das Problem des Vinschgaus bei der letzten Landtagswahl war allerdings, dass viele Stimmen zu Kandidaten beispielsweise aus dem Burggrafenamt abgewandert sind und die Vinschger nicht die Vinschger gewählt haben. Deshalb sind wir im Landtag auch nicht angemessen vertreten – Sepp Noggler als einziger Kandidat hat es natürlich nicht leicht – und wir müssen auf die Lösung vieler Probleme warten, die uns direkt betreffen.
 
 
 
david_frank_2.jpg
David Frank, SVP-Kandidat der Jungen Generation: „Ich finde es nicht richtig, immer nur mit dem Finger auf das zu zeigen, was falsch läuft. Stattdessen wollte ich selbst aktiv werden und etwas dagegen tun.“ (Foto: Salto.bz)
 
 
 
Warum haben Sie sich für eine Kandidatur auf der Liste der SVP entschieden?
 
Ich habe mich schon immer für Politik interessiert und auch mit dem Gedanken gespielt, bei den Landtagswahlen anzutreten – allerdings wurde dieser Wunsch erst konkret, als Partei-Obmann Philipp Achammer mich gefragt hat. Die SVP ist eine Sammelpartei, wo verschiedene Meinungen und Ansichten Platz haben. Sollte ich den Einzug in den Landtag schaffen, kann ich auf der Liste der SVP am schnellsten etwas umsetzen. Ich bin jung und etwas ungeduldig und möchte ins Tun kommen.
 
 
Was hat den Ausschlag gegeben?
 
Ich habe es mir lange und gründlich überlegt – nicht weil ich Angst vor der Herausforderung gehabt hätte. Ich bin der Meinung, dass es in der Politik um Inhalte und  Themen geht und ich in einigen Bereichen, in denen ich mich als staatlich geprüfter Agronom und Kulturschaffender auskenne, einen positiven Beitrag leisten möchte. Ich finde es nicht richtig, immer nur mit dem Finger auf das zu zeigen, was falsch läuft. Stattdessen wollte ich selbst aktiv werden und etwas dagegen tun.
 
 
 
Ich bin jung und etwas ungeduldig und möchte ins Tun kommen.
 
 
Zum Beispiel?
 
Ich nehme eine zunehmende Politikverdrossenheit bei den Jugendlichen wahr. Sie interessieren sich immer weniger für Politik, weil sie sich nicht gehört und repräsentiert fühlen. Ich möchte hier aktiv ein Zeichen setzen und mich für ihre Anliegen einsetzen. Wir Jungen haben zu vielen Themen eine andere Sicht- und Zugangsweise und sollten deshalb auch gehört werden. Auch wenn ich keinen hohen Bekanntheitsgrad und kaum Budget habe, möchte ich mich im Landtag für junge Menschen einsetzen, weil bei manchen Dingen kaum etwas weitergeht. In den Gesprächen mit Partei-Obmann Achammer habe ich erklärt, wofür ich eintrete und gefragt, ob diesen Themen Raum gegeben wird. Das wurde mir zugesagt und deshalb habe ich mich für die Kandidatur entschieden.
 
 
Für welche Themen möchten Sie sich einsetzen?
 
Ich habe acht Jahre lang in Wien gelebt und bin vor rund zweieinhalb Jahren zurückgekommen, weil meine Familie hier lebt und Südtirol ein wunderschönes Land ist. Daneben gibt es viele Freizeitmöglichkeiten und ich kann meiner Passion als Jäger nachgehen. Das sind alles Vorteile, die für dieses Land sprechen. Jetzt kommt das Aber: Wie ich zurückgekommen bin, habe ich in Bozen versucht, eine bezahlbare Wohnung zu finden, die annähernd an das Preis-Leistungsverhältnis herankommt, das ich aus Wien kenne. Null Chance – und das als Akademiker! Dann habe ich mich in der Peripherie, sprich im Vinschgau, umgesehen, wo ich auch fündig geworden bin. Ich pendle jedoch beinahe täglich nach Bozen. Mit dem Auto brauche ich günstigstenfalls eineinhalb Stunden bis nach Bozen, mit dem Zug ca. zwei Stunden.
 
 
Vier Stunden täglich im Zug, um von A nach B zu kommen. Das ist untragbar.
 
 
Das heißt vier Stunden täglich im Zug, um von A nach B zu kommen. Das ist untragbar. Für mich zentrale Themen sind deshalb auch leistbares Wohnen und Mobilität. Der ländliche Raum muss grundsätzlich besser an die Städte angebunden werden. Ein weiteres Thema, für das ich mich einsetzen möchte, ist der Kulturbereich. Ich wünsche mir eine kulturelle Vielfalt – auch abseits der Zentren. Menschen brauchen Kultur, es geht dabei um weit mehr als bloße Unterhaltung – abgesehen davon erfüllt Kultur auch eine wichtige soziale Funktion. Kultur, leistbares Wohnen und Mobilität sind jene Eckpfeiler, die es braucht, um die jungen Leute, die ins Ausland gezogen sind, wieder nach Südtirol zurückzuholen. Ich beispielsweise besitze auch die Schweizer Staatsbürgerschaft und könnte problemlos ins Nachbarland pendeln – dort würde ich auch weit mehr verdienen als jetzt.
 
