Kultur | Blinddate 3

Vom Stammtisch ins Sushilokal

Die schlagfertige Volkskundlerin Elsbeth Wallnöfer trifft sich in Blinddate 3 mit dem "tamisch ober liabn" Jürgen Wirth Anderlan. Im Sushi-Lokal. Kann das gut gehen?

Das Gespräch zwischen dem politischen Greenhorn Jürgen Wirth Anderlan und der Volkskundlerin Elsbeth Wallnöfer ist in Folge 3 der Südtiroler Blinddates zwar so gut wie immer auf Augenhöhe, aber die Ansichten der beiden zu den verschiedensten Themenfeldern gehen weit auseinander. Dass Anderlan bei den Landtagswahlen 2023 auf Stimmenfang gehen wird, hat der ehemalige Landesschützenkommandant einen Tag nach den Aufzeichnungen der Blinddate-Folge bekannt gegeben. Am "Vorabend" seiner offiziellen Kandidatur gab er sich selbstsicher und bodenständig und bemühte längst überholtes Gedankengut. Auf die platten Sager des Populisten kontert die Wissenschaftlerin fundiert und gelassen. Mit Geduld und Wissen. Und mit Jodelgesang.
Mahlzeit!

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Martin Tarshito So., 20.08.2023 - 20:29

Frau Elsbeth mag sich bei Trachten auskennen; doch historisch? Groooẞes Fragezeichen! Da ist sie offensichtlichst von ihren soziologisch geprägten Vorurteilen dominiert.

Daher würde ich Frau Elsbeth ihren eigenen Standpunkt gerne spiegeln und sagen: Nicht der Bauer sollte seinen Abnehmern noch zusätzlich was geben, damit er seine Produkte "auf dem regulären Markt" loswerden könne, wie Frau Elsbeth [von welchem Geist auch immer eingeflüstert] anregt. Nein, sie selbst sollte ihren ZuhörerInnen was abgeben, damit sie ihre verdrehten [offensichtlich von linkem Idealismus gespeisten] Vorurteile über die Bauern [ab ca. Minute 18] abnehmen.
Vorurteile, die mitnichten historisch begründet oder belegt werden können. Sondern im Gegenteil.

Dass Frau Elisabeth angeblich Soziologie studierte, würde ihre haltlosen Vorurteile zumindest erklären. Eine Disziplin, die vor 200 Jahren begann, sich selbst zur neuen Volksreligion aufzuschwingen [um nicht zu sagen aufzuzwingen]; sehr schön beschrieben ist dieser Sachverhalt in P Watsons Buch "Ideen". Die Soziologie legte den Nährboden für eine neue Volksreligion just in derselben Zeit, als Andreas Hofer und seine "Mander" ihr altes Bauern-Privileg zu verteidigen suchten. In erster Linie kämpften sie gegen die neue, durch Franzosen beeinflussten bayrische Verfassung von 1809, die es ermöglichen sollte, erstmals auch Tiroler Bauern für Napoleons Kriege in Osteuropa auszuheben. Der Bauer sollte damit dem friedlichen und produktiven Bebauen des Ackerfeldes entrissen werden können, um ihn nach 1000 Jahren erstmals wieder für das Schlachtfeld in fremden Ländern verpflichten zu können. Für die großbürgerliche Interessen, die sich im neuen Stand der Nation formierten.

Der Hintergrund des Bauern einst und jetzt ist komplex und hier (https://www.strasskirchen.de/fakten/geschichte/bauernleben-einst-und-je… ) gut dargestellt.

Kurz: "Die Freien waren zum Heeres- und Kriegsdienst verpflichtet, was schwer auf ihnen lastete. Daher begaben sich im 9. und 10. Jahrhundert viele freie Bauern in den Schutz eines Mächtigeren, dem sie ein Recht auf ihrem Hofe einräumten und Abgaben leisteten. Der Mächtigere, meist ein Grafengeschlecht, ein Kloster oder auch der Herzog, hatte dafür den Schutz des Bauern vor räuberischen Nachbarn und den Kriegsdienst zu übernehmen."

