Gesellschaft | Alles ändert sich

Ihr seid mir fremd geworden

"Keine Demokratie kann auf Dauer bestehen, wenn es ihr an Menschen fehlt, die von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen." (Nicola Canestrini, Rechtsanwalt)
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Nun nähert sich der 06. September, der Tag, an dem der Historiker Daniele Ganser in Meran einen Vortrag halten wird zum Thema „Warum haben wir Krieg in Europa?“. Die Partei der Grünen hat es für wichtig befunden, frühzeitig mit einer geharnischten Stellungnahme eindringlich vor ihm zu warnen. Der Ruf wurde gehört und der Mensch konnte schließlich enttarnt werden als Antisemit, verkappter Nazi, Putinversteher, raffinierter Rattenfänger und Verbreiter von „Desinformation“ (man merke sich sehr gut diesen Begriff, er beginnt seit 25.08.23 per EU-Beschluss unser Leben zu gestalten). Nach Auswertung aller Daten konnte im Wahrheitsministerium schließlich die klinische Differentialdiagnose „Verschwörungstheoretiker“ gestellt werden. Das bedeutet, er wird geächtet, isoliert und wer mit ihm zu tun hat, macht sich verdächtig.

Seit es euch gibt, habe ich immer euch, DIE GRÜNEN, gewählt.

Seit zwei-drei Jahren schau ich euch zu und sehe, wie ihr mir immer fremder werdet. Lange hab ich mich gegen diesen schmerzhaften Vorgang gewehrt und wollte ihn nicht wahrhaben, weil mich vieles mit euch verbunden hat.

Ich seh euch bei jeder Gelegenheit empört und selbstgerecht auf wahre und vermeintliche Nazis zeigen. Aber wo wart ihr in der Coronazeit, als die Hetze auf die abweichende Minderheit ihren Höhepunkt erreicht hat und bis dahin Unsagbares öffentlich sagbar wurde und Wünsche nach Isolationslagern und physischer Eliminierung ungestraft laut werden durften? Ihr habt geschwiegen und einer von euch, der jetzt auf eurer Kandidatenliste steht, hat sich an diesem Schauspiel beteiligt. Auch heute noch vermeidet ihr peinlichst jede Berührung mit diesem Thema und den vielen offenen Fragen, Ungereimtheiten und Folgen.

Ihr warnt vor Nazis und Faschisten, aber ihr schließt beharrlich und ganz fest die Augen vor dem totalitären technokratischen Kontrollstaat, der sich unauffällig Schritt für Schritt vor unseren Augen aufbaut. Nicht in schwarzen Stiefeln und braunen Hemden, sondern in guten Anzügen und weißen Kitteln, zu Hause in den Finanzpalästen, global vernetzt und ausgestattet mit unbegrenzten Mitteln, den Arm nicht in die Höhe gereckt, sondern an der Tastatur beim Bauen von Algorithmen, an der Arbeit in der Biotech Laboren und beim Schreiben tadelloser internationaler Verträge. Ihr könntet nachlesen, wie nationale Verfassungen und Demokratie unmerklich an privat finanzierte, demokratisch nicht legitimierte und niemandem rechenschaftspflichtige supranationale Institutionen ausgelagert werden, wo sie sich in Luft auflösen. Und ihr könntet sehen, wie die Regierung in Rom dies alles mit Inbrunst mitträgt und dass man sich die Frage nach den Auswirkungen auf unsere Autonomie stellen sollte.

Ihr belächelt jene Menschen und Fachleute, die ein Ende des Krieges und echte Anstrengungen für Verhandlungen fordern und sich nicht von der kindlichen Frage täuschen und lähmen lassen, wer gut und wer böse ist, wer recht und wer unrecht hat. Ihr grenzt jene aus, welche die historischen und politischen Zusammenhänge beschreiben und die begreifen, dass dieser Konflikt nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden kann. Ihr habt die Unterschriftensammlung für das nationale Referendum zur Aussetzung der Waffenlieferungen ignoriert, ihr habt den Aufruf von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer ignoriert, den mittlerweile 850.000 Menschen im deutschsprachigen Raum unterschrieben haben. Ihr schweigt zur Eskalation des Krieges mit immer tödlicheren Waffen, sogar mit der international geächteten Streumunition und neuerdings mit Kampfflugzeugen und nehmt auch das Risiko der atomaren Eskalation in Kauf. Ihr tragt stolz die Friedenstaube in eurem Parteizeichen und seid aber für die Fortführung des Krieges. Ja, ihr seid für diesen Krieg, auch wenn ihr es empört zurückweisen werdet. Euer dröhnendes Schweigen unterstütz jene Kräfte, die diesen Krieg unbedingt weiterführen wollen, die uns alle in diesen Krieg hineingezogen haben und den wir alle in vielfältiger Weise täglich bezahlen.

Ihr seid die verdienstvolle Partei des Natur- und Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit. Erklärt mir schließlich, wie ihr dieses Anliegen zusammenbringt mit der Befürwortung der Weiterführung des Krieges, der immer äußerster Ausdruck ist für möglichst effektives Morden und für Zerstörung von allem Lebendigen, von Natur, von Menschen, von Seelen bis weit in die nächsten Generationen hinein. Die CO2-Bilanz des Krieges könnt ihr ausrechnen lassen.

Von anderen Parteien erwarte ich mir ein Format gar nicht, das, so wie diese Themen, tatsächlich über die seelische und politische Komfortzone hinausreicht. Aber ihr hattet es einmal in eurem Selbstverständnis und die Menschen hätten eigentlich das Recht und das Bedürfnis, auch über den lokalen Gartenzaun mit seinen Zwergen hinaus angesprochen zu werden.

Ihr seid mir fremd geworden.

PS: Und weil der Mensch ein Mensch ist und irgendwo „dazugehören“ muss, wenn er im Herbst schon wählen soll und will, hab ich mich zur Unterstützung der Liste „Vita“ entschlossen.