 
Hat sich Ihnen diese Frage nie gestellt?
 
Natürlich! Ich bin in zehn Minuten in der Schweiz, und St. Moritz ist von meiner Wohnung gleich weit entfernt wie Bozen. Ich wollte aber in Südtirol etwas erreichen. Ich bin hier vernetzt, Südtirol hat mein Studium mitfinanziert und deshalb möchte ich auch etwas zurückgeben. Nichtsdestotrotz ärgere ich mich, wenn ich auf der Mebo oder der Vinschger Staatsstraße  im Stau stehe. Vielen meiner Kollegen geht es ähnlich, einige sind bereits abgewandert oder sind vom Ausland nicht wieder zurückgekommen. Das Thema Abwanderung müssen wir deshalb unbedingt in den Griff bekommen.
 
 
david_frank_1.jpg
David Frank: „Weshalb soll es nicht möglich sein, neben Volksmusik mehr Rave-Events zu organisieren? Diese Vielfalt brauchen wir. Die Jugend will diese Vielfalt.“ (Foto: Salto.bz)
 
 
Was sind Ihre Lösungsvorschläge?
 
Ich bin der Ansicht, dass wir, um das Verkehrsproblem zu lösen, vor allem den Verkehr reduzieren müssen. Das heißt, dass wir in der Peripherie Co-Working-Spaces bzw. Gemeinschaftsbüros schaffen, Smart-Working und Homeoffice fördern und die Anlaufstellen der Verwaltungen für die Bürger ausbauen müssen – dadurch wären viele Bürger und Bürgerinnen erst gar nicht gezwungen, sich auf den Weg in die Zentren zu machen. Zudem müssen wir leistbaren Wohnraum schaffen, indem beispielsweise die touristischen Vermietungen und Wohnungsverkäufe noch weiter eingeschränkt werden. Durch den Brain Drain bzw. die Abwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften büßt Südtirol an Konkurrenzfähigkeit ein, sprich wir werden in unserer Entwicklung stehen bleiben. Wir müssen aber wettbewerbsfähig bleiben und das betrifft genauso die Kultur. Weshalb soll es nicht möglich sein, neben Volksmusik mehr Rave-Events zu organisieren? Diese Vielfalt brauchen wir. Die Jugend will diese Vielfalt.
 
 
Ja, es braucht mehr finanzielle und strukturelle Förderung.
 
 
Was erwarten Sie sich im Bereich Kultur konkret? Mehr finanzielle Förderungen?
 
Ja, es braucht mehr finanzielle und strukturelle Förderung. Fördern heißt, daran zu glauben, dass die Kultur einen Reichtum für Südtirol bringt: Und darin mehr zu investieren, lohnt sich allemal. An Kultur hängt so viel, und es geht dabei nicht nur um einen Konzertbesuch. In welchem Land gibt es schon die Möglichkeit, dass drei Kulturen – in unserem Fall die Deutsche, Italienische und Ladinische – aufeinandertreffen? Das ist extrem spannend und sollte mehr Wertschätzung erfahren. Auch Musiker und Schauspieler, die von ihrer Kunst leben möchten, sollten diese Möglichkeit bekommen und mehr unterstützt werden. Kurz und gut: Es braucht neue Kultur-Konzepte. Denn damit hängt nicht nur das Nachtleben zusammen, diesbezügliche Angebote sind besonders für die Jugendlichen wichtig, sondern auch das Ehrenamt, das eine wichtige soziale Funktion erfüllt.
 
 
Die Jugendlichen scheinen sich nur mehr wenig für Politik zu interessieren, wenn, dann engagieren sie sich in Bewegungen, die sich für Klima-Schutz und „grüne Themen“ einsetzen.
 
Das Thema Nachhaltigkeit hat in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen, sei es im ländlichen wie auch im städtischen Raum, wobei man im ländlichen Raum vielleicht noch etwas traditionsbewusster ist. Das muss aber kein Widerspruch sein, sondern Tradition wie auch Innovation können sich wunderbar ergänzen, das ist ja gerade das Spannende daran – es bräuchte noch viel mehr von diesen Kontrasten und es bräuchte auch noch mehr Frauen und junge Leute, die derzeit in der Politik unterrepräsentiert sind.
 
 
Woran liegt das?
 
Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass es eine Verjüngung braucht. Junge Leute wählen Politiker und Politikerinnen, die ähnliche Ansichten vertreten, die über Inhalte und Themen reden, ins „Tun kommen“ und keine Erwartungshaltungen schüren. Ich weiß, dass ich mir keine Freunde damit machen werde, aber ich denke, dass eine Mandatsbeschränkung auf drei Legislaturperioden dringend notwendig wäre – dann würde auch ein junger Kandidat die Chance erhalten, zum Zuge zu kommen. Ein weiteres „Problem“ ist die Verbandspolitik. Ich stelle dabei nicht die Kompetenz der Verbände in Frage, die sehr viele Betriebe nach außen hin vertreten. Man soll und darf sich aber auch fragen, wie sich die Dominanz dieser Verbände in der Politik auf die Gesellschaft auswirkt. Wenn verbandsgesteuerte Interessenspolitik betrieben wird, werden gesellschaftsrelevante Themen wie eben auch die Kultur und die Anliegen der Jugend automatisch an den Rand gedrängt. Das hat Auswirkungen auf die Demokratie und auf die Chancengleichheit der politischen Vertreter.
 
 
Die SVP hat manchmal mit dem Image zu kämpfen, politische Partei der altgedienten Herren zu sein.
 
 
Ich kann mir keine großen Kampagnen leisten und starte somit mit vollkommen anderen Voraussetzungen als ein Verbandsvertreter. Meine Expertise und Fachkenntnis rücken in den Hintergrund, obwohl ich Themen voranbringen und mich engagieren will. Die SVP hat manchmal mit dem Image zu kämpfen, politische Partei der altgedienten Herren zu sein. Ich schätze unsere Vorgänger, die das Land aufgebaut haben, sehr, aber ich bin überzeugt, dass Vielfalt und Diversität wichtig sind, auch altersmäßig, weil wir Jungen in vielen Belangen eine andere Ansicht und auch eine andere Herangehensweise haben. Im besten Fall bringen wir Wissen von außerhalb Südtirols mit in die Diskussion, wodurch die Innovationsfähigkeit steigt – das ist übrigens auch durch wissenschaftliche Studien belegt.
 
 
Aussagen wie „Wir brauchen Eier!“ nehme ich nicht ernst.
 
 
Auf der einen Seite die „Partei der altgedienten Herren“, auf der anderen Seite sprießen derzeit neue Bewegungen und personenbezogene Parteien wie Pilze aus dem Boden. Jürgen Wirth Anderlan tritt mit seiner Liste JWA an, um dem politischen Establishment die Meinung zu geigen. Machen Ihnen solche Tendenzen Sorgen?
 
Solchen Bewegungen schenke ich keine Beachtung. Aussagen wie „Wir brauchen Eier!“ nehme ich nicht ernst. Wir brauchen Leute, die etwas im Hirn haben – die sich natürlich trauen, für ihre Anliegen einzustehen, aber die in erster Linie mit Verstand an die Sache herangehen. Wir brauchen leistbare Wohnungen, ein funktionierendes Mobilitätskonzept und mehr Wertschätzung für die Kultur, damit Südtirol weiterhin konkurrenzfähig bleibt und eine hohe Lebensqualität gesichert ist. Es braucht Lösungsvorschläge, wie man das erreichen will und keine Sprüche. Mein Appell geht deshalb an die Wähler und Wählerinnen, sich an Visionen, Inhalte und Themen der Kandidaten und Kandidatinnen zu orientieren und nicht an irgendwelchen Parolen.
 
 
 
Bild
Profil für Benutzer Andreas Thanei
Andreas Thanei Mi., 26.07.2023 - 13:27

Eher sind bei den letzten Landtagswahlen viele Vinschger SVP-Stimmen in andere Bezirke "gewandert" weil die Bezirkskandidaten jetzt nicht unbedingt das Gelbe vom Ei waren. Und man kann ja auch Vinschger wählen wenn man nicht SVP wählt.

Mi., 26.07.2023 - 13:27 Permalink
Bild
Profil für Benutzer G. P.
G. P. Mi., 26.07.2023 - 16:15

Es ist doch ganz einfach: Wir bräuchten Leute bzw. Politiker mit Hirn UND Eier! Leider sind die in der heutigen Zeit sehr rar.

Mi., 26.07.2023 - 16:15 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Dietmar Nußbaumer
Dietmar Nußbaumer Mi., 26.07.2023 - 21:44

Die Politiker agieren nach den Vorgaben ihrer Parteien bzw. Parteirichtungen; diese wiederum hängen an Verbänden usw.. Daher wird der Messias noch lange auf sich warten lassen. Und vielleicht wollten wir den Messias gar nicht haben, der mit Hirn und Eiern (und einer roten oder grünen Bibel) daherkommt.

Mi., 26.07.2023 - 21:44 Permalink