Tatsächlich waren bayrische Bauern entgegen dem, was sich Frau Wallnöfer aus"träumt" in der vorkarolingischen Zeit großteils freie Menschen. Und das blieben sie im Mittelalter auch, wenn man unter Freiheit in erster Linie die Befreiung von Kriegsdienst verstehen möchte. Und genau das verstehe ich als unbezahlbare Freiheit, für die auch ich durchaus bestimmte Tage auf dem landwirtschaftlichen Feld eines Adeligen werken würde.
Ob eine Frau Elsbeth dies nachvollziehen könnte?

Der Gesellschafts-Vertrag (spätestens seit den Karolingern) den der Bauer freiwillig [!] mit des Königs "blaublütigen" Adel (Ritter
mit meist alanischen, also kaukasischen Wurzeln!) geschlossen hatte, befreite ihn vor der Verpflichtung, für fremde "Herren" zu kämpfen bzw. in fremden Ländern auf das Schlachtfeld zu ziehen, um im Interesse der großen StrippenzieherInnen im weltweiten Handel andere Menschen zu schlachten bzw. sich selbst schlachten zu lassen.
Der Adel wurde vom König/Kaiser in seiner Funktion als oberster Bauer/Landherr mit Land belehnt. Damit sie sich im Besonderen auf ihre traditionelle Kriegskunst (gut gerüstet hoch zu Ross) konzentrieren konnten sowie das Bauernvolk und den König schützten, wurden Ihnen die Bauern zu Frohndiensten hörig gemacht. Der Bauer bebaute nebst dem eigenen (Eigentums-) Land das adelige Lehensland und konnte für ein bestimmtes Kontingent an Werk Tagen zur Arbeit gerufen werden (sog. Tagwerk). Der große Bauer (Maier) ca. 100 Tage (Tagwerke), der kleinere (Huber) ca. 50.... usw. Auf den Ruf zur Arbeit hin musste er gehorchen, er war also "hörig".
Das machte ihn aber nicht zum Rechtlosen.

Erst ab dem 16. Jahrhundert, als Handel und davon lebende BürgerInnen zunehmend das friedliche und produktive Bebauen von eigenem Grund und Boden an Bedeutung übertrumpften, begannen negative Aspekte wie die Leibeigenschaft und eine Wiedereinführung von Versklavung Überhand zu nehmen. Interessanterweise v.a. in Ländern, die sich kirchlich reformierten oder deren Adel zunehmende [Heirats-] Bündnisse mit dem Bürgertum einging.

Natürlich besteht im "aufgeklärten" [verklärenden] Bürgertum kein Interesse, die historischen Tatsachen und Fakten neutral anzusehen und vorurteilsfrei zu diskutieren.

Soziologie scheint im Falle der Elsbeth dazu angeregt zu haben, die gesamte Diskussion mit Anderlan von Anfang an zu dominieren sowie mit ihren Vorurteilen zu behaften.

Unschön, dass Anderlan in Minute 24 abwürgt. Aus meiner Sicht aber durchaus verständlich.

Soziologie mag auch die Produzenten dazu bewogen haben, nämlich ab Minute 42, das was Anderlan zu sagen hatte und darin möglicherweise ausnahmsweise dominierte, zu zensieren.

So., 20.08.2023 - 20:29 Permalink
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Elsbeth Wallnöfer Do., 24.08.2023 - 11:26

Antwort auf von Martin Tarshito

https://de.wikipedia.org/wiki/Elsbeth_Wallnöfer bin hauptberuflich Volkskundlerin (heute heißt das anders) und Philosophin (habe auch beides mal an der Uni unterrichtet. Stets mit Schwerpunkt Erkenntnistheorie).

Sie scheinen eine großer Leser zu sein. Von der Antike bis zur Gegenwart gibt es hervorragende Literatur dazu. Die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte liefert das hervorragende Studien. Liebe Grüße

Do., 24.08.2023 - 11:26 Permalink
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Martin Tarshito Fr., 25.08.2023 - 16:31

Antwort auf von Elsbeth Wallnöfer

Frau Elsbeth, danke für die sehr vagen Literatur -Tipps. Gerne können Sie zur Sache auch direkt etwas einbringen. Leider hilft ein (nicht funktionierender) Link zu Ihrer Wikipedia Vita wenig weiter.

Was Sie in Minute 18 über eine angeblich geträumten "Bauerntopos" sagen ist und bleibt schlichtweg eine falsche Lehrmeinung:
>"zu keinen Zeiten"?! [haben Sie meinen Link oben gelesen?]
> "Das waren rechtlose Leit"?! [Sie meinen den Maier, den Huber, den Gütler usw.? S. Link oben]
>"barfußet gongn"? [ mache Menschen jeder sozialen Herkunft heute noch; übrigens von "Knospen" schon Mal gehört? selbst in den Pyrenäen waren sie Teil der etwas bescheideneren Bauern; erst unlängst vor Ort angesehen]....

Das sind meinen Augen vorurteilbehaftete Aussagen, die Sie auch gerne nachweisen dürfen. Für meine Kenntnisse sind Sie unwahr.

Vielleicht nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass in akademischen Kreisen immer noch Doktoren lehren, und dass heute noch wie vor 800 Jahren gilt, dass deren Lehrmeinungen bzw. Doktrien nicht unumstritten wahr sein müssen ["unfehlbar"]. Gelehrt wird auch heute noch, wie mir allzu oft scheint, was das mittels Doktortitel lizensierte Lehrpersonal meint, glaubt bzw. denkt.
(Altgriechisch dokeo; Latein doceo). Bzw. was den Geldgebern dezent erscheint (decet).

Sie mögen es meinen (dokein) und lehren (docere) wie Sie es sehen. Das entspricht aber nicht der Wahrheit.

Doch eines steht fest: Die größte Lobby in der EU haben nicht die vielen traditionell und heimatverbunden kleinen Bauern, sondern der postadelig-großbürgerliche agrarindustrieelle Komplex.

Dass die EVP und damit einhergehend auch die SVP, die nur allzu sehr immer auf große Zusammenschlüsse in Genossenschaften, Verbände und Dachverbände hin gefördert hat, mit dem Komplex verbunden sind, das mag stimmen.
Und auch der Südtiroler Bauernbund ( staatlich nicht Mal als Berufsstandvertretung der Bauern anerkannt) folgte schon Mal mehr den Interessen der wenigen Großindustriellen der EU Agrarlobby. Wie übrigens auch die Grünen. So waren es die Frau Künast in D und
ein H Dorfmann, damaliger Bauernbunddirektor, die vor 20 Jahren ein wahrlich sinnvolles Reformprojekt von F Fischler mit platzen haben lassen. Warum? Weil dieses vorsah, die Beiträge für agrarindustrieelle Einzelbetriebe auf 300.000€ pro Jahr zu deckeln. Das hätte in der EU lediglich ca. 150 Betriebe betroffen, davon allein ca. 120 in Deutschland [wenn ich das richtig in Erinnerung habe]; und damit wären in Italien sicherlich nur eine Handvoll Betriebe von Kürzungen betroffen gewesen. Doch Dorfmann, der für die SVP in die brüsseler EVP einziehen sollte, begrüsste das Scheitern der Reform im "Südtiroler Landwirt" sogar mit dem Strohmann Argument: Nach Italien wäre insgesamt weniger Geld geflossen. Dabei hätten die Südtiroler Bauern je Betrieb und Jahr endlich mal einen Sockelbetrag von 3000€ garantiert bekommen. Das wäre mal eine kleine Hilfe für die vielen kleinen Nebenerwerbsbauern gewesen. Jede Arbeitskraft ab der dritten Person wäre mit weiteren 1000 € bezuschusst worden. Aber nein. Die Realität sollte weiterhin bleiben, dass die wirklich großen für beispielsweise Flächenstilllegungen Geld bekommen. Also fürs Nichtstun. Wer genug Flächen hat, kann davon gut leben. Das ist aber nicht der Südtiroler Bauer.

Ich bin auch diplomierter Obst-und Weinbauer. Und ich hatte meinen Betrieb schon mit 20 Jahren auf Biolandwirtschaft umgestellt. Doch auf die Idee, einen Berufskollegen ad hoc mit "Gift" [sprichwörtlich] anzugiften wäre ich nie gekommen.

Anderlan hat Recht. Südtiroler Bauern sind in der großen Mehrheit kleinstrukturierte Nebenerwerbsbauern.
Seien Sie ruhig etwas respektvoll und froh, dass diese nach zumeist verrichteten Arbeitnehmerjob am Feiernabend, am Wochenende und an Feiertagen noch für den Erhalt unserer Kulturlandschaft sorgen.
Ich bin es.

Fr., 25.08.2023 - 16:31 Permalink
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Franz Hilpold Mo., 21.08.2023 - 21:40

Danke, Herr Lechner, für die klare und fundierte Darstellung des Ansteckungsvorgangs. Es ist erhebend und tröstend, zwischendurch mal Sachinformationen zu bekommen.

Mo., 21.08.2023 - 21:40 Permalink
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Mathias Lechthaler Fr., 25.08.2023 - 10:47

Jo bisch du teppet. Follt uanmol es Wort Corona, nor drahnen olle durch... Über 100 Kommentare! Dass die Leit nit die Zeit zu schod isch. Vor ollem Tarshito Martin, gea vielleicht mol ausi und verschnauf a bissl. Zensur, a wenn du nu so wortgewandt argumentiersch, isch des sicherlich nit.

Fr., 25.08.2023 - 10:47 Permalink
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Martin Tarshito Fr., 25.08.2023 - 20:03

Antwort auf von Mathias Lechthaler

Da Sie direkt mit Namen auf mich ansprechen, Herr Lechthaler, gestatten Sie eine Rückfrage bzw. einige Bemerkungen.

Mit "Zensur, [...], isch des sicherlich nit" meinen Sie dies hier https://www.salto.bz/de/article/16082023/vom-stammtisch-ins-sushilokal#… oder, dass ich andererorts meinte, der Eindruck von Zensur am Video bleibe trotz Argumentation seitens des Regiseurs erhalten?

Der Regisseur meinte, er hätte kürzen müssen und hätte hierfür den Vorspuleffekt genutzt.
Tatsächlich hätte der Regisseur zwischen Minute 8:30 und 13:13 mittels Vorspuleffekt verkürzen können. Außer der Mühe, sich für ein Essen zu entscheiden, mit dem Bestellen via 'Tablet' zurechtzufinden bzw. der Mühe, den Handyklingelton auszuschalten kam in den knapp 5 Minuten ja nicht viel rum.
Ich hätte fast ausgeschaltet, wäre da nicht der saloppe Einwurf vom "Gift" gekommen. Kurz: Das Argument vom notwendigen Kürzen des Videos greift hier für mich nicht. Auch nicht das Argument, dass beim Thema, das immerhin politisch die letze Amtsperiode über drei Jahre lang dominierte, niemand mehr hinhören könne, ist absolut von der Rolle. Die zerredeten und unaufgearbeiteten Verfehlnisse dieser Zeit sowie erst Recht das Fehlen jeglicher Konsequenzen werden bei den kommenden Wahlen unweigerlich mitentscheidend sein. Unabhängig davon ob ein Regisseur denkt, dass man es nicht mehr hören kann und deshalb lieber dieses Mittel des Vorspulens wählte.
Ob es interessanter war vom "Gift" zu hören, während das Bestellen langweiligst angedauert hat?

Und seien Sie unbesorgt.
Bezogen auf die Quote an ständigen und omnipräsenten Gegen-Antworten aus der Hand der "x-gegner" Gasser und Klotz 'kimm i af olle fälle garantiert mehr "ousi" und "verschnauf" net lei "a bissl" mehr als die beiden Herrn.

Ansonsten ging's mir hier nachweislich mehr darum, den nicht belegten Vorurteilen der Frau Elsbeth mit Bezug auf den von Ihr sog. "Bauerntopos" entgegen zu treten.

Fr., 25.08.2023 - 20:03 Permalink